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February 10, 2021

WeDress – das Airbnb für Mode

Susanne Barta

Über Mietmodelle für Mode gibt’s auf diesem Blog bereits einiges zu lesen, hier und hier und auch hier im GREENzine der GREENSTYLE. Ein interessantes Projekt hat die in Wien lebende Münchnerin Jasmin Huber entwickelt und vor kurzem gelauncht. Auf WeDress kann man Mode aus anderen Kleiderschränken mieten. Zum Beispiel Teile aus dem Kleiderschrank der Modejournalistin Nicole Adler. Der Vorteil? Eine größere Kleiderauswahl bei kleinerem ökologischem Fußabdruck. Bisher gibt’s das Angebot in Berlin, München und Wien.

Jasmin hat einen langjährigen Background in Sachen Nachhaltigkeit, Circular Economy und Fair Fashion. Während ihres Business-Studiums in Wien ist sie erstmals auf das Thema der Nachhaltigkeit gestoßen, ihre Bachelor-Arbeit hat sie dann über Nachhaltigkeit in der Modeindustrie geschrieben und anschließend einen Master in „Sustainability & Responsible Business“ gemacht. Nach Jahren im Versicherungs- und Finanzdienstleisterwesen, wo es ihr schrittweise gelang, Themen der Nachhaltigkeit in die jeweiligen Unternehmen zu bringen – zuletzt als Unternehmensberaterin und -prüferin im Bereich Sustainability Services bei der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft KPMG – hat Jasmin im März 2020 WeDress Collective gegründet. Corona bedingt ist die Plattform erst im September operativ geworden.

Jasmin Huber © Pia Winkler 2

Jasmin, seit wann ist Nachhaltigkeit in der Mode ein Thema für dich?

Der Anstoß, mich tiefer mit dem Thema Modekonsum zu beschäftigen, war der Zusammenbruch der indischen Textilfabrik Rana Plaza. Auch ich war Fast-Fashion-Konsumentin, begann mir dann aber Fragen nach den Auswirkungen meines Konsumverhaltens zu stellen. Ich habe viel gelesen und recherchiert und bin ziemlich abrupt umgestiegen, habe keine Fast Fashion mehr gekauft, nur mehr Secondhand, wenn überhaupt. Das war um das Jahr 2013. Bald wurde mir aber klar, dass mich Verzicht nicht happy macht. Das ist ein grundsätzliches Thema des nachhaltigen Lifestyles, man hat irgendwie immer den Eindruck, es nie gut genug zu machen. Mode soll Spaß machen und wir – die Gesellschaft von heute – lieben und brauchen das Gefühl von etwas Neuem. Wie wir dieses Gefühl aber kreieren, kann neu definiert werden. So ist die Idee von WeDress entstanden.

WeDress © Gabriel Ruffato 3+4

Wie funktioniert WeDress?

WeDress ist eine Plattform für das Leihen und Verleihen von hochwertiger Mode, man könnte sagen, ein Airbnb für Mode. Jede Privatperson in Wien, Berlin und München kann einzelne Teile mit der WeDress Community teilen, über die Website online stellen und verleihen. Warum wir städtebasiert arbeiten, hat den Hintergrund, dass wir so effizient, ressourcenschonend und kund*innenfreundlich arbeiten möchten wie möglich. Sobald die Post involviert ist, wird es oftmals ineffizient, und Pakete hin und herschicken ist nicht umweltfreundlich. Unser wichtigster Ansatz ist „Reduce“, das heißt wir wollen jegliche Form von negativer Umweltauswirkung von vornherein vermeiden. Die Teile können persönlich abgeholt oder mit einem Fahrradkurier zugestellt werden. Die verleihende Person sorgt dafür, dass das Kleidungsstück immer gereinigt ist, wenn etwas passiert, muss die leihende Person für den Schaden aufkommen, wir arbeiten gerade auch an einer Versicherung. Grundsätzlich sind wir jedoch eine Community, die auf Vertrauen aufgebaut ist, wie jede andere Social Plattform auch, und es gibt ein beidseitiges Bewertungssystem. 

Wie wird WeDress angenommen?

Es war nicht einfach WeDress während der Corona-Zeit ins Laufen zu bringen, aber das Feedback ist gut und wir haben in der Zwischenzeit über 100 registrierte User*innen auf der Plattform, wir nennen sie die WeDresser*innen. Seit September 2020 hat die Anzahl der zu verleihenden Stücke schnell zugenommen, mit dem Leihen selbst stockt es gerade aus Lockdown-Gründen.WeDress © Gabriel Ruffato 5+6

Können Leihmodelle das Kaufen von Kleidung ersetzen oder zumindest stark reduzieren?

Wir werden in Zukunft sicher einen anderen Mode-Konsum-Mix haben, genauso wie wir schon heute einen anderen Energie-Mix haben. Leihen wird Kaufen nicht ersetzen, aber eine gute Ergänzung sein. Corona hat gezeigt, dass Pre-loved Fashion einen Aufschwung erfährt. Große Player wie Zalando oder About You haben, wie man sieht, auch verstanden, dass das Thema Secondhand wichtig ist. In 20 Jahren werden wir wohl einen Kleiderschrank haben, der reduzierter ist, vor allem Basics und Lieblingsstücke beinhaltet und alles, was wir darüber hinaus brauchen, werden wir Secondhand kaufen oder mieten. Bei Initiativen wie WeDress geht es aber auch darum, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass neue Modelle funktionieren und auch sexy sein können. Wir sagen gerne: „The fun of dressing up in ,new’ fashion with a commitment to the planet and your wallet“.

Wie schätzt du den Veränderungswillen der Modeindustrie ein?

Es tut sich einiges. Viele Lieferketten wurden zum Beispiel Corona bedingt in Frage gestellt, weil sie nicht funktioniert haben. Die Modebranche befindet sich gerade in der größten Krise und Umbruchsituation – Nachhaltigkeit und Zirkularität gewinnen auch bedingt durch die Klimakrise an Wichtigkeit. Ich sehe aber auch Tendenzen, dass sich gar nichts verändert und Fast Fashion Häuser wie gewohnt weitermachen. Einen richtigen Aufschwung sehe ich im Bereich der Kreativität. Wir hatten ja alle mehr Zeit darüber nachzudenken, was in den letzten Jahren schiefgelaufen ist. Es gibt eine große Anzahl an Neugründungen seit dem ersten Lockdown, die Anzahl an Investor*innen, die in Social Startups investieren, wächst und erfreulich ist, dass Förderstellen ihre Unterstützungen heute schon fast selbstverständlich an Nachhaltigkeitskriterien binden.

WeDress © Amelie Kreuzspiegl 7 + Gabriel Ruffato 8

Bisher kann man euer Angebot ja nur in Wien, Berlin und München nutzen. Was machen die anderen?

Wenn man eine Moderevolution vorhat, reicht es natürlich nicht, in drei großen Städten aktiv zu sein. Meine Vision ist es zu verändern, wie wir Mode nutzen. In Deutschland sollen bald Frankfurt, Hamburg, Düsseldorf und Köln dazukommen. Immer wieder melden sich Leute und, wenn wir merken, dass es in einer Stadt Bedarf gibt, können wir das zum Beispiel für den Anfang auch über eine Facebook-Gruppe organisieren. 

Fotos: (1, 7) © Amelie Kreuzspiegl; (2) Jasmin Huber © Pia Winkler; (3–6, 8) © Gabriel Ruffato.

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