More

March 9, 2020

La Banda dei Bandi // Gesucht: Alte Weiße Männer (AWM), die nichts tun

Franz
Versteht eins das Thema von TKI open 20 „was tun“ als Frage, so ist die Antwort darauf für zumindest eine Gruppe klar: Alte Weiße Männer (AWM). Was daraus wird, wenn Alte Weiße Männer etwas tun, ist ebenso klar, wie dass es so nicht weitergehen kann. Es kann darüber also keine zwei Meinungen geben, dass Alte Weiße Männer nun besser mal nichts tun und genau dies ist das Ziel des Projekts Nichts tun.

Nichts tun ist ein radikal partizipatives Projekt: Es können sich alle AWM (wie gesagt: das sind alle Menschen, die das AWM-Mindset mitbringen) ganz einfach anschließen. Sie müssen sich dafür nur freiwillig selbst verpflichten, das gesamte Jahr 2020 nichts zu tun. Auch ein schritt- und teilweises Mitmachen ist möglich: Auch für einige Monate oder auch nur Wochen nichts zu tun ist ein richtiger und wertvoller Schritt für AWM. Alles, was AWM nicht tun, ist willkommen! Das Projekt Nichts tun darf aber auch gerne noch weiter gehen: Auch außerhalb Tirols und über das Jahr 2020 hinaus ist das Nichts Tun der AWM erklärtes Ziel des Projekts.

Das Ziel des Projekts Nichts tun besteht in aller Schlichtheit darin, dass AWM in ganz Tirol für den Projektzeitraum (das gesamte Kalenderjahr 2020) nichts tun: keine Kunst- und Kultur-Projekte irgendwo einreichen, keine durchführen, keine irgendwem zuschanzen, keine Artikel schreiben, sich nie zu Wort melden, nicht in Kommissionen, Beiräten, Jurys, auf Podiums, vor Mikrophonen stehen, keine Workshops leiten, keine Bücher schreiben, keine „Fragen“ stellen, keine „Vorschläge“ unterbreiten, nichts in Social Media posten, nichts diskutieren, nichts veröffentlichen, nichts tun. In dieser notwendigen Auszeit der AWM ist dann endlich einmal wenigstens ein bisschen mehr von Geld, Zeit, Aufmerksamkeit, und allen Ressourcen da für die, die keine AWM sind.

Alte Weiße Männer (AWM) 
Alte Weiße Männer (AWM), wer kennt sie nicht? Spoiler Alert: leider niemand. Der AWM ist der eine, der es bei der einen Podiumsdiskussion, bei der mal nicht nur Cis-Het-Typen am Podium sitzen, genau fünf Sekunden lang aushält, bevor er sich aus dem Publikum mit einer „Frage“ zu Wort meldet, in der er den Leuten am Podium endlich mal erklärt, womit diese sich beruflich seit Jahren beschäftigen, weil er auch schon mal einen Wikipedia-Artikel zum Thema gelesen hat.
Der AWM ist der eine Dude, der nach der Lesung der Moderatorin und der Autorin nur eine kleine Rückmeldung machen will und ihnen erklärt, wie eine Lesung eigentlich gemacht gehört.
Der AWM ist ein Querdenker.
Der AWM schreibt lange Artikel in der Zeit und der Neuen Zürcher Zeitung darüber, dass es mit diesen ganzen Trigger Warnings und Sprechverboten und verhätschelter Safe-Space-Kultur jetzt mal endlich genug sein muss, denn bald darf er ja gar nichts mehr sagen und eigentlich sind es gerade diese zensurgeilen, immer gleich die Rassismuskeule schwingenden Moralterror-Apostel von der Politischen Korrektheitspolizei, die schuld sind an Trump und der AFD und der FPÖ, aber das darf er schon gar nicht mehr sagen, schreibt der AWM im 10.000. Leitartikel in der Zeit und in der Neuen Zürcher Zeitung.
Der AWM sitzt in Talkshows und vertritt die unbequeme und originelle Position, dass er ja schon gar nichts mehr sagen darf.
Der AWM ist ein einsamer Wolf, für dessen psychische und physische Gesundheit selbstverständlich seine junge Lebensgefährtin zuständig ist.
Der AWM hat für das Seminar, den Lesekreis, die Szenische Lesung schon wieder mal nur Texte von AWM ausgesucht und spricht ihn eins drauf an, ist es ihm gar nicht aufgefallen.
Der AWM sieht Geschlecht und Hautfarbe nämlich gar nicht, der AWM sieht nur Qualität.
Der AWM würde ja wirklich gerne mal eine Frau einladen, aber es ist so schwierig da Qualifizierte zu finden.
Der AWM hat einen Podcast und einen YouTube-Chanel, in denen er mit seinen AWM-Buddies erklärt, dass er ja schon bald gar nichts mehr sagen darf.
Der AWM lacht mit bei den Witzen über die Weiber und Schwuchteln seiner AWM-Kumpels, denn die meinen das ja nicht so und der AWM kennt auch selbst einen Schwulen und der findet das auch nicht schlimm.
Der AWM fragt beim Soundcheck die Gitarristin, wo denn ihr Freund, der Gitarrist der Band, bleibt.
Der AWM hat beim Festival mal wieder nur Bands mit nur Typen gebooked, aber hey, das ist ihm einfach nicht aufgefallen.
Der AWM wäre ja gar nicht so schlimm, wenn er egaler wäre, aber der AWM sitzt halt in allen Jurys, Vorständen und Kommissionen und entscheidet über das Geld, die Angst, die Leben der anderen.
Der AWM hält in der Sitzung eine lange Brandrede darüber, was sich einfach alles mal ganz grundsätzlich ändern muss und leider muss er dann schnell los und jetzt ist es halt an den Jungen, dass sie mal ein Geld aufstellen.
Der AWM erkundigt sich, wer denn diese eine junge Frau ist, von der gerade alle reden. Es ist genau die, die er bei der letzten Sitzung unterbrochen hat um ihr zu erklären, was sie gerade sagen wollte und warum es falsch ist.
Der AWM sitzt zufrieden in seinem All-Male-Panel, denn es waren zu der Frage halt einfach beim besten Willen keine qualifizierten Menschen aufzutreiben, die keine AWM sind.
Der AWM kommt nach den anderen Vorträgen und hält die Keynote, dann geht er ins Hotel. Die „Koautorinnen“, die den ganzen Artikel ohne den AWM geschrieben haben, müssen schon verstehen, dass es besser ist, wenn nur sein Name drauf steht, denn der hat einfach in der Scientific Community ein anderes Gewicht.
Der AWM meint, jetzt müssten mal die Jungen ran, aber Honorar kann es diesmal leider nicht geben, aber wenn sie das gut machen, dann kann sich ja in Zukunft vielleicht noch was ergeben.
Der AWM redet mit seinen Kumpels über die kleine zierliche Blonde.
Der AWM wird das N-Wort ja wohl noch sagen dürfen und – haben wir es bereits erwähnt? – der AWM sagt gelegentlich, dass er ja schon bald gar nichts mehr sagen darf.
Der AWM hat in seiner Band und in seinen Projekten alle Positionen, die bezahlt sind, zufällig mit AWM besetzt, weil die einfach die geeignetsten waren. Und die Fotografin macht die Fotodoku gern gratis, weil das für sie auch eine Werbung ist.
Der AWM hat neuerdings gerne genau eine Frau mit Migrationshintergrund im Sammelband dabei.
Der AWM bedankt sich sogar für den Kaffee und die warme Mahlzeit vor dem Gig.
Der AWM meldet sich auf Twitter gern in den Drunterkommentaren zu Wort und erklärt, dass es halt einmal nur zwei Geschlechter gibt, die halt einmal schon biologisch verschieden sind weil Science.
Der AWM findet, wir müssen auch mit Rechten reden.
Der AWM findet, dass die Hausarbeit mit seiner Partnerin gerecht geteilt ist und hat gerade letztes Wochenende gekocht als die Gäste da waren.
Der AWM findet es ja auch nicht gut, dass seine Partnerin nicht mehr arbeiten gehen kann seit die Kinder da sind und er wäre schon zu Hause geblieben, aber es war vom Finanziellen her so einfach klüger, was will man machen.
Der AWM findet, dass diese Feministinnen bei manchem eh recht haben, aber es hilft der Sache halt nicht weiter, wenn sie immer in dem Ton usw.
Der AWM glaubt eigentlich nicht, dass es Sexismus und Rassismus wirklich noch gibt, denn er hat so etwas selbst noch nie erlebt.
Der AWM schreibt überlange Projektbeschreibungen für die TKI open 20 und kommt sich wahnsinnig progressiv dabei vor und lässt sie seine Freundin korrekturlesen (natürlich unbezahlt).
Der AWM hat mehr als 3.000 Jahre lang das Sagen gehabt, er hat eine Gesellschaft und Welt geschaffen, in der Menschen, Tiere und Pflanzen schon bald nicht mehr so leben können, wie sie es heute tun, und in der der Faschismus gerade zum zweiten Mal wieder kommt. 

Eingereicht für TKI open 20 von Arbeitsgruppe N.N. Die ausführliche Projektbeschreibung von Nichts Tun gibt es hier.

Foto: franzmagazine

Print

Like + Share

Comments

Current day month ye@r *

Discussion+

There is one comment for this article.