More

January 13, 2021

Möglichkeiten aufzeigen – das neue Academia Magazine von unibz und Eurac Research

Kunigunde Weissenegger

Nach Schockstarre wieder durchstarten? Nach Stillstand wieder hochfahren? Alles auf Anfang? Nach diesem Jahr 2020 einfach den Reset-Knopf zu drücken wäre naheliegend … 

Diese „Stimmung“ sich nicht einfach verflüchtigen lassen, wollten Eurac Research und unibz. Sie haben die neue Ausgabe des Wissenschaftsmagazin Academia, das sie gemeinsam gestalten, dem Thema „Reset“ gewidmet und Professor*innen und Forscher*innen gefragt, wie wir uns eine andere, bessere Zukunft vorstellen könnten. Wir wollten von den beiden Chefredakteurinnen Sigrid Hechensteiner und Vicky Rabensteiner Genaueres wissen.

unibz und Eurac Research arbeiten seit einiger Zeit gemeinsam am Academia MagazineWie gestaltet sich eure Zusammenarbeit? – Gibt es exakt aufgeteilte Seiten, einen Kampf um Zeichenanzahl, wer welche Themen behandelt …? 

Sigrid: Wir rangeln um jeden Buchstaben. [lacht] Im Ernst, das Magazin ist zu 100 % Teamarbeit. Wir überlegen uns ein übergreifendes Thema zu dem Eurac Research und unibz was zu erzählen haben. Im Idealfall auch gemeinsam. Etwa in dieser Ausgabe im wunderbaren Aufmacher-Interview mit Klimaforscher Marc Zebisch (Eurac Research) und Designprofessor Kris Krois (unibz) über Pandemie, Veränderungen in unserem Wirtschaftssystem und im Rollenverständnis von Wissenschaftlern. Marc Zebisch und Kris Krois engagieren sich im Übrigen auch gemeinsam für den Südtiroler Ableger von „Scientists for Future“.

Vicky: Wir wollen schlichtweg über den Tellerrand blicken und thematisch aufzeigen, wo sich die Forschungsarbeiten unserer zwei Institutionen ergänzen oder bereits im gemeinsamen Werden begriffen sind. Dafür treffen wir uns – außerhalb der Covid-Zeiten gerne zum gemeinsamen Kaffee – für ein ausgiebiges Brainstorming und bringen unsere zwei Welten zusammen. Dabei suchen wir durchaus kritisch nach Themen, die für die Leser interessant sind und nicht nur für uns! Die gemeinsame Diskussion verläuft dabei ebenso wertschätzend wie bereichernd, wenn es darum geht, gemeinsam auszuloten, welches Thema sich für welches Format – grafisch aufbereitet, in Interviewform oder als Artikel – am besten eignet. Das Schöne an unserer Arbeit ist der Umstand, dass Wissenschaft längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Academia RotesSofa_interview_Vicky_Sigi

Zur aktuellen Nummer: Was hat es mit dem Apfel auf der Titelseite auf sich?

Sigrid: Wir wollten nicht das übliche Pandemie-Foto: die Masken, leergefegte Straßen, geschlossene Lokale. Im Titel „Reset“ schwingt hoffnungsvolle Verheißung mit. Tiberio Sorvillo, der Fotograf, hat uns neben vielen, oft surrealen, Bildern des öffentlichen Lebens auch einige private Schnappschüsse präsentiert, etwa von seinem Tiefkühlfach, das mal wieder aufgetaut und neu befüllt werden muss. Wir fanden das gleich gut, weil da auch etwas Ironie mitschwingt.
Und im Heft drinnen erzählen wir im Graphic Article außerdem eine Geschichte zum Apfel, und was sich aus dessen Abfallprodukten noch so alles gewinnen lässt. Mich hat das Foto gleich in seinen Bann gezogen.

Was ist euch beim Erarbeiten dieser „besonderen” Ausgabe aufgefallen?

Vicky: Uns ging es beim Zusammenstellen dieser Ausgabe um Forschungsprojekte, die einen Weg außerhalb der gewohnten Trampelpfade des Wachstums beschreiten, und wir waren überrascht und gleichsam erfreut, wie viele es davon bei uns bereits gibt. Dazu seien die großen Hebelwirkungen für ein Reset von Produktionsmethoden ebenso genannt wie das Gespräch mit zwei Tourismusprofessoren unserer Institutionen, wie „normal“ der Post-Corona-Tourismus gestaltet werden kann. Es hat Spaß gemacht, all diese Möglichkeiten aufzuzeigen! 

„Wege aus der Krise“ – dieses Motto hat euch durch die Ausgabe begleitet – was hat euch inhaltlich überrascht? 

Vicky: Vielleicht das, was Kris Krois und Marc Zebisch im gemeinsamen Aufmacher-Interview unterstrichen haben: nämlich, dass die Wissenschaft in den vergangenen 25 Jahren versucht hat, mit ihren Aussagen – verdeutlicht durch Infografiken und Kommunikationsstrategien – durchzudringen, dass der gesellschaftliche Tipping Point aber Greta Thunberg als Einzelperson war. Wissenschaft bietet die Basis, dennoch benötigt es Visionäre, welche die Menschen für Wissenschaftsthemen begeistern.

Sigrid: Ich habe ein neues Wort gelernt: Syndemie. Das Fachmagazin The Lancet hat kürzlich in einem Kommentar dazu aufgefordert, Covid-19 nicht als Pandemie, sondern eben als Syndemie zu bezeichnen: Es ist nämlich das Zusammenspiel verschiedener sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Entwicklungen, die Einfluss auf die gesundheitlichen Auswirkungen des Virus haben. Bolzano, Covid-19, Italy, Lockdown

Warum habt ihr erstmals einen Fotografen die gesamte Ausgabe mit einer Serie gestalten lassen? 

Sigrid: Wir haben in dieser Ausgabe auch einen fotografischen Reset vorgenommen. Die wunderbaren Momentaufnahmen von Tiberio Sorvillo ziehen sich losgelöst von den Texten als roter Faden und als ganz eigene Geschichte durch das Magazin. Tiberio hat 400 Fotos geschossen, auf denen er einen Stillstand porträtiert, der eigentlich kein wirklicher war. Für viele von uns – bis auf jene, die an vorderster Front im Einsatz waren – war es ein physischer Lockdown und eine psychische Achterbahn. Tiberio ist es gelungen, diesen Widerspruch zwischen Ruhe und Sturm, Stillstand und Beschleunigung, Einigkeit und Zerrissenheit festzuhalten. 

Gibt es für jede von euch eine Lieblingsseite in dieser Ausgabe? 

Vicky: Dies ist nicht einfach zu beantworten bei der Fülle an interessanten Themen, die eingegangen sind. Mich fasziniert jedoch die Kunst des Graphic Articles, also Forschung als Comic darzustellen. Also wäre es für mich die Doppelseite über die Kreislaufwirtschaft, die aufzeigt, wie aus Abfällen der Lebensmittelindustrie hochwertige neue Produkte gewonnen werden können. Fotografisch ist mein Hingucker sicher das mit Zweigen gestaltete „Do nothing“ am Talferufer des Künstlers William D’Allessandro. Wer ist es heute schon noch gewohnt, nichts zu tun?! 

Sigrid: Mal was ganz anderes ist der Beitrag zur Religion 2.0 in Zeiten von Covid-19. Die Autorin Giulia Isetti erzählt unter anderem von Mindar einem Buddhistischen Bestattungsroboter in Japan und der App Laudate, die in Italien schon über eine Million Mal heruntergeladen wurde. Mittels App können sich die Nutzer ihre persönlichen Gebete und Liturgien herunterladen, eigene Gebete veröffentlichen, aber auch eine Check-Liste für die nächste Beichte einrichten. Mein Lieblingsfoto und meine Lieblings-Message ist der Junge mit Skateboard, Maske und Pflaster am Knie und der passenden Bildunterschrift: Keep a balance and pick yourself up when you’ve fallen. 

Ihr denkt bestimmt schon an die nächste Ausgabe: Welches Thema schwebt euch diesmal vor?

Vicky: Da wir nunmehr unsere Printausgaben einmal im Jahr gestalten, lassen wir das Frühjahr 2021 kommen, um möglichst nah am Zeitgeist zu produzieren. Schließlich lassen sich viele große Fragen der Gegenwart auch mit Themen aus unserer Forschungswelt spiegeln – nicht immer, um fertige Antworten zu geben, aber stets mit Blick auf das, was alles möglich ist. 

Reset – zurück auf Anfang, Neustart. Was steht – auch anlässlich des Jahreswechsels – bei der eurac und bei der unibz ganz besonders Neues an? 

Vicky: Für uns lassen sich im Großen wie im Kleinen vielleicht zwei Themen herauspicken. Die Pandemie hat gezeigt, wie eng der Zusammenhalt der Unigemeinschaft auch aus der Ferne, sprich im Homeoffice ist, weswegen die unibz mit 2021 stark auf das Format des Smart Workings setzt, das über die Pandemie hinweg Teil unseres normalen Arbeitsalltags sein wird. Im Kleinen sei ein Projekt der Pressestelle verraten – wir wollen spätestens im Sommer 2021 einen Podcast aus der Uni lancieren. Themen dazu haben wir bereits in Fülle, nun müssen nur noch unsere Ideen in Form gegossen werden.

Sigrid: Die Pandemie hat Digitalisierungsprozesse, die vorher viel Zeit in Anspruch genommen haben, ungemein beschleunigt und Teamarbeit auch von zuhause aus möglich gemacht. Wie unibz auch pushen wir zurzeit vor allem unsere digitalen Formate: eLearning-Module für Oberschulen, Blogs, digitale Events. 2021 arbeiten wir intensiv an unserem neuen Webauftritt – ein kleiner Teil davon ist schon online – und an einer Festschrift. 2022 wird Eurac Research 30 Jahre alt.

Fotos: (1 + 3) Tiberio Sorvillo für Academia Magazine #82, 12/2020, unibz + Eurac Research; (2) Academia Magazine. 

Print

Like + Share

Comments

Current day month ye@r *

Discussion+

There are no comments for this article.