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January 9, 2020

Let’s Talk Politics! Polit Film Festival 2020

Florian Rabatscher

In Zeiten von Streaming-Anbietern und vertrauenswürdigen Datensammler-Konzernen wie Google, werden einem allerhand Dinge und eben auch Filme nach eigenen Vorlieben bereitgestellt. Nun gut … ? … ! Anstatt jedoch wie ein unterwürfiger Hund einfach alles zu fressen, was man serviert bekommt, wäre es vielleicht wichtiger denn je, Themen vor die Linse gesetzt zu bekommen, von denen man eigentlich wenig bis nichts weiß – oder wissen möchte. Ist es nicht manchmal schön, sich von Rosamunde Pilcher oder anderen Gehirnmasse-Verkleinerern wie Superheldfilme und wenig sinnvolle Samstagabendshows berieseln zu lassen? Oder wäre vielleicht doch die brisanteste Materie schlechthin interessanter? Nämlich die Realität. Ein Wort, das manchen vielleicht utopisch erscheinen mag, weil man so oft Dinge, die unwichtig oder lästig erscheinen, ignoriert und sich die eigene Realität zusammen bastelt. Oder noch bequemer: Man lässt sich seine Meinung einfach von Presseriesen (wie beispielsweise der Bild-Zeitung) einpflanzen. Bild dir deine Meinung? Naja … wohl eher nicht …

Wo man sich nun wirklich eine eigene Meinung bilden könnte und sich dazu von äußerst aussagekräftigen Filmen inspirieren lassen kann, ist das PolitFilmFestival, das vom 13. bis 16. Jänner 2020 in Innsbruck stattfindet. Das besondere Filmfestival des Vereins Sous les Pavés, das seit 15 Jahren nicht nur Filme zeigt, sondern BürgerInnen auch zur gesellschaftskritischen und demokratiepolitischen Auseinandersetzung anregt. Wie das? An jedem der vier Abende wird nach dem jeweiligen Film eine Diskussionsrunde mit ExpertInnen zum jeweiligen Thema stattfinden, die auch direkt mit Fragen konfrontiert werden können. Politische Zusammenhänge sollen nicht nur Politikinteressierten, sondern ganz besonders dem (vermeintlich) politikverdrossenen (?) Publikum zugänglich gemacht werden. Meinungsbildung und Austausch sollen gefördert werden – politische Bildung ist der essentielle Gedanke des Festivals. Hier die Filme, die zum heurigen Leitthema „Eigentum“ gezeigt werden:

 A Woman Captured 
(13.01.2020 @ Leokino)

Eine Frau wird von einer Familie zehn Jahre lang in Knechtschaft gehalten. Sie ist eines von über 45 Millionen Opfern moderner Sklaverei. Durch die Präsenz der Filmemacherin fasst sie Mut und wagt der Unterdrückung zu entkommen. „Mein Film handelt von Marish, einer 52-jährigen ungarischen Frau, die einer Familie über ein Jahrzehnt dient und ohne Lohn 20 Stunden am Tag arbeitet. Ihre Papiere wurden ihr weggenommen, sie darf das Haus nicht ohne Erlaubnis verlassen. Sie bekommt nur Reste zu essen, hat kein eigenes Bett, wird behandelt wie ein Tier. Marish verbringt ihre Tage voll Angst. Aber sie träumt davon, ihr Leben zurückzugewinnen.

Sakawa
(14.01.2020 @ Leokino)

In einem kargen Raum sitzen zehn Männer und eine Frau auf Matratzen und beugen sich über die Laptops auf ihren Knien. „This client might be a good catch“, sagt einer. Auf seinem Bildschirm das Dating-Profil: Mann, 46, Kernersville, United States.
Die ghanaischen Protagonisten in SAKAWA sind Experten darin, Männern in Europa und den USA auf der Suche nach Liebe oder Sex Geld aus der Tasche zu ziehen. Dafür geben sie sich als attraktive Frauen aus, nutzen Voice-Changer-Apps und downloaden Fotos hübscher Damen auf Facebook. Doch in diesem Film geht es um viel mehr als darum, wie Menschen in Ghana auf erfinderische und unmoralische Weise für ihre Existenz sorgen. Es geht um koloniales Erbe, um Voodoo, um Einsamkeit, Geschlechterrollen, Elektromüll, Internetrechte und um die globale Frage nach sozialer Gerechtigkeit.

Draußen
(15.01.2020 @ Leokino)

DRAUßEN portraitiert vier Obdachlose, die in Köln auf der Straße leben. Ausgehend von persönlichen Gegenständen, die aufgeladen sind mit Erinnerungen und Emotionen, öffnet der Film das Tor zu einer Welt, die sonst verschlossen bleibt. Der Film regt nicht nur zu einem Perspektivenwechsel an, sondern zeigt vier Obdachlose, die sich ihren Stolz und ihre Würde erhalten haben.

Let’s Keep It
(16.01.2020 @ Israelitische Kultusgemeinde Tirol)

Let’s Keep It ist ein Dokumentarfilm über die nach wie vor problematische Haltung der Republik Österreich zur Restitution „arisierter“ Liegenschaften, die nach 1945 – aus welchen Gründen immer – in das Eigentum Österreichs übergingen. Der Film ist auch eine Verbeugung der Regisseurin vor den Opfern des dunkelsten Kapitels Österreichs der jüngeren Geschichte. Eines Kapitels, das bis zu einem gewissen Grad verlängert erscheint, wenn es um die Restitution gestohlener Liegenschaften an die Nachkommen der Holocaust-Opfer geht.

Nicht ganz umsonst ziert ein Pflasterstein das Plakat des Festivals. Was für ein Symbol. Denn genau, wie viele dieser Steine aneinandergereiht, bereitet das Festival neue Wege für unsere Gedanken und Meinungen. Aber nicht nur das: Entfernt man auch nur einen von ihnen aus dem Pflasterweg, um ihn als Wurfgeschoss zu verwenden, kann das genau so viel auslösen.  Ja, neue Denkrichtungen können oft mehr bewirken, als man meint, denn vielleicht bewegt es wieder einige Leute mehr, dazu etwas gegen Ungerechtigkeiten zu unternehmen. Also habt keine Angst und fühlt euch nicht hilflos, benutzt euren eigenen Kopf und lasst euch nicht zu viel von anderen Meinungen blenden. Dieses Festival könnte so manch angestautenm Ärger eine Bühne geben und so ein scheinbar unbedeutender Pflasterstein hat auch etwas an sich. Warum fällt mir da immer der Albumtitel der Punkrockband The Feederz ein? „Vandalism: Beautiful as a Rock in a Cop’s Face.”

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