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December 3, 2019

Digital ist Standard. Analog ist Kunst. Analogica 9

Florian Rabatscher

16-mm- und Super-8-Aufnahmen haben ihren eigenen Charakter, und nicht nur das, sie bergen fast schon eine eigene Welt in sich. Nimmt man mit diesen Formaten die Realität auf, verwandelt sie sich später in etwas völlig Märchenhaftes. Diese einzigartigen Farben und diese tiefe Atmosphäre lassen jede noch so spießige Familienaufnahme automatisch wie einen Spielfilm wirken. Stellt euch einen ausgemergelten, alten Mann vor, der bloß auf einem Stuhl sitzt und eine Zigarette nach der anderen raucht. Eine völlig banale Szene wie diese, würde sich auf 16 mm in ein wahres Kunstwerk verwandeln, das ohne große Geschichte berührt. Handgemalt, mit Magnetbuchstaben gesetzt oder auf Papier mit Rubbelbuchstaben – so sahen die Filmtitel in den klassischen Schmalfilmzeiten aus und übten auf das Publikum stets ihre Wirkung auf aus. Den handgemachten Charme von analoger Technik kann nicht einmal die beste und teuerste digitale Vorgehensweise erreichen. Weshalb auch heutzutage viele Filmemacher noch auf diese Herangehensweise schwören und die scheinbar unverwüstlichen Geräte von damals verwenden.
Mit Analogica findet in Bozen bereits zum neunten Mal vom 4. bis 8. Dezember das einzige italienweite Festival seiner Art statt und lässt analoge Herzen höher schlagen. Ein Treffpunkt für Enthusiasten, Experimentierfreudige, Freunde von Emulsion und analoger Technik, aber auch für Neugierige, die in diesen Tagen an verschiedenen Orten viel Gelegenheit zum Austausch bekommen. Forschungs- und Experimentalfilme, Found Footage, 16 mm und Super 8, Expanded Cinema und Workshops, bei denen man lernt, wie man die Bolex-Kamera benutzt und 16 mm zu Hause entwickelt. Erneut findet auch der Wettbewerb 36EXP statt, der einzige Wettbewerb, der sich den Fotofilmen widmet. 

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Analogica beginnt am 4. Dezember um 20:30 Uhr mit dem Film „Beyond the Bolex“ im Filmclub Bozen. Dabei geht’s um eine Dokumentation, welche die Geschichte des Erfinders der kultigen 16-mm-Bolex-Kamera erzählt. Gegen dieses Schmuckstück sieht jedes noch so moderne Smartphone alt aus. Unsere heutigen Hosenkameras kann man fast schon jährlich in den Müll schmeißen, während uns die Bolex-Kamera seit den 1930er Jahren fasziniert. Noch dazu wird auch am 7. und 8. Dezember der Workshop „Strumenti di sperimentazione (Experimentierwerkzeuge) – BOLEX H16“ in den Räumen des foto-forums in Bozen stattfinden. Natalia Fentisova und Maja Milic vom Kollektiv LaborBerlin werden dort den Einsatz der Bolex-Kamera und die Entwicklung von 16 mm mit handwerklichen Techniken näher bringen.

37 Kurzfilme aus aller Welt werden an folgenden Terminen im foto-forum präsentiert: Donnerstag, 5. Dezember, von 14 bis 18 Uhr; Freitag, 6. Dezember, von 14 bis 21 Uhr und Samstag, 7. Dezember, von 10 bis 18 Uhr. Ebenfalls im foto-forum findet am 5. Dezember um 18:30 H die Einweihung der Ausstellung 36EXP statt, der Abschluss des internationalen Wettbewerbs für Fotofilme. 36EXP ist ein Wettbewerb, der im Sommer gestartet ist und sich an alle richtet, die sich für Film, analoge Fotografie, Fotoemulsion und Überraschungen begeistern. Für die Teilnahme waren nur eine analoge Kamera und ein Film mit 36 Aufnahmen (SW, Farbe oder Dias) notwendig. Zudem mussten alle auf dem Film verfügbaren Fotos belichtet werden. Ohne die Ergebnisse zu sehen, haben die TeilnehmerInnen den Film an Analogica geschickt, die ihn entwickelt hat und mit einer Expertenjury die Bilder von bis zu 3 Gewinnern gedruckt und ausgewählt hat. Sie werden die Protagonisten der Ausstellung im foto-forum sein.analogica2

Am 7. Dezember verlagern sich die Räumlichkeiten ins RU 17 am Bozner Boden, um die Vorführung der 37 Kurzfilme von Analogica 9 fortzusetzen. Um 20 H wird LaborBerlin einen Workshop zum Thema Experimentalfilm in 16 mm und Super 8 halten. Um 22 Uhr tritt das Duo von Kino Manual, Aga Jarząb, Maciek Bączyk aus Wroclaw in Polen mit einer visuellen und akustischen Expanded-Cinema-Performance auf. Dabei handelt es sich um eine Art Familiendokumentation, die von den im Schlaf gesprochenen Worten ihrer kleinen Tochter inspiriert ist. Das Unterbewusstsein und der Verlust eines kleinen Milchzahns sind der Antrieb der Performance, einer traumhaften und surrealen Reise zwischen Bildern und Klängen, die aus der Projektionsfläche herauskommen, um den ganzen Raum zu durchdringen. Um 23 H folgt ein DJ-Set mit Easter & Ratkinson.

Also, klinken wir uns während Analogica 9 doch mal für ein paar Tage aus der digitalen Matrix aus und genießen die Schönheit der wahren Welt. Seien wir ehrlich, analoge Vielfalt macht einfach glücklicher. Zwar wurden die analogen Werte längst von digitalen Datenströmen überholt, doch wenn es um Qualität und Ausdruck geht, werden analoge Techniken wahrscheinlich noch lange die Nase vorn haben. Digital ist zwar Standard, aber Analog ist und bleibt eine Kunst.

Fotos: Analogica 

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