Nicht nur „die eine“ junge Perspektive: Talking to Glühbirne

Es ist das Wort, mit dem in der Glühbirne gespielt und hantiert wird. Nadia Unterfrauner, Carmen Ramoser, Magdalena Ferdigg, Nadia Rungger und Anna Maria Parteli wurden durch ein Oberschulprojekt zusammengewürfelt. Jetzt haben sie mit ihrem Schreibkollektiv „Die Glühbirne“ ihre erste gemeinsame Publikation („In die klare Luft springen“) herausgebracht. franz hat mit ihnen videofoniert.
„Bevor unsere Welt in Flammen aufgeht, wird sie noch einmal perfekt sein.“ – Das steht im Klappentext eures neuen Buches. Fasst das auch eure junge Perspektive auf die Welt zusammen?
Nadia U.: Der Text ist von mir. Das habe ich damals als Einleitungssatz geschrieben und meine damit: Egal wie beschissen es ab und zu ist, am Ende, wenn die Welt untergeht und jeder stirbt, kann man zurückschauen und dann war es doch irgendwie perfekt, weil man all das hatte, was für einen möglich war.
Anna Maria: Wollte noch anmerken, dass es nicht den einen Blick von jungen Menschen auf die Welt gibt. Auch in der Glühbirne prallen oft ganz unterschiedliche Welten dieser Welt aufeinander. Weil es die eine Welt oder Realität nicht gibt.
Passiert euch das manchmal, dass euch „diese eine“ junge Perspektive zugeschrieben wird?
Magdalena: Im Rahmen dieses Buches wurden wir öfter damit konfrontiert, wir seien der junge Blick auf die Dinge, sie probieren die Jugendsprache mit uns zu assoziieren, die wir nie verwenden würden. Wir werden schnell in die eine gleiche Ecke geschoben, aber für uns trifft es einfach nicht zu, dass wir „die eine“ junge Perspektive verkörpern. Sicher haben wir eine gewisse junge und naive Sicht auf vieles, weil wir gewisse Erfahrungen noch nicht gemacht haben, aber jene, die wir haben unterscheiden sich stark von anderen.
Nadia R.: Ich finde es wichtig zu unterstreichen, dass unsere Texte nicht bloß gut sind, weil sie jung sind. Die Qualität soll nicht mit unserem Jung-Sein verbunden sein. Die Texte sind einfach gut oder weniger gut.
Magdalena: Sie soll auch nicht gut sein TROTZ, dass wir jung sind.
Nadia U.: Mich stört am meisten, wenn mir unterstellt wird als junge Autorin einen naiven Blick zu haben. Man kann auch als 50jähriger total naiv sein, aber was man sagt, komplett un-naiv darbringen. Ich finde nicht, dass wir in unseren Texten naiv sind. Das sind Texte, die uns tief berühren und wo wir den klarsten Blick darauf haben.
Ihr arbeitet im Kollektiv, das eigentlich aus einem Oberschulprojekt entstanden ist. Welche Bedeutung hat dieses Kollektiv für euch und was ist eure Mission als Gruppe?
Anna Maria: Unser Kollektiv gibt uns Raum und Rahmen, um veröffentlichen zu können, um Lesungen machen zu können, um unsere Texte unter die Leute zu bringen. Wir schreiben unsere Texte nicht zusammen, wie man sich das oft vorstellt. Jede schreibt für sich, aber sehr viel von der Entwicklung, die unsere Texte durchmachen, passiert in der Glühbirne durch gegenseitige Kritik und die anderen Blickwinkel, die jede einbringt.
Magdalena: Wir schreiben zwar nicht gemeinsam und trotzdem werden oft Themen durch die Bank von uns aufgegriffen. Eine fängt einen Gedanken an zu spinnen, eine andere greift ihn auf und spinnt ihn weiter. Das merkt man auch im Buch, manche Themen und Strukturen wiederholen sich.
Carmen: Ganz allgemein hilft das Kollektiv, dass man als Autorin nicht allein sein muss. Zu fünft ist die Angst geringer, Neues zu wagen.
Euer Buch ist nicht nur inhaltlich, sondern auch von der Form her besonders. Ihr habt mal eine Leseanleitung mit Musikempfehlung, mal eine App-Instruction, mal einen Zweizeiler, bei „gelbe Linien“ nehmen die Worte auch Form an. Wie kommt es dazu?
Anna Maria: Ich versuche immer das auszuprobieren, was ich noch nicht selber probiert habe und was für die Leser*innen auch interessant ist. Ich versuche dann zu überraschen, auch in der Textform.
Nadia R: Und das ist das Schönste, wenn man es schafft, die Perspektiven der Leser*innen zu lenken. Und da jede ihren eigenen Zugang und ihre eigenen Ideen hat, ergibt sich eine Bandbreite an neuen Formen.
Magdalena: Ich finde, dass wir uns auch sehr oft mit einem Text oder Gedicht selbst überraschen. Dann fließen noch andere Formen und künstlerische Zugänge mit ein. Und am Ende entsteht etwas ganz Neues.
ZOOM-ED unterstützt bei der Erstpublikation zeitgenössischer Autor*innen. Eure ist jetzt draußen. Wie geht es für euch jetzt weiter?
Carmen: Wir werden das Kollektiv auf jeden Fall weiterführen, auch unabhängig von einer Veröffentlichung und Lesungen veranstalten. Die jetzige Publikation soll mal in die Welt getragen werden und dort Fuß fassen.
Und das ist auch das Ziel: als Schriftstellerin Fuß fassen, oder?
Magdalena: Für mich ist schreiben weniger Karrierewunsch, sondern eher ein Ausgleich, wo ich zum technischen, hektischen Alltag meine Ruhe wiederfinde.
Nadia R: Bei mir ist das Schreiben schon eine Haupttätigkeit. Ich sehe mich dort schon, auch vielleicht in Kombination mit Journalismus oder in der Literaturvermittlung und -kritik.
Carmen: Man will nicht sagen, dass man Schriftstellerin werden will, weil das so unsicher ist. Also sucht sich jede einen Plan B, meiner ist die Wissenschaft. Aber ich kann mir nicht vorstellen, mit dem Schreiben aufzuhören und würde mich freuen, auch weiter Bücher schreiben zu dürfen.
Anna Maria: Ich sehe mein Schreiben in Zukunft im Journalismus, eben als berichterstattendes Schreiben. Ich glaube aber, das literarische Schreiben kann ich nie fallen lassen, und in dem Sinn ist die Glühbirne auch literarische Heimat für mich. Ich würde mir wünschen, dass die Glühbirne in der Südtiroler Literaturlandschaft auch zu einem Namen wird.
Carmen: Es wäre auch schön, wenn es über Südtirol hinaus gehen würde.
Seiten im Buch, welche die Autorinnen besonders empfehlen:
– Wie wir leben
– Viel zu
– Die Suche
– Das Milchglasscheibenlicht
– Zeit und Zeit, die rinnt
Alternativ einfach irgendwo aufschlagen und sich inspirieren lassen …
Nadia Unterfrauner (2001, aus Sterzing) wird mit ihrem Roman „The misty Dawn“ (2018) als Südtirols jüngste Autorin bezeichnet. Ein Jahr später folgten zwei weitere Romane („Die Scherben der Zeit“, „The rising sun – eye of beyond“). Studiert in Innsbruck Krankenpflege.
Carmen Ramoser (1998, aus Mauls) hat gerade ihr Biologiestudium in Wien abgeschlossen und studiert noch Germanistik. In der Schüler*innenagenda DAI, der Straßenzeitung zebra und im Erker hat sie vor allem Prosa publiziert. Gerade ist ihre erste Verlagspublikation „Das Lexikon der Töne“ in Arbeit.
Magdalena Ferdigg (2002, aus Brixen) ist im Maturajahr des Realgymnasiums für angewandte Naturwissenschaften. Sie hat auch schon im Erker publiziert und illustriert gerade Carmens erste Publikation, weil sie sich auch gern durch Bilder ausdrückt. Sie ist außerdem Millands erste Feuerwehrfrau und absoluter Vereinsmensch.
Nadia Rungger (1998, aus Gröden) studiert gerade Germanistik in Graz und macht Radiosendungen u. a. für die Rai Ladinia und in Graz. Für ihre deutsch-ladinischen Erzählungen und Gedichte erhielt sie mehrere Literaturpreise, erst kürzlich wieder für ihr Gedicht „Viel zu“, das man auch im neuen Buch lesen kann. In diesem Jahr ist auch ihr erstes Buch „Das Blatt mit den Lösungen. Erzählungen und Gedichte“ erschienen.
Anna Maria Parteli (2001, aus Vahrn) hat gerade mit Kommunikationswissenschaften in Salzburg angefangen und möchte in den Journalismus. Hat auch schon im zebra publiziert sowie in der Kulturzeitschrift Komplex und in Kulturelemente. Sonst macht sie auch Musik (Klavier und Gitarre) und präsentiert bei Lesungen manchmal ihre selbst geschriebenen Lieder.
Die Literaturreihe „ZOOM-ED“ für Erstveröffentlichungen ist eine Zusammenarbeit von SAAV Südtiroler Autorinnen- und Autorenvereinigung und Edition Raetia.
Foto von links: Nadia Unterfrauner, Carmen Ramoser, Magdalena Ferdigg, Nadia Rungger, Anna Maria Parteli © Edition Raetia