People + Views > Portraits

December 20, 2019

Priska Comploi über „das Beste und Schwierigste zugleich“

Maria Oberrauch

Musik kommt bei franz ja regelmäßig auf die Seite, wir müssen uns aber eingestehen: Es sind vermehrt verstärkte Klänge, die wir portraitieren. Zeitgenössischer Sound, wie er zwar vertraut und weniger vertraut in den Ohren klingt, aber selten so fern wie der Klang einer Blockflöte in Kirchengewölben … Dabei gibt es in und aus Südtirol einige wirklich herausragende MusikerInnen, die den musikalischen Weg mit klassischen Instrumenten bestreiten und ohne Zweifel ziemlich erfolgreich damit sind. Eine von ihnen ist Priska Comploi. Weltweit agiert die gebürtige Gadertalerin als Blockflötistin und Barockoboistin mit verschiedensten Ensembles und Orchestern, mit renommierten Dirigenten und Solisten. Die vielen Stationen und Namen zähle ich hier nicht auf, versierte LeserInnen wissen sie in Priska Complois Lebenslauf nachzulesen, für uns andere hat Priska ein paar Fragen beantwortet …

Früher war es gang und gäbe, dass Kinder als erstes Instrument die Blockflöte erlernten, bevor man sich an ein anderes Instrument wagte. Warum? Und warum ist das heute nicht mehr so?

Grund dafür ist vor allem die industrielle Massenproduktion während der Jugendbewegung. Blockflöten konnten billig hergestellt werden, waren leicht transportierbar und für jeden erschwinglich. Nach dem zweiten Weltkrieg setzte man die Blockflöte im Klassenunterricht ein und sie bekam dann dieses unvorteilhafte Image als Einstiegsintrument, obwohl sie meiner Meinung nach nicht unbedingt ideal dafür ist. Inzwischen hat sich das auch ein wenig relativiert … man hört in der Konzertszene professionelle Blockflötisten und nimmt die Flöte nicht mehr unbedingt als Kinderinstrument wahr.

Wie funktioniert die Musik, in der du dich spezialisiert hast? Ist man immer im Ensemble unterwegs? 

Der Begriff „Alte Musik“ deckt ein breites Spektrum an Stilen und Repertoire, vom Mittelalter bis zur romantischen Musik. Je nach Besetzung des Werkes variiert auch die Formation. Ich bin oft mit kleineren Ensembles unterwegs, mit Barockorchestern, manchmal auch mit Soloprogrammen.

SonnAiér_priska_comploi

Das heißt, du spielst in erster Linie historische Werke? Oder kommt auch Zeitgenössisches aufs Notenpult?     

Bei historischen Oboeninstrumenten bewegt man sich zumeist auf dem Feld der Alten Musik. Es geht vor allem darum, wie nah man an eine historische Spielweise herankommt: Informationen übernimmt man aus Traktaten, historischen Beschreibungen, Briefen, Notation, ikonographischen Quellen, von erhaltenen Instrumenten usw. und dann ist da die Frage, wie man all das einem heutigen Publikum nahe bringt. Die Hörweise und die Erwartungen sind ja komplett anders als damals, selbst das Zeitgefühl ist ein anderes! Neukompositionen für historische Instrumente sind aber auch sehr spannend, es gibt nicht viele Komponisten, die so etwas machen, aber hoffentlich immer mehr … 
Mit Blockflöte hingegen spiele ich mehr zeitgenössische Musik, seit ihrer sogenannten Wiederentdeckung Anfang des 20. Jahrhunderts ist sehr viel komponiert worden und es wurden vor allem auch neue Modelle von Blockflöten entwickelt, aus denen man noch mehr Klangfarben und Klangmöglichkeiten herauslocken kann. Es gibt beispielsweise auch „E-Flöten“ mit erweitertem Tonumfang und integriertem Tonabnehmer. Diese Neugier und Suche nach Klangmöglichkeiten, Farben und neuen Grenzen ist mir sehr wichtig.

War dein Weg in die Musik schon immer klar? Und wie fiel die Wahl auf Blockflöte und Oboe? 

Ja, als Kind war es mein Herzenswunsch. Natürlich kam irgendwann die Frage auf, ob ich davon leben kann, aber ich hatte auch viel Glück und  Flöte spielen war das, was ich als Kind schon am allerliebsten tat. Die Barockoboe kam später, als ich schon in Basel studierte … Ich hatte Sehnsucht nach Orchesterklängen und einem erweiterten Repertoire – das deckt die Flöte nicht ab …

Bei beiden Instrumenten gibt es ja zahlreiche Varianten …

Ja, besonders im Barock haben sich die Instrumente unglaublich schnell weiterentwickelt und so hat jede musikalische Epoche ihre eigene Oboen- und Flötentypen. Als Barockflötistin und Oboistin spielt man darum in einem Konzert oft auch mehrere Typen eines Instruments.

Als Musikern bist du viel unterwegs … Welche Länder oder Orte waren besonders spannend? 

Konzertreisen eignen sich sehr gut, um ein Land kennenzulernen. In Indien beispielsweise hatten wir gleich am ersten Tag Proben mit einheimischen Tänzern, sprachlich gab es eine Barriere, aber die Zusammenarbeit brachte uns Kultur und Menschen schnell näher. Konzertreisen brachten mich an wunderbare Orte: in die Chiquitania in Bolivien, Georgien, Israel, Estland usw. Und da passiert so viel Spannendes! In Bolivien zum Beispiel haben wir auf 4.000 Metern Höhe konzertiert und ich musste nach jeder fünften Note Luft holen. Ich kam unvorbereitet  in dieses Ambiente und würde das nächste Mal im Vorfeld bestimmt ein Atmungstraining machen …

dsc_4532_priska_comploi

Dein/e liebste/r Komponist/in?

Heute und oft J. S. Bach.

Ein Zitat, das dir entspricht:

„Musik … Sie fängt erst an interessant zu werden, wenn sie am Rande der Katastrophe gespielt wird.“ (N. Harnoncourt)

Das Unterrichten ist …

… die Herausforderung, Lernziele und Themen phantasievoll und flexibel zu gestalten, Kreativität zu fördern, Experimentierfreude zu wecken. Unterricht ist Dialog, Inspiration, Spiegel. Von jedem Schüler lerne ich unglaublich viel, ich könnte mir das Konzertleben ohne das Unterrichten schwer vorstellen – und genauso umgekehrt.

Basel ist …

… meine musikalische Familie.

Das Beste am Leben als Musikerin ist, …

… dass man ein ganzes Leben lang üben darf (und muss); eine ständige Weiterentwicklung und unglaublich spannende Suche.

Das schwierigste am Leben als Musikerin ist …

… das Wissen, dass man nie zu einem Endpunkt kommt. Ein Konzert ist immer ein Fenster im Entwicklungsprozess des Werkes und nie ein fertiges Produkt … das Beste und Schwierigste zugleich.

Findet man dich auf Spotify oder CD?

Ich habe bei den Aufnahmen gar einiger CDs mitgespielt, diese Woche ist meine erste CD mit neapolitanischen Solokonzerten herausgekommen: Neapolitan Concertos for various instruments, Musica Fiorita/Daniela Dolci bei Pan Classics

Was birgt die Zukunft?

Ich habe gerade einen Monat lang eine Oper in der Mailänder Scala gespielt, die nächste Zukunft ist mehreren Bach-Weihnachtsoratorien gewidmet, dann steht eine Asientournee an, eine Oper in Basel und sehr bald auch Ferien zu Hause in Wengen, auf die ich mich besonders freue. In Planung sind Projekte, die Alte Musik mit anderen Kunstsparten verbinden. Da darf ich noch nicht so viel verraten, hoffe aber, dass wir es auch in Südtirol aufführen dürfen …

Fotos: Daniele Caminiti

Print

Like + Share

Comments

Current day month ye@r *

Discussion+

There are no comments for this article.