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November 3, 2020

My future is in art

Eva Rottensteiner

Wenn man ein Praktikum im Buchhaltungsbüro machen kann, dann auch bei einem Künstler. Das haben sich wohl Anna Tammerle und Philipp Gentili gedacht. Die beiden 19jährigen Kunstgymnasiums-Absolvent*innen sind seit einigen Wochen (jetzt mit Unterbrechung) auf unbestimmt bei dem Südtiroler Künstler Arnold Mario Dall’O in Lehre. Wir wollten wissen, was das junge Kunstfleisch für eine Zukunft wünscht, was man von Dall’O lernen kann und warum es die Kunst werden soll.

Wie wird man Praktikant*in bei Arnold Mario Dall’O?

Anna: Ich träumte immer schon einmal davon, ein Praktikum bei einem Künstler zu machen. Ich habe ihn einfach angeschrieben, wir haben uns getroffen und so wurde daraus eine spontane Sache. Ich habe ihm ein paar Werke von mir gezeigt, doch er hat mir viel mehr von sich und der Kunst erzählt. Darüber wie schwer es in dieser Branche ist. Mir ist es weniger wie eine Bewerbung vorgekommen, eher wie eine Art „Kunstlehre“, in der wir hinein schnuppern dürfen. Die einfachere Antwort: Man muss einfach ein verrückter Vogel sein.

Ihr habt Künstler*innendasein jetzt hautnah miterlebt. Sind Künstler*innen wirklich manchmal verrückt und eigen wie ihr Ruf? 

Philipp: Schwierig. Ich finde, man kann nicht alle Künstler gleich einordnen. Nach meiner eigenen Erfahrung kann ich eher das Gegenteil bestätigen. Künstler informieren sich sehr, lesen viel und setzen sich intensiv mit einem Thema auseinander. Ich empfinde viele dieser Vorurteile als niveaulos. Nur weil sich ein Künstler zurückzieht oder ein bisschen „anders“ ist, zumindest in den Augen der Gesellschaft, muss er noch lange nicht verrückt sein. 

Warum in die Kunst? 

Anna: Das ist eine gute Frage. Kunst ist für mich alles. Die Kunst war und ist für mich immer eine Art Therapie gewesen. Wenn ich auf meiner Leinwand male oder eine Skulptur mache, dann kuriert und entspannt mich dieser Prozess des Schaffens. Er ist voller Neugierde und Spannung. Wie wird es wohl am Ende? Meistens mach ich nicht einmal eine Skizze, ich folge meiner Hand, meiner Intuition. Kunst befreit mich vom ganzen alltäglichen Stress. In der Kunst kann man sich neu entfalten, frei – mutig sein, Dinge ausprobieren.

Anna Tammerle + Philipp Gentili

Was sind eure liebsten Orte in Südtirol für Kunst und Kultur?

Philipp: Für mich ist das Bozen. Das Museion finde ich besonders spannend und interessant. Ich habe auch schon einige Ausstellungen im Lanserhaus in Eppan besucht. 

Viele junge Menschen treibt es eher weg von Südtirol …  

Anna: Als Künstlerin könnte ich mir überall vorstellen zu arbeiten. Doch vorher möchte ich unbedingt die Welt entdecken und meinen Horizont erweitern. Wenn man immer nur in Südtirol bleibt, ist die eigene Weltansicht eingeschränkt. Nicht nur künstlerisch, sondern generell. Ob ich wieder zurückkommen würde, das wüsste ich nicht. Südtirol ist sehr intolerant und die Mentalität vieler Menschen ist ziemlich beschränkt. LGBT-Personen erfahren wenig Akzeptanz und es wird sehr viel Hass gegenüber Ausländern geschürt. Man kann sich hier nicht so frei fühlen, nicht so sehr entfalten, nicht so sein, wie man wirklich ist. Ich glaube das ist der Grund dafür, warum so viele junge Menschen wegwollen. Sie kommen mit der Mentalität Südtirols nicht klar. 

Lieblingskünstler*innen?

Philipp: Ich bin ein großer Fan von Renoir, Oskar Kokoschka und Egon Schiele. Ebenso faszinieren mich Straßenkünstler und die Graffiti-Szene hier bei uns. Damit meine ich nicht „Banksy“ und andere Internetberühmtheiten wie er, sondern Jugendliche, die sehr viel Geld in ihr Hobby stecken für Sprühdosen und durch ihre Wandmalerei oft auch ihre Freiheit gefährden. 

Was nehmt ihr euch mit von der Zeit im Atelier Dall’O?

Anna: Dall’O ist ein sehr interessanter, spezieller und witziger Künstler. Ich arbeite gerne mit ihm zusammen. Er ist total bodenständig und lehrt uns nicht nur die schönen Facetten eines Künstlerlebens, sondern bereitet uns auf eine harte Zeit vor. Er hat uns auch ein bisschen „demoralisiert“, doch das ist wichtig. Die Kunstbranche ist hart, nur sehr wenige schaffen es weit – betont er immer wieder. Künstler sein heißt, nicht den ganzen Tag nur zu malen, kreativ zu sein. Künstler sein ist harte Arbeit, doch von nichts kommt nichts. Ein bisschen träumen darf man. „Als Kinder sind wir alle Künstler. Die Schwierigkeit liegt darin, als Erwachsener einer zu bleiben.“ – so lautet eines meiner Lieblingszitate von Pablo Picasso. Er bringt es auf den Punkt. 

Wünsche an die Kunst- und Kulturszene in Südtirol aus eurer Sicht? 

Philipp: Ich wünsche mir, dass die Berufung Künstler wirklich als Beruf eingestuft wird und eine bessere Förderung durch Südtirol und Italien erhält.

Anna: Die Kunstszene ist viel zu wenig präsent. Es sollten vielmehr Werke im öffentlichen Raum stehen. Der Platz wäre da. 

Man munkelt, ihr plant eine Ausstellung am Ende eures Praktikums. Dürfen wir schon mehr erfahren?

Anna: Man munkelt viel im Leben, aber nein, dies bleibt noch geheim. 

Fotos: Carlo Speranza

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