Music

August 12, 2020

Hölle im Kopf: Deadsmoke auf Doom Sessions Vol. 1

Florian Rabatscher

Unsere lokalen Untergangsanbeter melden sich wieder mit neuen Tönen der Verdammnis zurück. Die Bozner Doom-Band Deadsmoke arbeitet wie immer sehr gekonnt daran, uns diese schrecklich dunkle, aber trotzdem anziehende Schattenwelt der Musik näher zu bringen. Ein höllischer Release also, aber nicht in Form eines Albums oder sonstigem, sondern als Teil einer Compilation, die sich „Doom Sessions Vol. 1“ nennt. Kurz erklärt: Es ist der Startschuss für die wohl bedrohlichste Musik-Sampler-Reihe seit Bravo Hits. 

Das römische Label Heavy Psych Sounds Records wird nämlich noch weitere dämonische Split-Alben mit immer jeweils zwei Bands aus ihrer hauseigenen Doom-Ecke raushauen. Zu den Jungs … Entschuldigung … Männern von Deadsmoke gesellen sich übrigens beim Auftakt drei englische Vertreter der schweren Riffs, die Doom-Metal-Band Conan. Ein Sound, der wahrhaft so brutal und barbarisch wie sein Namensgeber selbst ist, obwohl ihr beigesteuerter Song „Beheaded“ mich eher enttäuscht hat. Nicht weil er schlecht wäre, sondern einfach aus dem Grund, weil sie sich nicht einmal die Mühe gegeben haben, einen einzigen verdammten Song für dieses Split-Album zu schreiben. Ihr Beitrag füllt mit seinen bombastischen 17 Minuten zwar die ganze A-Seite, aber er ist bereits sieben Jahre alt. Natürlich ist Recycling wichtiger denn je, aber doch nicht in der Musik. Sowas dürfen eigentlich nur KISS, die so geldgeil sind, dass sie sogar ein Best-of des Best-of releasen würden. Naja, Gene Simmons macht ja auch kein Geheimnis aus seiner unersättlichen Gier, weswegen ihnen verziehen sei. Trotzdem werde ich nicht genauer auf Conans Song eingehen und wechsle sofort auf die B-Seite der Platte. Auf diese wurden nämlich zwei brandneue Songs von Deadsmoke gepresst, welche nicht nur neu sind, sondern auch soundmäßig über die Stränge schlagen.

Wer dachte, Doom würde sich nicht weiterentwickeln und stünde sowieso nur im Schatten der Riffs seiner Großväter Black Sabbath, den muss ich jetzt leider enttäuschen. Natürlich klingt der Großteil dieser Bands ähnlich, aber man hört auch so manch dunkle Schmuckstücke, wie von den Melvins zum Beispiel, bei denen man sieht, dass dieses Genre auch mehr kann. Auch Deadsmoke entwickeln sich langsam in eine Richtung, die man nicht mehr so leicht einordnen kann. Sagen wir es so: Der Sound von den Melvins haut dir Classic-American-Style mit Boxhandschuhen ins Gesicht und bei Deadsmoke steht man einem besoffenen irischen Bare-Knuckle-Boxer gegenüber. Noch nicht präzise genug? Na dann versuchen wir uns doch einmal diese Klänge in bester Gruft-Manier zuzuführen: Wir hören sie einfach im Dunkeln. Beim ersten Song „Dethroned Concrete“ gesellt sich zum angenehmen Knacken der Plattenspielernadel ein sanfter Regen, welcher sehr beruhigend wirkt. Die folgenden unheilvollen Töne bereiten dieser Ruhe vor dem Sturm aber auch schnell ein Ende. Der Song nimmt Fahrt auf und wir steuern mit unseren Gedanken in genau diese raue See, die man leicht verpixelt auf dem Cover sieht. Der Dämon erhebt sich und dröhnt über mich hinweg. Wer immer schon herausfinden wollte, wie es sich anfühlt, irre zu werden, wird bei diesem Song im Dunkeln auf seine Kosten kommen. Diese Schreie gepaart mit dem Synth sind wahrlich Angst einflößend. Plötzlich wird das Ganze schneller und mutiert zu einem schwarzen Krautrock-Lied. Mit dem feinen Unterschied, dass hier keine spirituellen Gefühle hochkommen. Was passiert hier überhaupt? Ich stehe auf, doch meine Beine sind wie Gummi. Ich versuche etwas zu umklammern, aber falle stattdessen direkt vor meinen Spiegel auf die Knie. Mein Gesicht scheint sich zu verändern: Es bläst sich auf, pulsiert … schauderhaft grüne Unterkiefer und hervorstehende Fangzähne verleihen mir das Antlitz eines Monsters. Erst nach neuneinhalb Minuten die Erlösung, in Form von einem bombastischen Trommel-Outro, dass schon den nächsten Song einzuleiten scheint: „Dead Minds Army“.

Ein Titel, der sich weitere fünf Minuten durch meine Gehörgänge rammt. Und wieder dieser wahnsinnige Synth, wogegen die Schreie dieses Mal viel gepeinigter daherkommen, als bei diesen unheimlichen norwegischen Black Metal Lo-Fi-Aufnahmen. Nach fünf Minuten ein langsamer Fade Out. Durchatmen, es ist still. Doch plötzlich kommt der Song kurz wieder und man meint wirklich durchzudrehen.

Zwei Songs und was für ein Trip. Wer jetzt aufgrund meiner Beschreibungen denkt, das klinge grauenhaft, dem sei gesagt: Das stimmt. Doch grauenhaft muss nicht gleich schlecht bedeuten. Im Gegenteil sogar: Irgendein Gefühl wird vermittelt, was doch das Wichtigste bei Musik ist. Großes Kino im Kopf, ohne Happy End. Aber wenigstens ist man kurz weit entfernt von den brutalen Realitäten dieses verrotteten Jahres des Herrn 2020. Denn mehr Doom als in der Wirklichkeit geht nicht. Trotzdem bin ich vollauf begeistert von diesem Release. Ich lehne mich wieder weit aus dem Fenster und sage: Vielleicht ist Deadsmoke sogar zurzeit die beste Band dieses Landes …     

Foto: Deadsmoke

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