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April 4, 2020

6_ Petra Oberkofler – Diese Erfahrung möchte ich nicht missen

Susanne Barta

Dieses Projekt ist aus einem Gespräch mit meiner sehr geschätzten Künstlerin-Freundin Gabriela Oberkofler entstanden. Es sind Momentaufnahmen aus dem Corona-Alltag von Menschen, die mir in dieser Zeit in den Sinn gekommen sind und die aus unterschiedlichen Perspektiven beschreiben, was sie beobachten. In einem zweiten Moment einige Monate später, werden sie ausführen, wie sich „Nach-Corona“ anfühlt und was sie nun beobachten. Begleitet werden die Aufzeichnungen von Gabrielas Zeichnungen und dem für mich sehr passenden Zitat von Karl Valentin.  

 

Petra Oberkofler ist die Schwester von Gabriela. Die Familie Oberkofler betreibt in dritter Generation den Landgasthof Zum Hirschen in Jenesien. Petra führt den Betrieb gemeinsam mit ihrer Schwester Maria. Der Hirschenwirt ist Dorf-Treffpunkt geblieben und zugleich weit über Jenesien hinaus bekannt für seine raffinierte regionale Küche. Gemeinsam mit Gabriela hat Petra ein Residenzprogramm für Künstler*innen ins Leben gerufen.

 

Aufgezeichnet am 30. März 2020

Mein Alltag hat sich gänzlich verändert. Es fühlt sich an, wie in die Luft geworfen zu sein. Ich mache, was mir so vorkommt, ohne Struktur, ohne Ziel. Das ist ungewohnt. Ich tue zum Teil Dinge, die ganz umsonst sind. Zum Beispiel hab ich schon 80 Mal die Fenster geputzt und um das Haus herum gekehrt. Einfach, um das Gefühl zu haben, etwas zu tun. Wenn ich im Büro sitze und in den Computer schaue, sehe ich dort nur Absagen. Da wird mir angst und bange. Wir hatten sehr viele Buchungen. Wenn ich mich aber bewege und etwas mit den Händen tue, geht’s schon wieder besser, weil ich sehe, es passiert was.Petra Oberkofler Foto_1

Sehr schön ist, dass ich viel Zeit mit der Familie habe. Wir frühstücken, essen zu Mittag und am Abend zusammen. Das habe ich bisher so noch nie gehabt.

Als die Corona-Krise begann, waren wir beim Umbauen. Fünf Tage noch und dann wäre alles fertig gewesen. Wir haben geplant, investiert und gingen davon aus, dass es gut weiterläuft. Von einer Sekunde auf die andere war alles anders. Wahrscheinlich sind wir auch verwöhnt, die meisten Dinge sind gut gegangen und es ist immer wieder besser geworden, als es war. Zurzeit ist das nicht mehr so. Das ist eine ganz neue Situation. Ich darf nicht zu viel nachdenken, das bringt nichts. Ein kleiner Trost ist, dass es nicht nur mir so geht, sondern auch allen anderen. Auch unsere Gäste sind mir ein Trost. Sie schreiben und fragen nach, wie es uns geht, wollen, dass wir die Anzahlung behalten und fragen, ob sie den ganzen Urlaub bezahlen, also schon Voraus zahlen sollen, bis sie irgendwann kommen. Das hat mir gezeigt, dass es mehr gibt als geben und nehmen. Auch die Mitarbeiter haben viel Verständnis. Das ist eine Erfahrung, die möchte ich nicht missen. 

Da der Bau nicht fertig ist, sind Gott sei Dank die Endzahlungen noch nicht zu machen. Die Handwerker arbeiten derzeit auch kaum. Es steht alles still. Wenn es heißt, morgen geht’s weiter und keine Gäste kommen, dann wird das Problem erst wirklich akut. Derzeit leben wir eine Ausnahmesituation, die ganze Konsequenz bekommen wir noch nicht ganz mit.

Petra Oberkofler Zum Hirschen Jenesien

Ich hoffe, dass sich die Wertigkeit vieler Dinge ändern wird. Dinge schätzen, reifen, alt werden lassen, das kommt ja kaum mehr vor. Ich bemerke das auch an mir. Jetzt, wo alles langsamer geht, merke ich, wie viele Entscheidungen ich einfach schnell, schnell getroffen habe. Das muss weg, das auch, das muss her … Nicht weil es wirklich her muss, sondern weil das so selbstverständlich geworden ist und jeder so tut. Wobei sowohl ich als auch unser Betrieb für Bodenständigkeit und Nachhaltigkeit stehen. Aber wenn ich mich so umschaue im Tourismus, glaube ich, dass man über viele Dinge nachdenken sollte. Denn so hätte es nicht ewig weitergehen können. Der Nachteil gegenüber anderen Branchen ist, dass kaum einer von uns einen Polster hat. Alles geht schnell und was wir verdienen, ist längst schon wieder investiert. Niemand hätte gedacht, dass sich das so schnell ändert. 

Ich weiß viel mehr zu schätzen, was ich gehabt habe vorher. Und hoffe sehr, dass ich einiges aus dieser Zeit mitnehmen werde und dass es bleibt. Nachhaltiger zu leben und längerfristiger zu denken. Das auch besser zu vermitteln. Denn ich merke selbst, wie wenig man braucht, um zufrieden zu sein, und wie viele Dinge es gibt, die man überhaupt nicht braucht, von denen man aber meinte, man muss sie haben. Und es geht trotzdem. Ich fühle mich, als wäre mir Ballast von den Schultern genommen worden. Das tut gut. Und wenn man imstande ist, das einem Gast zu geben, so ist das viel mehr wert, als eine riesige Suite mit allen möglichen Extras.

Petra Oberkofler Foto_3 

Zeichnung: Gabriela Oberkofler 
Fotos: Petra Oberkofler

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