Music

January 14, 2021

Jazz aus dem Brixner Keller: Dekadenz-Live-Stream

Florian Rabatscher

Heute, 14. Jänner 2021 eröffnet die Dekadenz in Brixen die neue Saison. Ok, das mit dem Öffnen wird sich leider als schwierig herausstellen. Natürlich befinden wir uns immer noch in einer Pandemie und natürlich bleibt alles, was irgendwie viele Leute anlocken könnte, deswegen geschlossen. Nichtsdestotrotz lassen sich die furchtlosen Mitarbeiter*innen der Dekadenz davon nicht aus der Ruhe bringen. Wenn wir nicht zu ihnen kommen können, kommen sie einfach zu uns nach Hause – nicht als Sternsinger-Ersatz vor unsere Tür, sondern mit einem Online-Live-Konzert auf unsere Bildschirme.

Da das Ganze noch dazu in Zusammenarbeit mit dem Südtirol Jazzfestival realisiert wird, kann man sich vielleicht denken, welche Musik durch diese Symbiose geboten wird. Das Jazzkonzert im Stream beginnt um 20:30 Uhr und wird über die Facebook-Seiten des Südtirol Jazzfestival, der Dekadenz oder den YouTube-Kanal des Jazzfestivals (der unter „JazzMusicPromotion“ zu finden ist) übertragen. Worum geht’s also? Cyberjazz vielleicht? Was es auch ist, bei dieser Art von Musik ist eines sicher: Konventionell wird das Soundangebot nicht. Passend eigentlich, anstatt sich in dieser überdrehten Zeit in skurrilen Nachrichten zu verlieren, lassen wir doch stattdessen unsere Gedanken von ungewöhnlicher Musik treiben. Eigentlich hätte an diesem Abend das Quartett „Purple is the Color“ im Dekadenz-Kulturkeller auftreten sollen, doch unter diesen Umständen musste ein Ersatz gefunden werden. Anscheinend kein Problem für den neuen Jazz-Beauftragten der Dekadenz Max von Pretz. Nicht nur irgendein wahlloser, musikalischer Lückenbüßer, sondern eine völlig neu zusammengestellte Combo tritt zum ersten Mal gemeinsam auf: drei, in der Jazz-Szene keinesfalls unbekannten Namen, sondern sozusagen eine Jazz-Supergroup bestehend aus Lucia Cadotsch, Kit Downes und Ruth Goller.Am Bass steht Ruth Goller aus Brixen, die zweifelsfrei eine der erfolgreichsten Jazz-Musikerinnnen unseres kleinen Landes ist. Schon in jungen Jahren wanderte sie nach London aus, um dort in die Geheimnisse des brummenden Vier-Saiters eingeweiht zu werden. Und diesen beherrscht sie einwandfrei, aber damit nicht genug, sie spielt dieses Instrument auch noch auf eine irgendwie animalische oder natürliche Weise. Beim Zusehen könnte man wirklich meinen, dass das Instrument angewachsen und Teil ihres Körpers ist. Und auch wenn es nur ein Accessoire sein sollte, hat sie mit ihrem roten Fender Mustang Bass eine vortreffliche Wahl getroffen. Da kommt keine Rolex der Welt dagegen an. Wie ihr Bass strotzt auch Ruth Goller nur so von Coolness. Sie tritt nicht wie andere JazzmusikerInnen im extravaganten Outfit auf, sondern so wie man sie wahrscheinlich auch sonst antreffen würde. Und genau das spiegelt sie auf interessante Weise auch in ihrer Spielart wider. Sie erinnert mich irgendwie an Jenny Lee Lindberg, der Bassistin von Warpaint, obwohl die ja meistens einen Rickenbacker spielt … aber naja.Zu ihr gesellt sich an diesem Abend noch ihr Gatte Kit Downes, der zum Glück auch noch ein herausragender Jazz-Pianist ist. Der Brite, der Pianos, Keyboards, Orgeln und vieles weitere, das Tasten besitzt, an die Grenze des Vorstellbaren bringt, wird für unbekannte Vibrations sorgen. Dann wäre da noch die Stimme des Abends, welche die Schweizerin Lucia Cadotsch liefert. Sie hat übrigens in der Formation „Speak Low“ schon mit Kit Downes zusammengearbeitet und dort äußerst ausgefallene Klangwelten kreiert. Die Instrumente klingen bei Speak Low stellenweise so, als ob es sich um einen Vintage-Hip-Hop-Beat aus New York handeln würde, mit Samples aus alten Jazzplatten. Doch natürlich spielen die Musiker*innen alles selbst ein. Ungewöhnliche Klänge, überlegt mit wunderschönen Gesang. Klingt ein bisschen nach Björk.

Also können wir uns nur vage vorstellen, welche Klänge uns heute Abend erwarten werden. Aber ich glaube, wir werden nicht enttäuscht, und das ist schon allein ein Grund, unbedingt einzuschalten. Ein anderer wäre, einfach dem derzeitigen Konzertentzug ein klein bisschen entgegenzuwirken. Methadon für alle leidenschaftlichen Konzertgänger*innen da draußen … Und falls jemand noch eine weitere Inspieration benötigt: Vielleicht habt ihr ja keinen Keller zuhause und könnt so ein wenig in dieses Gefühl reinschnuppern, ähnlich einem Kaminfeuer im TV … 

Foto: Dekadenz Brixen

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