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February 28, 2020
Emma Mulser: „Am Theater, da möchte ich sein, da möchte ich hin!“
Verena Spechtenhauser
Vor einigen Wochen habe ich mich mit der jungen Völser Regisseurin Emma Mulser auf einen Kaffee und ein Gespräch über ihre Leidenschaft für das Theater getroffen. Anlass dafür war die bevorstehende Premiere ihres Stückes „Marceau & Mathilde“ mit dem Rotierenden Theater im Kapuzinerkeller in Klausen. Wenige Tage später erreichte mich eine E-Mail von Emma mit den Worten: „Liebe Verena. Die Premiere war ein großer Erfolg, die Arbeit und die Mühe haben sich gelohnt und ich bin wahnsinnig stolz auf das Team!“ („Marceau & Mathilde“ ist am 3., 5., 6. und 7. März 2020 jeweils um 20 Uhr im Kapuzinerkeller in Klausen zu sehen.) Hier gibt es nun zu lesen, worüber genau wir alles gesprochen haben.
Emma, woher kommt deine künstlerische Leidenschaft?
Ich habe schon sehr früh mein Interesse für die Kunst, anfangs vor allem für die Bildende und im Laufe der Zeit immer mehr für die Darstellende, entdeckt. Mich künstlerisch auszudrücken hatte immer etwas Befreiendes, ich konnte Probleme und Themen, die mich beschäftigten, vermitteln, ob dies nun in einem Bild, einer Skulptur, einem Text oder einer anderen künstlerischen Form war. Der beste Weg für das Ausdrücken meiner Anliegen war mir jedoch immer das Wort, die Literatur faszinierte mich, die Lyrik und die Dramatik, in ihrer lebendigen und sich aktiv ausdrückenden Form.
Und wie bist du zum Schreiben von Theaterstücken gekommen?
Das Spielen selbst habe ich vor allem während meiner Oberschulzeit am Gymnasium Walther von der Vogelweide im Rahmen der Theater-Arbeitsgruppe für mich entdeckt. Meine damalige Professorin bot uns Schülern eine Plattform, in der wir uns austesten konnten und wo ich in Berührung mit großen dramatischen Werken kam. Ich habe ihr sehr viel zu verdanken. In meinem letzten Schuljahr fielen im Rahmen meines Maturaprojektes meine Leidenschaft fürs Schreiben, die sich bisher nur auf das Verfassen kürzerer Textflächen, Geschichten und Gedichte beschränkt hatte, mit meiner Leidenschaft für das Theater zusammen.
Damals entstand dein erstes Stück „Holzmann“. Kannst du uns mehr darüber erzählen?
„Holzmann“ habe ich im Sommer 2017 geschrieben. Das Stück behandelt Themen wie Freiheit, Krieg, Schuld und Homosexualität. Verhandelt wird die Frage nach der durch den Gehorsam gerechtfertigten Kriegsschuld: Kann man als Kriegsgewinner wirklich frei von Schuld sein? Ist man noch Sieger oder wird man durch die Taten, zum Beispiel die Ausführung von Befehlen einer Obrigkeit, zu Schuldigen? Kann man frei sein in dieser Welt und ihren gesellschaftlichen Konventionen? Die Protagonisten, der homosexuelle Matwej und der Familienvater Gordej, verhandeln in ihrem Dialog diese Themen, wobei sie an die Grenzen ihrer Ideologien und Wertvorstellungen stoßen. Die anfängliche Freude über den Sieg des Krieges mündet somit in die Frage, ob man in ein Leben nach dem Krieg überhaupt noch passt, dort noch einen Platz findet. Hierbei wird auch auf die Verfolgung von Homosexuellen innerhalb des Militärs eingegangen, welche in der Geschichte vieler Länder vonstatten lief.
Wann ist in dir die Idee gereift, Theaterwissenschaften und Soziologie in München zu studieren?
Das war eigentlich ein logischer Schluss. Nachdem ich durch einen glücklichen Zufall zum Jugendtheaterclub der VBB kam, wo ich in der Produktion „Auerhaus“ unter der Regie von Philipp Jeschek mitspielte, konnte ich mich nach meinem Schulabschluss voll und ganz auf das Theater konzentrieren, mich ausprobieren und herausfinden, wohin ich konkret gehen wollte. Wenig später bekam ich die Möglichkeit als Regieassistenz an der Seite von Joachim Gottfried Goller in der Produktion „FanesAusSagen“ des Kollektivs „Binnen-I“ mitzuarbeiten. Gleichzeitig begann ich mein zweites Stück „Marceau und Mathilde“ zu schreiben. Ich hatte aber auch das Bedürfnis, tiefer in die Materie einzutauchen. Ich wollte sehen, wie sich das Fach entwickelt hat und auf welche Art und Weise ich die Plattform Theater nutzen kann. Schlussendlich habe ich mich dann für ein Studium an der LMU München entschieden. Nicht zuletzt auch aufgrund der Münchner Theaterlandschaft. Die Kombination mit dem sehr aktuellen Fach Soziologie fand ich naheliegend und spannend gleichzeitig. Denn in beiden Materien spielt die Gesellschaft eine große Rolle. Nun freue ich mich auf den Input und die Möglichkeiten, die mir in München nun offen und zur Verfügung stehen.
„Marceau und Mathilde“ ist nun deine erste Produktion für das Rotierende Theater …
Ja und es ist eine unglaublich tolle Erfahrung, welche ich zusätzlich zum Studium und der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Theater machen darf. Die Inszenierung in einem größeren, professionellem Rahmen durch das Rotierende Theater wurde mir durch Viktoria Obermarzoner und Joachim Gottfried Goller ermöglicht. Das Rotierende Theater ist immer auf der Suche nach jungen Theatermenschen und gerade im Bereich der Regie ist Nachwuchs eher Mangelware. Bei „Marceau und Mathilde“ arbeite ich nun auch mit einem sehr jungen Ensemble zusammen, was mir viel Freude macht. Es ist eine unglaublich professionelle Plattform und ich kann in wirklich jeden Bereich einer Theaterproduktion hinein schnuppern.
Welche Geschichte erzählt „Marceau und Mathilde“?
Die Geschichte eines inneren Monologs von Marceau – einem biologischen Jungen – und seiner weiblichen Geschlechtsidentität Mathilde. Das Thema Transgender fasziniert mich sehr, auch weil wenig darüber gesprochen wird. Man streift sehr oft am Thema vorbei, ohne genau zu wissen, wie man es definieren möchte. Ich wollte diese Problematik der Geschlechtsidentität in der Öffentlichkeit verhandeln und fand es interessant, den Zwiespalt in zwei Figuren darzustellen. Auf der einen Seite steht der Wunsch sich zu „outen“ und nicht mehr im falschen Körper leben zu müssen. Auf der anderen Seite steht die Angst vor Zurückweisung und Diskriminierung in einer intoleranten Gesellschaft. Letzterer habe ich in Form eines Chores eine Stimme gegeben. Es ist eine sehr überzeichnete Stimme, die vor allem auch die Angst Marceaus vor der Gesellschaft und einem möglichen Worst-Case-Szenario darstellen soll. Eine Traumwelt, in die sich Marceau hinein träumt und aus der er immer wieder in die Realität zurückgeholt wird. Um dem Stück mehr Nähe zu geben, habe ich die Ebene der Wartenden eingebaut. Menschen in allen Altersklassen, die sich auf der Suche nach Identität und dem Sinn im Leben befinden. Eigentlich haben wir alle dieselben Probleme, auch wenn wir oft denken, wir stehen mit unseren Sorgen alleine da. Und eigentlich müsste man sich nur zusammentun, um viele, auch große Probleme zu lösen.
Wie schreibst du
Eigentlich immer alleine. Bevor ich meine Texte jemandem zu lesen gebe müssen sie fast fertig sein. Bei „Holzmann“ habe ich vor dem Schreiben ganz lange an den Strukturen gearbeitet. Bei „Marceau & Mathilde“ hingegen war es mir wichtig, mich umfassend über das Thema zu informieren. Mein Schreiben ist oft auch sehr impulsiv. Die Texte der Wartenden sind vom Sprachbild her auch ganz anders als der Dialog von Marceau und Mathilde. Die einen geben sehr direkte Gedankenflüsse von sich, die anderen drücken sich philosophischer und träumerischer aus.
Welches war die größte Herausforderung für dich?
Mit Sicherheit die Koordination von sieben SchauspielerInnen auf der Bühne. Es handelt sich nicht nur um einen Dialog mit zwei Menschen, sondern ich musste viele verschiedene Dinge miteinbeziehen. Auch Dinge wie das Licht oder das Bühnenbild – all das haben wir aber im Team erarbeitet. Diese Teamarbeit und auch das Feedback der anderen war eine gute Erfahrung und eine große Hilfe. Spannend war es auch zu sehen, wie die SchauspielerInnen meine Texte gelesen und verstanden haben. Und ich fand es auch wichtig, Ideen aus dem Team zuzulassen und mich nicht nur auf meine Vorstellungen zu versteifen.
Machst du dir Gedanken darüber, wie das Stück bei uns ankommt?
Ich habe keine Sorgen davor, dass ich mit der Thematik bei uns in der Provinz negative Reaktionen auslösen könnte. Das interessiert mich nicht, ganz im Gegenteil. Wenn sich Menschen mit dem Thema Transgender unwohl fühlen, finde ich es umso wichtiger, dass sie sich das Stück anschauen und darüber nachdenken.
Gibt es ein Happy End?
Marceau trifft am Ende des Stücks eine Entscheidung, die ihm hilft, seinen Weg zu gehen. Ich wollte aber keine rosa Blase erschaffen, sondern schon deutlich machen, dass es kein leichter Weg werden wird, den Marceau hier eingeschlagen hat.
Was möchtest du mit deinem Theater erreichen?
Ich möchte die Menschen zum Nachdenken anregen. Theater soll auch ungemütlich sein. Das ist mein Anspruch an das Theater und an mich. Ich hoffe, es treibt mich immer weiter zu neuen Herausforderungen und Möglichkeiten, über Dinge zu schreiben, zu sprechen und in Form von Theater an die Gesellschaft zu bringen, die mir wichtig erscheinen. Das Theater als Sprachrohr, das ist es, was mich daran so begeistert. Die Eigenschaft, Dinge zu verhandeln, auf eine ganz individuelle Weise, sie aufzudecken, zu unterstreichen, laut in die Welt zu rufen. Das möchte ich tun.
Fotos: Lorenzo Colombi
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