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December 11, 2019

„Entzugserscheinungen habe ich bisher keine“ – Tom Jank

Susanne Barta

Ein Jahr lang hat er sich vorgenommen, kein „Gewand“ zu kaufen. Tom Jank ist freier Kreativdirektor und lebt in St. Johann in Tirol. Ende August hat er sein Experiment begonnen, einmal ist er schwach geworden. Ich gebe zu, ich würde mich sehr schwer tun, ein Jahr lang nichts zu kaufen. Auch wenn ich mein Konsumverhalten verändert habe, heute viel bewusster einkaufe als noch vor einigen Jahren, kaufe ich immer noch gerne mal was. Sein Projekt beobachte ich daher mit großem Interesse.

Tom, wie lief es bisher?

Den Vorsatz ein Jahr keine Kleidung zu kaufen trage ich schon einige Zeit mit mir herum. Ich habe mehrfach den Vorwurf bekommen, dass mein Kleiderschrank zu voll sei und ich dreimal so viel Platz brauche wie alle anderen zuhause. Meine Lebensgefährtin hat, da ich das kategorisch verneinte, alle meine Jacken im Wohnzimmer aufgelegt und da musste ich einsehen, es ist wirklich so. Das hängt aber auch damit zusammen, dass ich Kleider schwer weggeben kann. Beim Aussortieren denke ich mir, tolles Hemd, irgendwann ziehe ich das nochmal an. Ich kaufe mir ja gute Sachen. Irgendwann ist es dann so, dass selbst, wenn ich nicht soviel kaufe, es immer mehr wird. Im Endeffekt habe ich genügend Hemden, um die nächsten drei Monate nicht zu waschen. Da dachte ich mir, das muss nicht sein in Zeiten wie diesen, wo doch alle in irgendeiner Form über Klimawandel, CO2-Ausstoß, Slow Fashion etc. nachdenken, und habe beschlossen mir ein Jahr nichts mehr zu kaufen. Es lief wirklich gut. Vor drei Wochen aber, ich war mit einem Kollegen in Wien, habe ihn in ein gutes Kleidergeschäft begleitet, da ist es bei einem Anzug passiert. Ich habe eine Ausnahme gemacht.Susanne Barta Foto_2

Und dann?

Ich bin danach sofort zu meinem Kleiderschrank gegangen und habe zwei Sachen aussortiert.

Wie würdest du dein Konsumverhalten bisher beschreiben? Bist du ein Belohnungskäufer?

Ich kenne natürlich das Gefühl, jetzt gönne ich mir was. Aber das ist nicht die Regel. Es ist eher so, dass ich etwas sehe und mir denke „uuii, das schaut cool aus“. Ich gehe nie gezielt shoppen, aber wenn ich etwas sehe, das mir gefällt, kann es natürlich sein, dass ich ins Geschäft gehe und es kaufe. 

Hat sich für dich bereits etwas verändert durch dieses Experiment?

Entzugserscheinungen habe ich keine bisher. Erschwerend kommt jedoch hinzu, dass ich Freunde und Kunden aus der Modebranche habe, also immer wieder in Kontakt mit Leuten bin, die tolle Sachen machen, und so dem Konsum vermutlich stärker ausgesetzt bin als jemand anderer. Ist aber eigentlich kein Problem. Die Modebranche hat ja diese Themen bereits auf dem Tisch liegen. Die meisten haben verstanden, dass es ein Umdenken geben muss. Slow Fashion, Kreislaufwirtschaft sind große Themen. Es ist aber nicht so, dass ich dadurch mehr Zeit hätte. Sicherlich aber werde ich einiges an Geld sparen. Ich war nie ein Massen-Konsum-Mensch, habe immer gut eingekauft, also nicht billig, insofern wird sich das auswirken. 

Du hast gesagt, viele in der Branche haben das Thema Nachhaltigkeit auf dem Tisch liegen. Ist die Modeindustrie schon bereit sich zu verändern?

Ich habe einige Kunden, die sich mit Kreislaufwirtschaft beschäftigen, und ich beobachte, dass sich der Druck stark erhöht hat. Die Modeindustrie ist ja eine der schlimmsten Branchen, sie wird sich in den nächsten Jahren umorientieren müssen, weil die Konsumenten da nicht mehr mitmachen und vieles nicht mehr kaufen werden. Es geht hier um riesige Umsätze und die Industrie wird das auch schnell sehr stark zu spüren bekommen, davon bin ich überzeugt.Susanne Barta Foto_3Stichwörter Black Friday, Cyber Monday. Den steigenden Umsatzzahlen nach wird weiterhin geshoppt, was das Zeug hält.

Ich arbeite in der Kommunikation und da ist Nachhaltigkeit ein sehr präsentes Thema. Beim Black Friday hat sich heuer mehr als bisher Protest formiert. Es gibt also auch die Gegenbewegung. Und bald werden immer mehr Leute anfangen, es anders zu machen. Der Druck wird größer, wir haben den Peak erreicht. Wenn Leute mit vier Säcken Gewand aus einem Primark kommen und das kostet alles zusammen vielleicht 60 Euro, dann weiß man, mehr geht nicht mehr. Wie der schöne Spruch heißt: „Cogito ergo sum, non cogito ergo consum“.

Glaubst du, dass sich dein Konsumverhalten durch dieses Experiment längerfristig verändern wird?

Ich bin seit kurzem Vegetarier. Das probiere ich jetzt auch. Im Geiste bin ich das schon seit 35 Jahren, habe es aber nie umgesetzt. Ich bin in einer Art Selbstbeobachtung, schaue, wann Konsum eine Ersatzhandlung ist, wie ich mich verhalte. Einige greifen zu Schokolade, andere kaufen sich einen Pullover. Ich möchte jedenfalls meinen Beitrag zum weltweiten Wahnsinn verringern. Meine Mutter hat das schon letztes Jahr gemacht, sie hat die politischen Debatten mitbekommen, wollte auch etwas tun und hat ein Jahr keine Kleidung gekauft. 

Was sagen deine Kinder zu alldem?

Meine 18jährige Tochter ist keine Shopping-Queen, sie kommt da eher nach ihrer Mutter. Sie macht vielleicht nicht alles richtig, beschäftigt sich aber mit diesen Themen, geht auch zu Fridays for Future, Greta Thunberg ist ein wichtiges Vorbild. Meine Tochter ist jedenfalls viel bewusster als ich es mit 18 war. 

Du wirst ja irgendwann wieder etwas kaufen. Worauf schaust du dann?

Drei Fragen sind mir wichtig: Woher kommt das Kleidungsstück, aus welchen Materialien ist es gefertigt und wie wird es produziert? Damit müssen Produzenten und Shop-Besitzer umgehen können. Wenn man bei ZARA reingeht, wird einem das niemand sagen können. Aber in vielen kleineren und guten Geschäften kann man dazu auch heute schon viel erfahren. Susanne Barta Foto_4Wenn ich mich bei mir umschaue, muss ich feststellen, dass ich sicher auch mindestens dreimal so viel Zeug habe wie mein Lebensgefährte. Für eine „one year no shopping challenge“ bin ich aber (noch) nicht bereit. Wie schaut das bei euch aus? Könnt ihr euch vorstellen, so was zu machen? Die dänische Influencerin Signe Hansen, ihr habt sie hier bereits kennengelernt, hat sich für 2020 eine „Low buy challenge“ vorgenommen, hier ihre Hashtags: #2020wehaveplenty #useless_lowbuy2020 #lowbuy. Lets do it together!

Foto: (1–3) Tom Jank; (4) Susanne: Jacke > Secondhand, Kleopatra Bozen; Rolli > CORA happywear; Hose > alt; Gürtel > Chanel; Sneakers > Veja  

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