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January 27, 2021

Humor ist nicht trivial: Sophia Süßmilch

Eva Rottensteiner

Humorvoll, aggressiv provokant, witzig, feministisch, selbstironisch, kunstkritisch: Es gibt viele Zuschreibungen für das Werk von Sophia Süßmilch. Die deutsche Künstlerin macht Fotografien, Performances und Malereien und nennt sie „Can you please stop taking drugs Paul“ oder „When you don’t achieve what a man achieves, society be like: Give yourself more effort“ oder „If you wanna see God take a trip“ oder „Die Selbstheilungskräfte der deutschen Wirtschaft“. Ihren Körper versteht sie als „playful toy“, mit dem man lustige Dinge machen kann. Selbstmystifizierung nervt sie, die Wahrnehmung von Frauen als Künstlerinnen auch. Einige ihrer Fotografien und Malereien sind aktuell in der Neuen Galerie Innsbruck in der Ausstellung „Pleasure Activism“ zu sehen, die von der Tiroler Künstler*innenschaft organisiert wird. Noch zu sehen bis 27.2.2021.

Now let’s have a chat, Sophia Süßmilch!

Findest du, die Kunst braucht mehr Fokus auf Pleasure?

Weiß ich gar nicht, aber ich habe irgendwann mal festgestellt, dass viele mit der Kunst wieder aufhören. Ich glaube, das hat damit zu tun, dass sie vielen keinen Spaß macht. Ich habe für mich herausgefunden, wenn ich Bock darauf habe, bleib ich eher am Ball. Ich denke mir bei meinen Arbeiten auch nicht, dass es die besten der Welt sind, sondern mir geht es eigentlich um die „pleasure“ in der Tätigkeit. Ich glaube, das brauchen Künstler*innen.

Du meintest mal in einem Interview, du bist zunächst mit deiner Kunst nicht an die Öffentlichkeit getreten. Mittlerweile hast du dich umentschieden. Oder?

Ganz so würde ich das nicht ausdrücken. Ich habe Kunsttherapie studiert und nicht daran geglaubt, dass Künstlerin sein, ökonomisch funktioniert. Ende 2016 habe ich meinen Instagram-Account erstellt und war überrascht, was das für ein Tool ist, um Öffentlichkeit herzustellen. Dadurch, dass ich selbst in meinen Werken zu sehen bin, steht so auch die ganze Künstlerpersona in der Öffentlichkeit. Natürlich muss man auch in die Öffentlichkeit treten, wenn man im weitesten Sinne aktivistische Kunst macht und was von der Gesellschaft will.

Selbstportrait als Bundesadler, C-Print, 40x60 cm, 2020 (c) Sophia Süßmilch

Nervt dich diese Öffentlichkeit manchmal?

Manchmal bin ich schon extrem genervt. Nicht unbedingt wegen der Internettrolls, eher diese Verwechslung von privater und öffentlicher Person. Manchmal kommt wer auf mich zu und sagt zum Beispiel: „Aha, endlich mal angezogen.“ Ich wundere mich, was das soll. Instagram gaukelt eine Authentizität vor. Das ist auch das manipulative Werkzeug von Instagram, diese Herstellung einer vermeintlichen Authentizität und damit muss ich leben. Mir wäre es lieber, wenn ich meine Knete im stillen Kämmerchen hockend machen könnte und ich bin auch glücklich, wenn ich keine Sprachrohrfunktion erfüllen muss. Das hat sich aber so entwickelt und ist auch okay, genervt bin ich davon aber trotzdem manchmal. Vor allem nerven mich aber Männer.

Was wünschst du dir eigentlich von der Gesellschaft?

Ich wünsche mir natürlich gegenseitiges Zuhören und voneinander Lernen, dass Menschen Erkenntnisse haben. Ich wünsche mir auch von mir selbst, dass ich lernbereit und veränderungsbereit bin, hin zu einer positiveren Gesellschaftsordnung.

Baby Born, C-Print, 60x40 cm, 2020 (c) Sophia Süßmilch + Claudia Holzinger

Humor und Entertainment sind ein wichtiges Element deiner Kunst. Warum ist das in der Kunstwelt aber nicht so verbreitet? Ist sie zu spießig dafür?

Ich bin mir nicht sicher, ob Humor nicht so weit verbreitet ist. Viele Leute denken aber, dass die Kunst dann trivial ist, was überhaupt nicht stimmt. Humor kann etwas wahnsinnig Schlaues sein und durch die Hintertür vermitteln. Wenn du lachst, verorten sich die Sachen ganz anders. Das hat nichts mit der Tiefe zu tun. Ich glaube, dass viele Leute Angst davor haben, Triviales zu machen. Es gibt zwar immer wieder Szenen, wie Gelitin oder auch Kippenberger, der sehr spaßbesetzt war. Für viele Künstler*innen ist es vielleicht nicht der Weg, um sich mit etwas auseinanderzusetzen. Für mich ist Humor ein eskapistisches Mittel. Wenn man über Dinge lacht, hält man sie besser aus.

In deinen Fotografien beziehst du oft deine Mutter mit ein. Hat das einen spezifischen Grund?

Ich wollte während meines Studiums Fotos machen und wusste, meine Mama kann ich alles fragen, also fast. Sie sagt schon auch manchmal nein. Dass es um eine Mutter-Tochter-Beziehung geht, hat sich erst danach herauskristallisiert. Bei mir waren es damals primär finanzielle Gründe, weil ich kein Geld für Schauspieler*innen hatte und deshalb meine Familie gefragt habe. Mittlerweile geht es schon um meine Mutter und mich oder um jung und alt. Die Beziehung beinhaltet noch weitere Themen, die ich gut mit meiner Mutter ausarbeiten kann und es macht auch großen Spaß. Ich hatte mit ihr eine Performance im Sommer in Köln, „Sugarma“, wo ich ihr Zuckerstreusel vom Rücken geschleckt habe. Am Ende habe ich mich in ihren Arm gelegt und das war ein ehrlicher, für mich sehr berührender Moment.

1 Meter fünfzig (sozial distanziertes Portrait mit Mutter), C-Print, 45x30 cm, 2020 (c) Sophia Süßmilch

Wie würdest du die Beziehung zu deiner Mutter beschreiben?

Ich habe eine sehr breitgefächerte Beziehung zu meiner Mama. Wir sind auch viele Geschwister und haben alle einen starken Mama-Fokus. Meine Mutter ist eine Matriarchin. Das hat mich auch geprägt.

Nach deiner Performance „Denkmal der Beleidigung“ im März 2020 in München meintest du, das war ein Befreiungsschlag von deinen ewigen Selbstzweifeln. Inwiefern?

Es war insofern eine Befreiung, als dass der Prozess für mich wichtig war. Ich habe immer wieder Selbstzweifel und das geht wohl auch nie ganz weg, aber dass ich glaube, grundsätzlich was Falsches zu machen, taucht nicht mehr so oft auf. Damals hat mir ein Kommilitone auf einer Party gesagt, ich sei eine schlechte Künstlerin. Wir waren beide sehr betrunken und ich habe ihn aufgefordert, mir die Kritik detailliert zu erklären. Ich wollte mir das anhören, ohne meine Arbeit zu verteidigen, und schauen, ob etwas an seiner Kritik dran ist. Ich habe es ganz nahe an mich herangelassen, was mich enorm in eine Krise gestürzt hat. Danach dachte ich, entweder ich ändere die Sachen, die ich gemacht habe, oder ich lass es sein oder ich mache alles 200-Prozentig. Und so war es dann. 
Je öfter ich im Internet nackig herumhüpfe, umso unangreifbarer werde ich. Wenn ich alle möglichen Beleidigungen aufzähle, die man mir an den Kopf schmeißen könnte, dann kann man mich nicht mehr beleidigen. Bei dem Prozess geht es um Verletzlichkeit innerhalb des Kunstschaffens. Der Weg zu dieser Arbeit hat mich auf jeden Fall stärker und sicherer gemacht in dem, was ich tue, auch wenn er schmerzhaft war. 

Die beleidigenden Briefe waren zwar beauftragt, aber solche Kommentare sind ja keine Seltenheit …

Es ist auf jeden Fall nicht aus der Luft gegriffen. Ich hatte mal einen Shitstorm wegen einem Foto mit Melanzani – Self portrait as penis emoji – der mir wirklich Angst gemacht hat und aufgrund dessen ich auch meine ganzen Profile auf privat gestellt hatte. Da gab es tausende Kommentare, wie scheiße man wäre, wie widerlich der Körper sei und dass man keine Kunst mache. So ein Shitstorm könnte auch nochmal passieren, aber ich halte sowas mittlerweile anders aus. Krass daran war, dass viele Leute, die mich oder meine Kunst widerlich finden, aus der Kunstszene kommen. Das fand ich verunsichernd, wenn man glaubt, man sei auf sicherem Terrain, aber dem ist nicht so.

_Self portrait as penis emoji_, C-Print, 60 x 45 cm, 2019, 5_2, 1 sold (c) Sophia Süßmilch

Künstler*innen werden immer irgendwie interpretiert. Welche Fremdzuschreibungen stören dich?

Es gehört zur Freiheit der Kunst, dass ich interpretiert werde. Mich nervt aber dieses ständige Feminismuslabel, als ob ich auf einer Trendwelle schwimme. Bei einem Mann würde man auch nicht ständig „Patriarchat“ schreien, wenn wer was sagt. Feminismus ist zwar die Grundlage von allem, aber darum geht es nicht und doch wird dann meine ganze Kunst in die Schublade gesteckt. Dagegen kann man sich aber nicht wehren und es ist auch schön, dass die Interpretation in der Kunst frei ist und man darin sehen kann, was man möchte.

Sophia Süßmilch ist 1983 in Dachau geboren. Sie hat an der Akademie der Bildenden Künste München und Wien studiert und wurde zu einem Forschungsstipendium in den USA von der Rosa-Luxemburg-Stiftung eingeladen. 2018 wurde ihr der Bayerische Kunstförderpreis verliehen. Süßmilch lebt und arbeitet in München und Wien. 

 

Photo credits: (1) Sugar Mama, 2019, Sophia Süßmilch; (2)  Selbstporträt als Bundesadler, 2020, Sophia Süßmilch; (3) Baby Born, 2020, SÜSSHOLZ; (4) 1 Meter fünfzig (sozial distanziertes Portrait mit Mutter), 2020, Sophia Süßmilch; (5) Self portrait as penis emoji, 2019, Sophia Süßmilch.

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