Music

July 2, 2020

Die musikalischen Welten der Maria Craffonara: ein Gespräch

Verena Spechtenhauser

Eigentlich hätten Maria und ich uns bei einem caffè persönlich kennen lernen sollen, uns gemütlich gegenübersitzend – Kopf und Beine der Sonne entgegengestreckt, um in aller Ruhe über ihre Person und ihre neuesten Projekte zu plaudern. Uneigentlich haben Maria und ich uns über zoom kennengelernt, sie aus ihrem Wohnzimmer in Bruneck zugeschaltet, ich am Boden meines Schlafzimmers sitzend in Algund. Entwickelt hat sich ein sehr sympathisches, anregendes Gespräch über die musikalischen Welten der Maria Craffonara, das ihr hier nachlesen könnt.

Jede musikalische Reise hat ihren Anfang. Wo begann die deine?

So genau kann ich das eigentlich gar nicht sagen. Nur, dass Musik in meinem Leben schon immer sehr präsent war. Ich war im Kinderchor und auch an der Musikschule meiner Heimatstadt Bruneck. Mit fünf Jahren habe ich mich unsterblich in die Violine verliebt, mit neun Jahren habe ich sie dann auch zu spielen gelernt. Meine Pubertät habe ich eher untypisch in der Musikschule sowie bei Orchesterwochenenden verbracht. Und mit der Entdeckung der Gospelmusik, da muss ich ungefähr 16 Jahre alt gewesen sein, haben sich mir faszinierende neue Welten geöffnet, die ich, in für mich sehr prägenden Kursen weiter vertiefen konnte. Trotz allem war mein erster Berufswunsch aber jener der Dolmetscherin. Darum habe ich auch das Sprachengymnasium besucht.

Maria Craffonara_ Da Sora Kopie

Schlussendlich hast du dich aber doch für eine musikalische Ausbildung entschieden …

Das stimmt. Ich habe erst relativ spät, nämlich im Jahr meiner Matura, mit meiner Stimmbildung begonnen. Nach Abschluss der Oberschule habe ich dann eine Ausbildung am Salzburger Mozarteum und an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien absolviert. Im Hauptfach habe ich  Gesang und Violine gewählt. Heute arbeite ich neben meinen musikalischen Projekten unter anderem auch als Vocalcoach und Chorleiterin. Die Liebe zur Sprache, insbesondere dem Ladinischen, ist mir aber geblieben.

Maria Craffonara? Ist das nicht die Südtiroler Musikerin, …

… die mit Hubert von Goisern auf Tour war! Ja genau, dieser Punkt in meiner Karriere ist für viele Menschen sehr präsent. Dabei fand die „Linz-Europa-Tour“ im fernen Jahr 2007 statt. Ist also schon ein ganzes Weilchen her. Es stört mich aber nicht, darauf angesprochen zu werden, weil ich sehr gerne an diese sehr spektakuläre Reise zurückdenke, die mich von der Donau bis an das Schwarze Meer brachte. Vor allem war es aber meine erste reale Begegnung mit der osteuropäischen Musik und auch darum eine besonders wertvolle Erfahrung für mich.

Kurz darauf hast du dann auch das Ensemble Trio Brasentina mitgegründet, aus dem später das wunderbare Quartett Donauwellenreiter entstanden ist.

Die Gründung von DWR ist ja jetzt 10 Jahre her und in der Zwischenzeit wurde auch die Besetzung verändert. Seit nun fünf Jahren stehen Thomas Castañeda, Jörg Mikula, Lukas Lauermann und ich zusammen auf der Bühne und im Studio. Ende 2016 haben wir das Album Euphoria veröffentlicht, 2017 folgte das Auftragswerk Donauwellenreiter Play Gianmaria Testa und 2018 die Vinyl LP Euphoria Live in der Studiokonzertreihe der renommierten Bauer Studios Ludwigsburg. 

Maria Craffonara_DWR_

Mit Delta ist am 17. April 2020 eure vierte CD erschienen, mitten hinein in den Corona-Wahnsinn, sozusagen.

Ja, und es war auch keine leichte Entscheidung, die wir treffen mussten. Schlussendlich haben wir aber gemeinsam beschlossen, die CD trotz allem zu veröffentlichen. Wir haben so viel Arbeit in dieses vierte Album mit insgesamt elf Stücken gesteckt, die allesamt Eigenkompositionen sind, wir wollten jetzt einfach sehen, wie die Menschen darauf reagieren. Unsere erste Singleauskoppelung Nemophilia war dann auch mit über 6 Minuten das längste Lied auf der CD. Es geht darin um das Alleinsein im Wald, im Video wunderbar dargestellt durch das Bildmaterial des österreichischen Künstlers Michael Goldgruber. Das Lied kommt ganz ohne Text aus und steht spezifisch für diese CD. 

Den Menschen, die eure früheren Alben kennen, wird auffallen, dass es auf Delta keine Texte in ladinischer Sprache zu hören gibt …

Das Ladinische war und ist zu oft ein zu großes Thema in meiner Musik. Ich wollte für mich einen musikalischen Ausdruck finden, unabhängig von Sprache und Territorium. Die Vokalise, also der Gesang ohne Text, hat mich immer schon interessiert und fasziniert. Man findet ihn in vielen verschiedenen Musikgenres, beim Jazz, in der klassischen Musik, aber auch die Jodelgesänge aller Kulturen gehören dazu. Es ist jene Richtung, die wir nun auch auf dem neuen Album von DWR eingeschlagen haben und es fühlt sich für mich gut und passend an. In Zukunft möchte ich diesen Stil auf jeden Fall noch weiter ausschöpfen. Nichtsdestotrotz bleibe ich dem Ladinischen auch in meiner Musik verbunden. Zum Beispiel bei meinem Soloprojekt Da Sora. Für 2021 ist eine Solo-CD in Planung, auf der ich gerne Eigenkompositionen auf Ladinisch, aber auch im Südtiroler Dialekt veröffentlichen möchte. Und auch rein instrumentale Stücke werden dabei sein. Der genaue Zeitpunkt ist aber noch unklar. Ladinisch singe ich auch bei meiner musikalischen Zusammenarbeit mit der Künstlerin Rina Kaçinari. Rina ist Kosovo-Albanerin, ihre Liedtexte verfasst und singt sie auf Albanisch. Kennen gelernt haben wir uns in Wien, wo wir durch Zufall miteinander auf der Bühne standen. Wir haben dann sofort gemerkt, dass wir sehr gut zusammen harmonieren und uns kurzerhand dazu entschieden, ein Duo zu gründen. Wir hätten heuer auf Einladung des Österreichischen Kulturforums gemeinsam im Iran auftreten sollen, dies wurde aber leider aufgrund der unsicheren politischen Lage und Corona auf unbestimmte Zeit verschoben.

Rina Kaçinari und Maria Craffonara

Du hast Wien gegen Bruneck eingetauscht. Fehlt dir diese kulturelle Vielfalt nicht?

Nein, denn es gibt auch in Südtirol sehr viel Kultur, man muss sich nur aus seiner Komfortzone herauswagen und auch Veranstaltungen in anderen Südtiroler Städten und Dörfern besuchen. Dann kommt man durchaus auf seine Kosten. Ich habe mich aber ganz gezielt für diesen Standortwechsel entschieden. In Bruneck gibt es weniger Zerstreuung und Ablenkung für mich und ich komme besser zum Arbeiten. Und für mich kommt auch noch ein weiterer Punkt hinzu, nämlich der Profilierungsdruck, der in einer Stadt wie Wien, in der man ständig von wahnsinnig guten MusikerInnen umgeben ist, sehr hoch ist. Ich hatte das Gefühl, immer allen um mich herum signalisieren zu müssen, dass mein Leben und meine Karriere super laufen. Hier in Bruneck bin ich einfach die Maria und es ist nicht so wichtig, was ich alles mache oder gemacht habe. Das empfinde ich als sehr entspannend.

Nach deinem Umzug nach Bruneck hast du dort das Chorprojekt VokalEnsemble 2000 gegründet. Kannst du mehr darüber erzählen?

Das war 2019 und die Gründung von VokalEnsemble 2000 war eigentlich nicht von langer Hand geplant. Umso erstaunlicher ist es und umso erfreuter bin ich darüber, was wir in einem Jahr alles gemeinsam auf die Beine gestellt haben. Zum Beispiel die Performance „Einsamkeit und Zorn“ für die Ausstellung „Wege zum Museum“ im Stadtmuseum Bruneck. Oder auch die Zusammenarbeit mit der Künstlerin Sissa Micheli und der Komponistin Ira Winkler beim Projekt „Singing flags“. Die Mitglieder des Chorprojektes sind allesamt weiblich, wir kennen uns seit langer Zeit, kommen alle aus Bruneck und Umgebung und haben in unserer Stadt alle eine klassische Musikerziehung erhalten. Die Liebe zur Musik ist geblieben, die Zeit, diese Leidenschaft auszuleben, wurde bei den meisten leider weniger. Letztes Jahr haben wir uns dann dazu entschieden, diese Leidenschaft wieder aufleben zu lassen, jedoch auf eine neue und modernere Weise. Wir bemühen uns um genreübergreifende Projekte und versuchen uns an spannenden Zusammenarbeiten mit Menschen und Themen aus zum Beispiel Kunst, Design und Literatur. Bei VokalEnsemble 2000 steht die Stimme im Vordergrund, aber im Gegensatz zu einem klassischen Chor müssen sich die Mitglieder auch bewegen. Neben der Leitung des Chores habe ich auch die Konzeption der Projekte übernommen, was mir großen Spaß macht. Es ist eine wirklich beglückende Arbeit, bei der ich neue Dinge kreieren und schaffen kann. Es gibt da nämlich noch so einige Ideen, die ich schon seit langer Zeit mit mir herumtrage und die ich zusammen mit dem VokalEnsemble 2000 nun zu verwirklichen versuche.

SUM ERGO SUM WEGE ZUM MUSEUMVocalEnsemble DSC_2075

Wie würdest du die Wiener Musikszene beschreiben?

Reichhaltig und umfangreich. Aber eigentlich ist es unmöglich, die Wiener Musikzene in ein paar Worten zu beschreiben, weil sie so unglaublich viel bietet. Von Klassik über Jazz bis hin zum Neuen Wienerlied, um nur einige Musikgenres zu nennen. Die Szene ist aber nicht nur reich an Konzerten, sondern auch an hervorragenden Ausbildungsstätten. Allerdings ist es auch so, dass man sich viel in seiner eigenen Szene bewegt und darum auch bei weitem nicht alles wahrnehmen kann, was sich darüber hinaus noch abspielt. 

In welchen Musikclub würdest du mich schicken, wenn ich morgen nach Wien reisen würde?

In den Jazz und Music Club Porgy & Bess im ersten Wiener Bezirk. Dort gibt es täglich Konzerte für rund 300 Musikbegeisterte.

Dein schönstes Konzert in letzter Zeit?

Der Auftritt von Stefan Sterzinger im ORF Radio Kulturhaus Wien im Februar 2020.

Lieber Berg oder Meer? 

Ich würde sagen, ich habe mehr Sehnsucht nach dem Meer, denn die Berge hab ich ja quasi immer parat.

Lieber Spotify oder Vinyl?

Vinyl! Aber CD ist auch sehr ok.

Lieber Buch oder Film. Hast du einen Tipp für uns? 

Im Moment lieber Film. Mein Tipp: Cheyenne. This must be the place von Paolo Sorrentino.

Das dankbarste Publikum?

Das neugierige, das sich gerne überraschen und mitreißen lässt.

Was zeichnet dich aus?

Ich glaube, meine Positivität und meine Energie.

Was inspiriert dich?

Die Natur, anregende Gespräche und natürlich sehr gutes Essen. 

Wo können wir dich bald wieder hören oder sehen?   

Im Sommer trete ich gleich vier Mal in Südtirol auf: Am 21. und 22. Juli mit Donauwellenreiter beim Plawenn Arcus Raetiae und beim KLANGfeste auf Schloß Runkelstein, am 20. August mit meinem Soloprojekt Da Sora im Weinkeller Mayr in Bruneck und am 12. September mit dem VokalEnsemble 2000 im Astra in Brixen.

 

Fotos: (1 + 3)  Andreas Jakwerth; (2) Maria Craffonara; (4) Julia Wertheimer; (5) VocalEnsemble2000 

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