Fashion + Design > Design

April 27, 2020

Mara Irsara: baumelnde Statements und ihr wichtigster Treibstoff

Maria Oberrauch

Mara Irsara heißt das Label und Mara Irsara heißt die Frau dahinter. Geboren in St. Martin in Thurn, lebt die Architektin, Designerin und Schmuckkünstlerin seit vielen Jahren in London. Die Vorliebe für kräftige Farben, Konturen und Ausrufezeichen scheint in der Familie zu liegen: Mara ist die Nichte von Gilbert Prousch (Gilbert & George) und ihre Arbeiten strotzen nur so von Selbstbewusstsein. In ihrem Atelier von Hand gefertigt, würden diese teils skulpturalen Schmuckstücke vermutlich auch sich selbst genügen. Und doch sind sie tragbar, bewegen sich mit, liegen an, schaukeln, lassen sich drehen, wenden und werden von einem aufs andere Mal zur neuen Form. Wo Farbe ist, könnte man meinen, ein Stein wäre aufgebrochen und hätte beschlossen, all seine Kraft in Pigmenten zu konzentrieren. Mara Irsara kreiert Statements, aufgehängt zu baumeln, aufgesetzt zu balancieren, umrandet um zu scheinen. 

Du bist neben deiner Tätigkeit als Designerin auch Architektin. Was macht das mit deiner Arbeit? Wie beeinflussen sich die beiden Tätigkeiten gegenseitig?

Architektur und Schmuck sind meine zwei Leidenschaften und bei beiden Tätigkeiten tauche ich in denselben Gedankenprozess hinein: Das Entwickeln einer Grundidee. Die Idee will elementar und universal zugleich sein und meine unersättliche Neugier ist ihr wichtigster Treibstoff. Ich werde oft von Betrachtern meines Schmuckes gefragt, ob ich Architektin bin. Es scheint also eine gelungene Osmose zu sein.

marairsara_kombi

Dominantes Element in vielen deiner Entwürfe ist die Kugel. Was repräsentiert diese Form für dich und warum eignet sie sich für deine Entwürfe?

Die einfache Kreisform stellt seit Urzeiten die Ewigkeit dar, weil sie ohne Anfang und ohne Ende ist. Der Kreis ist eine in sich unstabile und dynamische Form: Aus dem Kreis sind alle Rotationen entstanden, selbst die vergeblichen Versuche des Perpetuum mobile basieren auf ihm. In meinen Schmuckstücken wird der Kreis bzw. die Scheibe verschiedenen Metamorphosen unterworfen: Er wird zu einer Kugel, einer Halbkugel, einem Segment. Durch Begegnungen und Verschneidungen mit Tangenten und Umfang erfährt er Veränderungen, verformt sich, multipliziert sich, wird gequetscht. Und durch symmetrische Anordnungen des selben Elementes in verschiedenen Proportionen entstehen Kombinationen. Die taktile Komponente ist dabei sehr stark, die dynamische Verkettung erzeugt ein sehr enges Verhältnis mit der menschlichen Form.

Auch die anderen beiden Grundformen finden ihren Weg in deine Arbeiten …

Quadrat und Dreieck. Banal? Auf keinen Fall, Grundformen verdienen ihren Namen zu Recht. Von entscheidender Bedeutung ist hier die Dialektik. Im architektonischen Planungsprozess ist Dialektik die Auseinandersetzung mit dem Umfeld, in meiner Arbeit als Schmuckdesignerin ist es der Versuch, das Innere, die Seele der Schmuckträgerin zu berühren. Ich suche also eine Interaktion zwischen Mensch und Schmuckstück. Schmuck muss ein Bestandteil der Existenz sein. So ist vielleicht zu verstehen, dass die Grundformen und deren Metamorphose die Basis meiner Arbeit bilden.

marairsara_kombi_2

Und auch, dass in deinem Londoner Atelier handgefertigte Unikate entstehen. Du bedienst eine Nische in einer Welt des Überflusses. Wie finden dich diese Menschen, die Schmuck als existentiell empfinden? 

Ich bin mir bewusst, dass mein Stil weder kommerziell noch traditionalistisch ist und er deshalb auch eine besondere Art von Publikum anspricht. Wem es aber gefällt, gefällt es sehr. Ich habe Kunden, die mehrmals zurückkommen, viele davon sind selbst im Kreis der Kunst und des Designs tätig, was für mich das schönste Kompliment ist. Viel habe ich auch der Goldsmith’s Fair zu verdanken, der wichtigsten Messe für zeitgenössische Gold- und Silberschmiede in Großbritannien. Hier stelle ich schon seit fünf Jahren aus. Außerdem führen ausgewählte Geschäfte in Großbritannien und Deutschland meine Stücke, in Südtirol Variatio in Bruneck. 

Was unterscheidet Design in Großbritannien von dem in Italien?

Die Unterschiede sind viele und ich glaube, es ist fast nicht möglich, eine zusammenfassende Antwort zu finden. Sie entsprechen jedenfalls den stilistischen Unterschieden zwischen beiden Völkern, die man auch in den anderen künstlerischen Spalten erkennen kann.

Arrogant+Collection_Pyramids_all_Mara+Irsara

Dein allererstes Schmuckstück?

Schon als Kind war ich von Schmuck fasziniert. Mein allererstes Schmuckstück, oder, betrachtet man die Anzahl der Teile, meine erste Kollektion, war aus dem Bastelmaterial Das geformt, dann bemalt und lackiert. Als Tochter – und Versuchskaninchen – einer Kunsterzieherin hatte ich hier sicher meine Vorteile. Gern denke ich auch an mein Mini-Skizzenheft zurück, voll von begeisterten Ideen, die ich als Siebenjährige vor dem Einschlafen skizzierte. 

Dein persönliches Lieblingsstück?

Gibt es nicht. Ich trage immer mehrere Schmuckstücke und entscheide mich ohne lange zu überlegen.

Gold, Silber, kräftige Farbakzente. Welche Rolle spielen Material und Farbe? 

Ich arbeite nur mit Gold und Silber, wobei ich ohne Zweifel Gold bevorzuge. Es ist immer und überall geeignet, kennt allerdings eine Grenze: die des Preises. Und ich verwende Materialien, die untereinander dialektische Reaktionen auslösen: Metall – Farbe, hart – weich, wertvoll –nicht wertvoll. 

MARA_2017-FALL8325 Kopie

Was sind orbis aurea?

Vor einigen Jahren wurde ich eingeladen, an einer Gruppenausstellung teilzunehmen. Der Titel war “die Grenzen des Gefäßes” und ich habe mich sehr geehrt gefühlt, mit einer Gruppe einzigartiger Künstler auszustellen, unter anderem Adi Toch, Simone ten Hompel, David Clarke, Ane Christensen, Jessica Turrell etc. Für diese Ausstellung bin ich aus meiner Komfortzone ausgebrochen: Das Ergebnis ist eine Reihe von Behältern und Vasen, die man spielvoll auseinandernehmen kann. Diese Annäherung an die Kunst der Silberschmiede hat mir gezeigt, wie groß der Unterschied zwischen beiden Kunstarten ist: nicht nur im Maßstab, sondern vor allem im Konzeptuellen.

Was birgt die Zukunft? 

Ich habe vor Kurzem mit dem Emaillieren angefangen. Farbe ist so wichtig für mich. Diese anspruchsvolle Technik wird meinem Schmuck neues Leben einhauchen und ich hoffe, meine neue Kollektion bald hier in London ausstellen zu können.

MARA_2017-FALL8526

Fotos: marairsara.com

Print

Like + Share

Comments

Current day month ye@r *

Discussion+

There are no comments for this article.

Related Articles