Fashion + Design > Fashion

November 25, 2020

Fix your clothes

Susanne Barta

Es war einmal … So fangen für gewöhnlich Märchen an. So fangen aber auch Geschichten an, die uns etwas von früher erzählen. Und die manch Bemerkenswertes auch für heute bereithalten können. Also: Es waren einmal Kleidungsstücke, die lange hielten. Warum? Weil die Stoffqualität besser war, weil sie besser verarbeitet wurden. Weil es nicht Usus war, sie nach kurzem Gebrauch wieder zu entsorgen. Und weil Kleidungsstücke gepflegt, repariert und geflickt wurden. Fast Fashion, ein entfesseltes Konsumverhalten und ständig wechselnde Trends haben das zum Teil zunichte gemacht. Aber mit dem neu erwachten Bewusstsein, dass die Modeindustrie in vielerlei Hinsicht in eine Sackgasse läuft, wenn sie nicht umdenkt, wird vieles, was lange nicht mehr Thema war, wieder zum Thema.Susanne Barta Foto_2

1.    Wer billige Fast Fashion kauft, schadet nicht nur der Umwelt und den Menschen, die sie herstellen (müssen), sondern gibt langfristig mehr Geld aus und hat dennoch viel weniger davon. Daher lohnt es sich in jeder Hinsicht besser und weniger zu kaufen.

2.    Gute Qualität zahlt sich immer aus. Wer hier wenig(er) ausgeben möchte, kann Secondhand kaufen. Alle Trends waren schon mal da. Meist ist auch die Qualität, vor allem bei Vintage-Stücken, um vieles besser als heute. Und jedes Stück, das länger im Kreislauf bleibt, entlastet die Umwelt.

3.    Wer die Pflegeanleitung seiner Kleidungsstücke genau liest, wird auch beim Waschen, Trocknen und Bügeln weniger Fehler machen und damit bleiben die Kleidungsstücke länger tragbar.

4.    Kleidung lüften und aushängen macht viele Wäschen unnötig. Gerade bei Geruch hilft es, sie auf die Heizung zu legen oder drüber zu hängen.

5.    Polyester & Co sind problematisch. Mischgewebe sind bisher nicht zu recyceln. Die Materialien sind schwieriger zu reparieren, man schwitzt darin schneller und Patina bekommen sie auch keine schöne.

6.    Wer hat uns weisgemacht, dass Kleidung, die einen Fleck hat oder ein Loch, nicht mehr tragbar ist? Wenn sie gewaschen ist und nicht muffelt, spricht doch eigentlich nichts dagegen, das Stück weiter anzuziehen? Wer sich aber unwohl fühlt, Fleck oder Loch selbstbewusst zu tragen, kann etwas applizieren oder draufsticken oder einfach flicken oder sich sonst was einfallen lassen. Das Internet ist voll mit DIY-Anleitungen.

7.    Greenfluencerinnen wie Signe Hansen zum Beispiel haben Beiträge zur Pflege von Kleidungsstücken gemacht. Im Buch von Kirsten Brodde und Alf Tobias Zahn „Einfach anziehend. Der Guide für alle, die Wegwerfmode satthaben“ finden sich sechs Seiten mit Tipps nach dem Motto „Langlebigkeit ist das neue Cool“.

The Prince’s Foundation Foto_3

Vor kurzem hat Prinz Charles in einem Interview mit British Vogue Chef Edward Enningful über seinen Stil und seinen Umgang mit Kleidung gesprochen. Dieses sympathische Gespräch könnt ihr hier lesen oder hier anschauen. Prinz Charles engagiert sich seit langem für Umweltschutz und Nachhaltigkeit und hat mit seiner Prince´s Foundation, in Zusammenarbeit mit Yoox-Net-a-Porter, das Programm „The modern Artisan“ auf den Weg gebracht, das Modestudent*innen nachhaltiges Design-Know-how näherbringt. Er selbst, erzählt er in dem Interview, sei dem Prinzip Ausbessern statt Wegwerfen in all den Jahren treu geblieben. Seine Anzüge und Schuhe lasse er lieber reparieren, statt neue zu kaufen. Dass sein nachhaltiger Weg allmählich zum Trend wird, überrascht und freut den 71-Jährigen Prinzen jedenfalls. „Als Kunde hat man die Möglichkeit, Entscheidungen gegen die Wegwerfkultur und Fast Fashion zu setzen“, sagt er. Und er habe den Eindruck, dass es für lokale Unternehmen gerade jetzt große Chancen im nachhaltigen Modesektor gibt. Auf das Statement von Edward Enningful, dass er mit seinen handgemachten Anzügen und Lederschuhen bei vielen als Stil-Ikone gelte, muss Prinz Charles schmunzeln: „Ich dachte immer, ich sei wie eine kaputte Uhr – zwei Mal in 24 Stunden liege ich richtig. Es freut mich aber, wenn Sie sagen, dass es Stil hat.“

Auch ich bin in den letzten Jahren, was das Thema Pflege von Kleidung angeht, viel umsichtiger geworden. Ich stopfe Löcher, appliziere etwas – Kleidung deswegen zu entsorgen war einmal. Wie ihr seht, bin ich allerdings noch kein wirklicher Flick-Pro. Ich bringe meine Schuhe, wenn notwendig, zum Schuster, gebe Sachen zum Ändern zur Schneiderin. Das war vor einigen Jahren noch ziemlich schwierig, weil es kaum eine bezahlbare Schneider*in gab. Jetzt gibt es jede Menge Möglichkeiten. Meine Lieblingsschneiderin ist Margherita in der Gerbergasse in Bozen. fix your clothes Susanne Barta

Aus der Not eine Tugend macht zum Beispiel die Jeans-Brand Dawn. Ich liebe meine Dawn-Jeans aus der Kollektion „Art on broken pieces“. Aus kleinen Produktionsfehlern wird kurzerhand ein individuelles Einzelstück. Was bei anderen entsorgt wird, wird bei Dawn zusammen mit der Künstlerin Sofia Holt in etwas Besonderes verwandelt, nach dem Motto „Embrace your flaws“.

Susanne Barta fix your clothes

Kennt ihr meine Lieblingstasche aus Piñatex? Wer diesen Blog liest oder mir auf Instagram folgt, sieht sie regelmäßig. Vor kurzem habe ich ein Interview mit der Designerin und Produzentin von Maravillas Bags Christina Bussmann gemacht. Da ich die Tasche so viel trage und das Material nicht ganz so belastbar ist wie Leder, hat sich eine Stelle aufgerieben. Auch die Ecken waren etwas abgeschabt. What to do? Beim Schuster haben sie mich weiter zu Alexa geschickt. Alexa von Bruchhausen hat ihr Atelier in der Streitergasse in Bozen und macht Lederarbeiten. Sie repariert, re- und upcycelt. Aus alten Lederjacken werden zum Beispiel Rucksäcke oder Handtaschen. Gerade realisiert Alexa mit dem Südtiroler Naturmuseum ein Projekt, wo alte Plakatbanner in Taschen und Geldbörsen umgestaltet werden. Sie ist eigentlich gelernte Architektin, hat sich umschulen lassen und dann, nach viel Praxisarbeit bei Schuhmachern, selbständig gemacht. Alexa hat meine Tasche wieder toll hergerichtet. Da ich keine Veganerin bin, ist es für mich auch ok, dass sie mit Lederresten gearbeitet hat. Das Ergebnis zählt. Seht selbst:

Susanne Barta Foto_8

Black Friday und Cyber Monday stehen wieder vor der Tür und damit vermutlich ein entfesseltes Konsumwochenende. Aber es besteht ja immer auch die Möglichkeit, besser zu konsumieren. GREENSTYLE-Gründerin Mirjam Smend hat dazu einen guten Artikel geschrieben, in dem sie u. a. sagt: „Black Friday is so yesterday. It´s 2020.“

Ich schätze Kleidung mit Patina. Nichts ist uncooler als neu und glänzend von Kopf bis Fuß. Kleidung erzählt Geschichten, unsere Geschichten, manchmal auch andere. Und die haben eben auch Falten, Risse, Löcher, geflickte Stellen, Unebenheiten oder den ein oder anderen Fleck. So what? 

Fotos: (1–2) © Susanne Barta; (3) The Prince’s Foundation and YOOX Net-A-Porter launch “The Modern Artisan” © The Prince’s Foundation; (4–5) © Susanne Barta; (6) © Susanne Barta, Hose > Dawn Jeans, Pullover > Secondhand Ralph Lauren, Socken > Arket; Schuhe > alt; (7­–8) © Susanne Barta. 

Print

Like + Share

Comments

Current day month ye@r *

Discussion+

There are no comments for this article.

Related Articles

Archive > Fashion