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September 8, 2020

Street Art inside the Cave: Bunker H öffnet wieder seine Tore

Florian Rabatscher

Wie oft man doch das Wort „Underground“ in den verschiedensten Zusammenhängen benutzt, ist schon erstaunlich. Es verleiht allem irgendwie einen Hauch von Mystik. Dinge wie Musik, Kunst oder Literatur erscheinen mit diesem magischen Bindewort gleich viel rätselhafter und anziehender. Selbst das bekannte Underground-Logo der Londoner U-Bahn ist legendär und nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken. … oder als Kind empfand man die Heimat der Ninja Turtles im New Yorker Untergrund doch viel interessanter als die normale Welt? Ja, sogar die Hölle selbst versprüht mehr Charme als dieser langweilig schöne Himmel. Fakt ist, Underground steht für Coolness. Obwohl cool das wohl uncoolste Wort überhaupt ist … aber ich finde gerade keine bessere Umschreibung. Selbst zwielichtige Untergrund-Organisationen, wie die Mafia oder gar die Freimaurer, faszinieren uns seit je her, weil man einfach keinen Einblick in diese geheimnisumwitterten Welten hat. Worauf will ich nun hinaus mit diesem ganzen Underground-Geschwafel? Was wäre, wenn ihr den wahren Untergrund Bozens selbst erleben und endlich einen Einblick erhalten könntet? Versteht mich nicht falsch und kommt auf die geniale Idee, in die Kanalisation zu springen! Geht natürlich auch, ich spreche jedoch von einem waschechten Luftschutzbunker mitten in der Stadt Bozen, der zwar nicht von einem elitären Geheimbund betrieben wird, aber trotzdem seit einiger Zeit mehr Underground bietet, als man denkt. Er nennt sich Bunker H und das Beste: Jeder ist eingeladen, ihn zu besichtigen.

Bunker H Bozen

Seit 2013 widmet sich die Genossenschaft Talia diesem einzigartigen Überbleibsel aus dem zweiten Weltkrieg in der Bozner Fagenstraße. Zwischen 1943 und 1944 erbaut, erstreckt sich dieses Ungetüm in die Eingeweide des Berges: ein einzigartiges Labyrinth aus Tunneln, Galerien, Gängen und Hallen, mit einer Fläche von 7.000 Quadratmetern. Geschichte-Fans werden vor Freude in die Luft springen, doch auch für andere ist Spannendes dabei: Auf der Tagesordnung stehen nicht nur schnöde Besichtigungen, auch der Underground-Kultur wird ein Platz geboten. Diesen Samstag, 12. September 2020 findet die Einweihung zu „Bunker Walls“ statt: ein Projekt, bei dem verschiedene Graffiti-KünstlerInnen das Innere dieses Bunkers mit ihren Werken bunt erstrahlen lassen. Somit gewinnt „Bombing“ eine völlig neue Bedeutung im Graffiti-Jargon. Ein Ort, der früher vor Sprengkörpern schützen sollte, wird nun Schauplatz der Kunstbomben aus der Spraydose. Das muss man einfach gesehen haben: Street Art inside the Cave. In Zukunft werden in diesen historischen Höhlen sicherlich weitere Veranstaltungen stattfinden. Es wird musiziert oder geschauspielert, vorgetragen oder aufgetragen und alles, was man sich nur vorstellen kann. Viele wussten wahrscheinlich nicht einmal, dass es diesen Ort in der Landeshauptstadt überhaupt gibt – und jetzt wurde er zum Spielplatz für junge Kultur umfunktioniert. Hervorragend. Hier findet Underground-Kultur das passendste Plätzchen, das man sich nur vorstellen kann. Geschützt von der oft biederen Außenwelt, betritt man hier eine völlig andere Dimension. Ein Disneyland für Andersdenkende sozusagen.BunkerH3

Natürlich soll dieser Ort auch an seine Geschichte erinnern und aufklären. Ein Mahnmal für die Leute, um nicht zu vergessen, was hier passiert ist. Doch in einem Land, wo für meinen Geschmack ständig viel zu viel alter Staub aufgewirbelt wird, wäre es doch besser solchen Plätzen den Geist der Zukunft einzuhauchen. Genau das, was hier passiert, wie ich finde. Gerade so, als ob man auf einem verwüsteten Kriegsfeld  einen Baum einpflanzt. Der Baum wird wachsen, ganz egal, was dort passiert ist – eine Taktik der Natur, von der wir noch viel lernen könnten. Einfach weitergehen, anstatt in der Vergangenheit zu leben. Anstatt vor Luftangriffen schützt dieser Bunker nun die freie Kultur vor dem erhobenen Zeigefinger der Gesellschaft. Beenden wir diese Zeilen also mit den wohl unpassendsten Worten für so einen Ort: Dieser Bunker ist Bombe.  

Fotos: Cooperazione Talia

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