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March 31, 2020

Dolom.it: Museen in die Zukunft

Maria Oberrauch

Ich hatte viele Fragen, Stefania Zardini Lacedelli und Giacomo Pompanin von Dolom.it gute Antworten. Über Gegenwart und Zukunft von Museen und unser kulturelles Erbe …

Wo kommt ihr her und welchen Weg seid ihr bisher gegangen?

Stefania: Meine Heimatstadt ist Cortina, aber heute lebe ich zwischen Verona und Leicester, wo ich promoviere. Die Dolomiten liegen mir jedoch immer am Herzen: Dort habe ich meine ersten Schritte im Museumsbereich unternommen und zusammen mit Giacomo das Museum Dolom.it gegründet. Meine Erfahrungen im Ausland sind für mich von grundlegender Bedeutung: 2014 habe ich am Institut für digitale Geisteswissenschaften der Duke University (USA) geforscht, für meine Promotion in Museumsstudien an der Universität von Leicester, erforsche ich partizipatorische Museumsmodelle. 

Giacomo: Auch bin in Cortina geboren und aufgewachsen und lebe auch heute noch hier. Neben meiner Arbeit als Fotograf habe ich in den letzten fünf Jahren an der Seite von digitalen Kuratoren gearbeitet und partizipatorische Prozesse geleitet. Zusammen mit Stefania bin ich an Schulungs- und Beratungsaktivitäten für Museen und kulturelle Einrichtungen im Bereich von Multimedia-Führungen, digitalen Archiven, virtuellen Ausstellungen, Video-Storytelling und digitalen Veröffentlichungen beteiligt. Was ich an meiner Arbeit sehr liebe, ist der Kontakt mit der Schulwelt: Bei DOLOM.IT-Projekten verbringe ich viele Stunden mit Schülerinnen und Schülern und helfe ihnen, digitale Erzählungen zu erstellen und zu entwickeln.

Stefania e Giacomo_dolom.it

Was ist ein virtuelles Museum? 

Stefania: Ein virtuelles Museum ist ein Museum, das keinen physischen Standort hat und dessen Erbe vollständig digital ist. Als Plattform spiegelt es die aktuellen Entwicklungen: In dieser Zeit der Quarantäne durch Corona fällt noch mehr auf, wir rezipieren nicht mehr nur an physischen Orten, sondern erzählen und empfangen Kultur online. Das Museum Dolom.it hat aber auch eine andere, für uns noch wichtigere Eigenschaft: Es ist ein partizipatives Museum, das heißt, seine Inhalte werden gemeinsam mit Menschen geschaffen. 

Wie entstand die Idee und Umsetzung von Dolom.it? Was war die Motivation und wie hat sich die Ursprungsidee weiterentwickelt?

Giacomo: Dolom.it entstand aus einer didaktischen Erfahrung heraus: 2016 haben wir mit dem Verein ISOIPSE zusammengearbeitet und Schulen der Provinz Belluno in die Gestaltung von virtuellen Ausstellungen einbezogen, die der Beziehung zwischen Wasser und der Dolomitenlandschaft gewidmet sind. Das Projekt war sehr erfolgreich. Wir erkannten die Kraft der Idee und dass es sich lohnte, ein Museum zu entwickeln, das nicht nur Schülerinnen und Schüler, sondern auch andere Gemeinschaften in die Erstellung dieser digitalen Bestände einbeziehen konnte. 

Stefania: Seit 2016 haben mehr als 900 Studierende, DozentInnen, LiebhaberInnen des Dolomitengebiets und 30 Kultureinrichtungen an der Schaffung von virtuellen Ausstellungen, Multimedia-Führungen, Audios, Klanglandschaften und interaktiven Büchern mitgewirkt, die heute zum digitalen Erbe des Museums gehören und online erkundet werden können.

 dolom.it_wasser

Euer aktuelles Projekt für die Stiftung Dolomiten UNESCO ist eine Zusammenarbeit verschiedener Plattformen, Museen und Vereinigungen …

Stefania: #Dolomitesmuseum ist eine breit angelegte Themenkampagne über das Dolomitenerbe. Von 24. Februar bis 12. April 2020 sammeln wir über die sozialen Kanäle (Facebook und Instagram und Twitter) der Dolomitenmuseen, Zeugnisse zum Thema der Woche, die in den sieben darauf bezogenen Hashtags #mountainrites, #inclinedliving, #handsinstone, #beyondthepass, #sportsculture, #differentimes, #DolomitesChange konzentriert wurden. Dolom.it veröffentlicht die Beiträge dann in thematischen Galerien und interaktiven Karten. In nur drei Wochen haben wir bereits 130 Geschichten und 300 digitale Ressourcen aus allen fünf UNESCO-Provinzen gesammelt: Von alten Fotos und Bildern bis hin zu kurzen Videos, von Zeitzeugenberichten der Einheimischen bis hin zu Vorschlägen für Reiserouten …, das Spektrum der Inhalte ist wirklich beeindruckend und zeigt die große Vitalität der Dolomitenmuseumsgemeinschaft. Mit dem Projekt „Museen der Dolomiten“ fördert die Stiftung Dolomiten UNESCO die Vernetzung der diversen Dolomitenmuseen, die Entwicklung neuer Synergien und vielleicht auch das Gefühl der Dolomitenbewohner, Teil eines größeren, gemeinsamen Erbes zu sein.

Wie nötig ist der „andere Blick“ auf Heimat, Natur und Kultur? Was ist der wahre Schatz unserer Zeit? Was ist bewahrenswert und was nicht?

Stefania: Dolom.it ist von einem sehr wichtigen Dokument im kulturellen Bereich inspiriert, der Faro-Konvention (2005): Sie erkennt die Rolle der Gemeinschaften an, um zu definieren, was ein Erbe ist, und zu dessen Bereicherung beizutragen. Es ist eine große Herausforderung für Museen, die daran gewöhnt sind, ein Erbe als die Gesamtheit der Sammlungen und Objekte zu verstehen, die sie in ihrem Besitz haben. Aber es ist auch eine große Herausforderung für uns alle, die wir aufgerufen sind, aktiv an der Festlegung dessen mitzuwirken, was heute für die Zukunft erhaltenswert ist. Ich persönlich glaube, dass Museen auch die Aufgabe haben sollten, die neuen digitalen Erinnerungen unserer Zeit zu pflegen und zu schützen: Heute produzieren wir einen kontinuierlichen Fluss von Bildern, Tönen, Worten. Aber all das kann mit einem Klick verschwinden: Wir müssen lernen, das auszuwählen, was wir für wichtig halten, und es auf stabilere Plattformen zu übertragen. 

 dolom.it_escursioni

In Zeiten wie diesen, in denen wir wegen Covid-19 zu Hause bleiben müssen, erhalten digitale Inhalte eine neue Bedeutung. Welche Bereiche wird die digitale Information noch mehr als bisher erobern, wo ist sie nützlich, wo nicht?

Stefania: In der Notsituation, in der wir uns befinden, experimentieren die Museen mit neuen Formaten, wie direktem Streaming oder virtuellen Rundgängen. Es reicht jedoch nicht aus, bisherige Praktiken auf das Web zu übertragen. Wir müssen uns die Zeit nehmen, um die Art der Veränderungen zu verstehen, die sie mit sich bringen – operationelle und konzeptionelle: Genügte es früher, eine Geschichte vorzuschlagen, so ist es heute auch möglich, den Beitrag der NutzerInnen in diese Geschichte einzubeziehen. Im Moment sehe ich noch viele Museen, welche „Rundfunk“-Übertragungsmethoden nutzen und es wird eine der großen Herausforderungen für die Museen der Zukunft sein, sich der Vielfalt der Stimmen und Interpretationen zu öffnen. 

Habt ihr hierzu einen besonderen Tipp?

Giacomo: Eines der vielleicht erfolgreichsten Werkzeuge, sowohl bei Museumsbetreibern als auch bei jungen Leuten, ist izi.travel. Diese App ermöglicht die Erstellung von Multimedia-Touren innerhalb und außerhalb des Museums. Für Dolom.it wurden in den letzten Jahren schon 15 Führungen zu den verschiedensten Themen geschaffen und es kommt Großartiges dabei heraus: Für die Tour „Era Bellluno“, beispielsweise, haben die Kinder echte Aufführungen produziert. Sie haben Texte geschrieben und interpretiert, Kostüme angefertigt und ein über die ganze Stadt verteiltes Ereignis animiert: Alle Erinnerungen dazu sind im multimedialen Pfad aufbewahrt.  

Welcher # entspricht euch selbst am meisten?

Stefania: Auch wenn es kein Hashtag ist, gibt es einen Satz, den ich oft wiederhole und der sich im Rahmen von Dolom.it bewährt gezeigt hat: „Be the change you want to see in the world“ von Mahatma Gandhi. Der Hashtag, mit dem ich ihn verknüpfen kann, ist #Museumstransformation. 

Giacomo: Mit dem gleichen Geist füge ich #DolomitesChange hinzu – der letzte Hashtag der #DolomitesMuseum-Kampagne, die dazu einladen will, alle Ideen der Veränderung zum Ausdruck zu bringen und Räume in die Gegenwart zu übersetzen.

 dolom.it_Invasioni Digitali

Welche Ideen warten noch darauf umgesetzt zu werden? Was birgt die Zukunft? 

Stefania: Wir würden gerne mehr Zeit haben, um an der Website Dolom.it zu arbeiten. In der Provinz Belluno haben wir 130 Kulturakteure ausgebildet, damit sie Plattformen für die Schaffung virtueller Ausstellungen nutzen können. In gleicher Weise möchten wir das Modell auf die anderen UNESCO-Provinzen ausweiten. Bisher haben wir die Sektionen Belluno und Friaul-Julisch-Venetien aktiviert, und es wäre sehr schön, Dolom.it-Pfade im Trentino-Südtirol einzurichten.

Giacomo: Gerade heute, wo der Fernunterricht noch grundlegender geworden ist, möchten wir unsere Kompetenzen zur Verfügung stellen, um LehrerInnen und SchülerInnen zu helfen, sich dieser neuen Herausforderung zu stellen. Dolom.it wurde als didaktische Werkstatt geboren und wird immer ein Raum bleiben, der offen ist für neue Generationen, welche die Zukunft neu erfinden. 

Fotos: Dolom.it

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