Music
January 31, 2020
Niemand wird sich erinnern, dass sie hier waren: Viech
Florian Rabatscher
Die Dekadenz Brixen lädt am 01.02.2020 die Band Viech ein, ihre Bühne zu entern. Viech? Man könnte beinah meinen, es handelt sich dabei um eine teuflische Death-Metal-Band mit blutrünstigen, österreichischen Texten. Tut mir leid, liebe Headbanger-Gemeinde, da muss ich euch leider enttäuschen. Diese Combo hat es zwar in sich, aber auf eine ganz andere Art und Weise. Es ist eher Pop, aber keine Angst, es ist auch keine weitere Post-Austro-Pop-Band, von denen es langsam auch genug gibt. Viech sind die österreichischen REM.
Sie haben auch eine neue Platte, die fünfte bereits und die wohl authentischste aus ihrem Sortiment. Irgendwie haben sie es geschafft, eine ganze Generation zu vertonen, die sogenannte Genration Y. Wie das wohl klingen mag? Bei diesem Begriff denkt man wahrscheinlich an den Klang des inneren Konflikts, der Ziellosigkeit, der ewigen Suche nach Selbstverwirklichung, der vollkommenen Verschmelzung mit neuen Medien und des puren Egoismus. Aber zum Teufel mit all den Verallgemeinerungen, wie soll es auch eine Definition für eine ganze Generation geben? Sogar das Wort selbst ödet langsam an …
Musiker haben es aber immer schon verstanden, ihrer Zeit einen gewissen Stempel aufzudrücken. In den 50er Jahren ging es um das Aufbegehren und die Befreiung von bürgerlicher Moral, der Sound der 60er spiegelte Frieden, politische Revolte und Veränderung der Gesellschaft wieder, in den 70ern wollten die Punks wieder alles niederreißen und schrien „No Future“ und „Born to lose“, in den 80ern war man wieder schick und in den 90ern schoss sich der Prinz der „Generation X“ die Rübe weg. Ja, wie die Zeit vergeht. Doch nun sind wir an der Reihe und welche Botschaft sendet unsere Generation?
Der Albumtitel „Niemand wird sich erinnern, dass wir hier waren“ trifft es eigentlich ziemlich genau. Scheinbar eine Erkenntnis, die man bekommt, wenn man heutzutage den 30. Geburtstag hinter sich hat und weniger Haare, dafür aber mehr Falten besitzt. Viech bieten keine langweiligen Floskeln, sondern präsentieren uns ihre Sicht der Umstände auf viel intelligentere Art, wie einst Tocotronic. Verpackt in einen Sound, der vor Bescheidenheit trotzt. Großen Krach oder verzerrte Gitarren benötigt diese Band nicht, denn für das Kratzige sorgt Paul Pluts Reibeisenstimme, die sich trotzdem sehr zart an den Rest anschmiegt. Die Musik und seine Stimme sind wie die Schöne und das Biest. Dem eigentlich positiven Klang der Band wird dadurch noch eine dunkle Note verliehen, wie eine Stimme aus der Schattenwelt. Das Erstaunliche ist: Viech sind aber keine Heulsusen, man muss sie nicht unbedingt in den Arm nehmen. Sie singen über Probleme mit solcher Abgeklärtheit, dass es fast schon normal wirkt. Irgendwie hat man das Gefühl, sie würden es regelrecht feiern. „Sag ja (Ich bin ruiniert“ wird wahrscheinlich der Slogan unserer Zeit. Es ist wie ein revolutionäres Lied von Ton Steine Scherben, mit dem einzigen Unterschied, dass sich unsere Revolution auf egoistische Selbstfindung reduziert und nicht auf Veränderung. Ich habe noch nie einen Song gehört, der diesen Geist so einfängt. Hut ab, vor dieser Scharfsichtigkeit.
Ich lege es jedem ans Herz, sich diese Band anzusehen und sich vollkommen in ihrer besonderen Aura zu verlieren oder zu verlieben. Lauscht den traurig-fröhlichen Hymnen, jeder ist herzlich dazu eingeladen. Alle Ypsiloner, deren Bekannte und Gönner, und die, die es noch werden wollen, und auch die, die gar nichts von dem ganzen Y-Schwachsinn halten. Völlig egal, denn die Party ist vorbei und niemand wird sich erinnern, dass Viech hier war.
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