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December 24, 2020

Moreness in December. Tag Vierundzwanzig: Sucht

Maria Oberrauch
In die Höhe zieht es viele. – Wirklich? Gebirgsmassive wollen sie sehen. – Echt jetzt? Raue Luft wollen sie spüren. – Ernsthaft? … –– Berge müssen zurzeit viel aushalten … Wir haben überlegt, wir möchten uns mit dem Thema, wie wir es bereits in MORENESS getan haben, anders und ausgeprägter befassen. Von 1. bis 31. Dezember veröffentlichen wir Gedanken, Überlegungen und Anregungen. Das ist kein Countdown, kein Ratgeber und erst recht kein Adventskalender, sondern ein aufmerksamer Blick auf die Berge, die uns umgeben.

 

Schultergeblätteter Schweiß, Eis in den Lungen und dampfe Haut flieht wie Aura gen Himmel. Hunderte Höhenmeter die Stunde, der Kopf ist beim Körper, man bleibt in der Spur bis man ankommt, bis der Enzian im Hals strömt, um den angebrauchten Körper zu hintergehn, denn die Kälte kommt schnell, schnellern zieht sie mich an und die Stirnlampe gibt den Geist her wie ein uraltes Wesen. Überall ist die Nacht, nur weiter unten drückt eine Blockhütte Licht aus quadratischen Scheiben, gelborange und klang, bis an den Gipfel und ich frag mich, wieso eigentlich, wieso es so wichtig war hier hinauf zu steigen. Im Stummenhören kriecht es noch lauter in die Knochen, wir erinnern uns daran die Finger klimpern zu lassen, virtuos. Fast höre ich die Sehnen schnallen und die Gefäße platzen wie Lachseier im Mund. Felle ratschen ab, Bindungen klicken Orchester, die Luft schneidet und der Schnee dämpft. Schwarz lehnt sich an, es ist Einklang und keiner redet belanglos und dann fahren wir ab.

Am nächsten Morgen kommen wir wieder, wir haben etwas verloren hier oben, wir haben es nicht mehr gefunden, im Dunkel. Schultergeblätteter Schweiß, aber weniger Eis in den Lungen und die Sonne umhüllt wie der feinste Stoff den Körper. Hunderte Höhenmeter die Stunde, fern der Piste im Pulvermeer, um den weichen Rücken mit unseren Spuren zu belegen. Wir steigen höher im Zickzack und höher, ich schere nicht aus und mühelos fließt es Atem: Der Kampf fällt ab, das Große berauscht und es muskelt und trägt von alleine weiter. Ich bin ganz gelborange und klang, bis an den Gipfel, und frage mich nicht, wieso eigentlich, wieso es so wichtig war, hier hinauf zu steigen. Ein kleines Später stöhnt der Winter aus und löst sich brettern ins Tal. Brach liegt der Berg und wir darüber und diesen Moment, das wird ihn speichern, hüllt es still, nein, taub. Ich schaue an mir hinunter. Ich stelle den Knopf auf Suche.

Und immer noch, ganze Sätze stehen Schlange sie zu schreiben aber es verträgt kein Skelett, es muss vertragen werden können, Schnee soll doch leicht sein, soll brisen.

Am nächsten Morgen komme ich wieder, ich habe etwas verloren hier oben, ich muss es wiederfinden. Schultergeblätteter Schweiß, Eis in den Lungen und die Sonne umhüllt wie der feinste Stoff den zitteren Körper.

 

WEITERFÜHRENDES FÜR TAG DREIUNDZWANZIG:  

* „die krankheit wunder. le beatitudini della malattia“ von Roberta Dapunt 

* „Dieser stete Begleiter“ von Maria Oberrauch in MORENESS #01 über den Rucksack und dessen Inhalt jener, die ihn hoch und runter tragen – Eltern, Skitourengeherin, Ötzi, Forschungsexpedition um 1800, Soldat.  

Bild: Auszug aus MORENESS #01 – Above the Tree Line 

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