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November 4, 2020

Abfall als Material zu verwenden ist toll – Designerin Christina Bussmann

Susanne Barta

Beim Thema nachhaltige Mode geht es immer auch um Materialien. Vor allem um neue Materialien, die Alternativen zu konventionell hergestellten Fasern, zu Leder oder Kunststoffen sein können. Und da tut sich seit einiger Zeit sehr viel. Ob das nun Fasern aus Holz, Früchten oder Milch sind. Besonders interessant sind Materialien, die aus Abfällen entstehen. Ihr habt hier schon Hannes Parth kennengelernt, der mit seinem Unternehmen Frumat AppleSkin aus Pressresten von Äpfeln herstellt. AppleSkin wird in der Zwischenzeit erfolgreich als Lederersatz von der Mode- bis zur Automotive-Industrie eingesetzt. Ebenfalls als Alternative zu Leder kann Piñatex verwendet werden, ein innovatives, natürliches, aus Fasern von Ananasblättern, hergestelltes Material. Ich habe Piñatex auf der GREENSTYLE munich kennengelernt, denn da stellte Christina Bussmann mit ihrem Label Maravillas Bags aus. Christina arbeitet bereits seit einigen Jahren mit Piñatex. Die Blätter sind ein Nebenprodukt aus dem Ananasanbau, daraus wird ein Vliesstoff entwickelt, der vielfältig eingesetzt werden kann.

© GREENSTYLE munich Aussteller Maravillas Bags

Christina ist gebürtige Berlinerin und lebt seit 15 Jahren auf Mallorca. Dort entstehen auch ihre tollen Taschen. Christina hat in Florenz Modedesign studiert, u. a. für einen Filmausstatter gearbeitet und sich dann in Mallorca selbständig gemacht. Vor allem in ein Taschen-Modell habe ich mich auf der Messe verliebt. Ich trage die DEIA Tasche seither tagein tagaus.

Christina, wie bist du auf Piñatex gekommen?

Das war vor etwa fünf Jahren. Begonnen habe ich mit nachhaltigem Leder, mit dem ich auch heute noch arbeite. Bei der Beschäftigung mit Leder musste ich feststellen, dass es große Unterschiede in Bezug auf Nachhaltigkeit gibt. Wenn man sich mit dem Material Leder ernsthaft auseinandersetzt, kommt man zwangsläufig zu Themen wie Tierhaltung, Lederproduktion etc. und damit auch zu veganen Lederalternativen. Piñatex ist damals als neues, innovatives Material gestartet, die Spanierin Carmen Hijosa hat es mit einem Team in London sozusagen erfunden. Der Rohstoff kommt aus den Philippinen, wird dort zum Vlies verarbeitet und dann in Barcelona fertig gestellt. Durch das Monopol von Ananas Anam auf Piñatex wird die Verwendung sehr genau kontrolliert. Damals konnte man noch mit Carmen persönlich sprechen. Das war interessant für mich, weil ich besser verstand, wie man es verarbeitet, denn Leder und Piñatex sind doch in vielem unterschiedlich, schon durch den Produktionsprozess. In der Zwischenzeit ist das Unternehmen Ananas Anam gewachsen und anonymer. Die Nachfrage nach dem Material war von Anfang an groß, Carmen hat anfangs noch die Labels selbst ausgesucht, mit denen sie arbeiten wollte. Ich hatte Glück, denn damals bekamen es nur wenige. Abfall als Material zu verwenden ist einfach toll.

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Was kann Piñatex?

Es ist sehr praktisch für den Träger, denn man kann es abwaschen. Ein Fettfleck ist kein Problem. Piñatex ist stabil in der Verarbeitung, das Material kommt in der Rolle. Bei Leder gibt es dünne und dicke Stellen, da muss man immer schauen, welcher Teil verwendbar ist. Manches ist aber auch schwieriger. Bei der Verarbeitung muss man schauen, was funktioniert. Das ist ein ständiges Lernen für mich als Designerin. Anfangs dachte man, es hält sogar länger als Leder, aber das ist nicht so. Ein neues Material ist immer ein Risiko. Für mich als Herstellerin, aber auch für die Käufer. Ich produziere hier auf Mallorca, auch meine Leute mussten sich in einigem umstellen. Recycelbar ist Piñatex bisher leider nicht, der Stoff ist PU-beschichtet (Polyurethan). Aber Piñatex entwickelt sich weiter, gerade wird an einer Oberflächenversiegelung gearbeitet, die nicht aus PU und recycelbar ist.

maravillas-bags piñatex

Wie ist es mit deinem Label Maravillas Bags bisher gelaufen?

Ich habe sehr klein begonnen. Habe an Familie, Freunde und auf Mallorca verkauft und mit ihrem Feedback gearbeitet. Als dann Piñatex dazukam, begann ich auch auf Messen zu gehen. Piñatex ist teuer als Material, meine Taschen werden lokal produziert, da ist das mit den Margen in Läden keine einfache Sache. Wirtschaftlich ist es also besser, wenn ich gleich an den Endkunden komme. Daher habe ich einen Mix aus Onlineshop, einigen ausgewählten Läden und Messen.

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Gerade für kleine Labels ist die Corona-Krise sehr schwierig. Übersteht Maravillas Bags diese Zeit?

Ich hoffe! Es zieht sich gerade sehr. Im März war es bitter. Es war wie ein Schock. Niemand hat bestellt, die Läden waren zu. Im Online Shop war zwar viel mehr Traffic, aber gekauft haben die Leute erst mal nicht. Ich habe auch keine Werbung geschaltet, es schien mir unangebracht in dieser Zeit mit Sales-Aktionen und Rabatten daher zu kommen. Im Juni hat es langsam wieder angefangen über den Online-Shop. Die Läden haben so gelitten, einige gibt es gar nicht mehr. Da ich selbst keinen Laden, nur einen Online-Shop betreibe und prinzipiell verkaufen kann, ist bisher auch die staatliche Unterstützung ausgeblieben.

Wirst du weitermachen?

Ich habe darüber nachgedacht, ob sich das weiterhin lohnt. Aber ich möchte weitermachen. Ich mache diese Arbeit so gerne und sehe derzeit auf der Insel auch keine Alternativen. Noch geht’s, aber wie lange? Ich versuche diese Zeit zu nutzen und einiges auszuprobieren. Und mich auf die Materialien zu besinnen, die ich habe, ich arbeite ja auch noch mit Holz. Vor Corona wollte ich noch ein neues Material dazu nehmen, das habe ich zurückgefahren. Ich versuche also mit dem, was ich mache, weiterzugehen, dieses Jahr abzuwarten und zu hoffen, dass es sich ein bisschen beruhigt.maravillas-bags_Christina-Bussmann3

Einem breiteren Käuferpublikum bekannt geworden ist Piñatex als H&M es 2019 für seine Conscious Exclusive Collection verwendet hat. H&M hat damit poppige Cowboystiefel und eine Jacke in Silber und Gold designt. Christinas Taschendesigns sind zurückhaltender, sie arbeitet mit drei Farben: schwarz, natural und rot.

Mehr über den Herstellungsprozess von Piñatex findet ihr hier und wie man die Taschen pflegt hier.

Susanne Barta Foto_9 

Fotos: (1, 4–8) © Maravillas Bags; (2+3) © GREENSTYLE munich; (9) © Susanne Barta, Susanne trägt: Jeans > Secondhand, Rolli > CORA happywear, Pullover > Secondhand, Jacke > KOCHÈ x La Redoute, Stiefel > Bruschi, Tasche > DEIA Maravillas Bags 

 

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