Music

December 2, 2019

30 Jahre Volxpunk: Der WC-Adventskalender, Teil 1

Florian Rabatscher

Wir schreiben das Jahr 1989, die Berliner Mauer fällt, George Bush Senior wird Präsident der USA und die erste Folge der Simpsons wird ausgestrahlt. Was für ein Jahr. Auch auf dem Südtiroler Hochplateau, in Völs am Schlern, um genau zu sein, passierten weltverändernde Dinge. Vor 30 Jahren fanden sich in diesem Kaff vier Flüssiges liebende junge Punks zusammen, um wahrhaft Geschichte zu schreiben. Ihre Liebe galt nicht nur den Mädchen, dem Bier und dem Himbeerschnaps einer gewissen „Mena“, oh nein, sie wagten das Unmögliche und gründeten eine Punkrock-Band. Fast unvorstellbar in diesen Zeiten, aber war es doch die einzige Möglichkeit, um ihre Vorlieben zu vereinen. Zudem schallte damals das Lied „Maria Magdalena“ von Sandra durch Südtirols Diskotheken und sie dachten sich, „das geht doch nicht“. – Eine Fusion des schlechten Geschmacks also? Nicht doch, eher die Geburtsstunde der wohl legendärsten Südtiroler Punkrock-Band WC. … wie viele Kloaken-Wortspiele könnte man jetzt hier hinbrettern, doch fällt mir leider keines ein … 

Dafür sitze ich in ihrem Proberaum, inmitten unzähliger Bierflaschen und überquellender Aschenbecher, eigentlich die perfekte Atmosphäre für eine chaotische Geschichte. Während ich mir den mit Leergut gefüllten Tisch ansehe, denke ich an die tapferen Hirnzellen, die dafür ihr Leben lassen mussten. Ich trinke auf euch. Wieviel wird in den Köpfen der Band von der 30jährigen Bandgeschichte übrig sein? – Ziemlich viel, ziemlich durcheinander, ziemlich verschwommen, mit ziemlich auseinander gehenden Meinungen, wie sich manches abgespielt haben soll … Für mich ist es schlicht unmöglich, ein Portrait über diese Band zu erstellen. Die Bio könnt ihr selbst auf ihrer Homepage nachlesen. Stattdessen nutze ich die anstehende Weihnachtsstimmung und präsentiere euch den WC-Adventskalender in zwei Teilen. 24 Geschichten, Fakten, Anekdoten und reichlich Mythen aus 30 Jahren Bandgeschichte …

Türchen 1
Anfangs hieß WC noch „Minorities Die“ und sie machten Musik, um den Mädchen zu imponieren, doch heutzutage lassen sie lieber bitten. wc2

Türchen 2
Der erste Bassist von WC war der leider schon verstorbene Josef Mair, der übrigens nur knapp ein Jahr in der Band war und auf keiner einzigen Aufnahme zu hören ist. Er wurde auch Schell Unter genannt – als ich nach dem Grund fragte, war die Antwort: „Ja, weil sein Bruder der Schell Ober war.“ Josef war ein lustiger Zeitgenosse, der während eines Auftritts gern mal die Bühne verließ, um sich an ein Mädchen ran zu machen und bei jedem Konzert den Song „Cheri, Cheri Lady“ von Modern Talking trällerte. Schlussendlich funktionierte die Zusammenarbeit nicht mehr, denn als Koch konnte er nur mehr selten zu den Proben erscheinen.wc3

Türchen 3
1990 stieß der zweite Bassist Josef Harder dazu (erstaunlich, wie viele damals in den Dörfern noch den Namen Sepp trugen). Jedenfalls nahm WC ihr erstes Demotape „Blau“ auf, das für damalige Aufnahmeverhältnisse immer noch verdammt gut klingt und bereits ihren zukünftigen Sound demonstrierte. Harder spielte übrigens zur diesjährigen Jubiläumsfete im Mai seinen 30 Jahre alten E-Bass, dessen tiefste Saite seit 30 Jahren nie gewechselt worden war und trug dabei einen 30 Jahre alten Hosengürtel, dessen Nieten für die Einkerbungen an der Rückseite des Basses verantwortlich sind. Wahnsinn. wc4

Türchen 4
Als sie noch keinen Führerschein besaßen und im Nachbardorf Tiers spielen sollten, wurden sie vom Völser Bürgermeister höchstpersönlich mit dem Traktor dorthin gebracht. Da es in Tiers keinen Calcetto-Tisch gab, kamen die Tierser ständig nach Völs, um dort gegen sie anzutreten. Sie waren aber nicht wirklich Gegner für die höchst routinierten Mitglieder der Band. Die Legende besagt, dass WC einen Tisch nach Tiers brachte, damit dort endlich richtig  trainiert werden konnte. Zitat von Simon Weissenegger: „Es wurde irgendwann langweilig, gegen diese schwachen Tierser Calcetto zu spielen.“  wc5

Türchen 5
Eines ihrer kultigsten Konzerte fand 1991 auf den Talferwiesen statt. Ein Event gegen Saddam Hussein und für die Kurden. Es sollte ein legendärer Auftritt werden, die Band hatte sogar ein Fass Bier samt Pumpe dabei. Doch während eines Songs fiel plötzlich der Strom aus, da ihn, so wird vermutet, jemand abgestellt hätte. Wahrscheinlich Boykott aufgrund nicht politisch korrekter Texte. Mysteriös. wc06

Türchen 6
Als Harder WC verließ, nahm er auch das Mischpult der Band an sich, weil er es schließlich bezahlt hatte und die anderen ihm nie ihren Teil dafür gegeben hatten. Sein Nachfolger Harald Gasser, auch bekannt als der singende Schlernwirt, bezahlte ihn aus und brachte das Ding zurück in den Proberaum. Seine Eintrittskarte in die Band sozusagen, denn WC hatte kein Mischpult mehr und er schon.wc7

Türchen 7
Der kreative Schlagzeuger Otto Haselrieder hatte in den Anfangsjahren von WC die grandiose Idee, eine Kloschüssel mit integriertem Blitzeffekt als Bühnen-Deko zu benutzen. Auch der neu dazugekommene und auf seine Art charismatische Sänger Wolfgang Bauer war maßgeblich an dieser Idee beteiligt. Als Andreas Federer und Wolfgang den Blitzeffekt aus Bauteilen selbst zusammenlöteten und ausprobierten, meinte Wolfgang: „Steck ein, ich halte es.“ Also schaltete Andi das Licht aus und steckte das Blitzlicht ein, worauf Wolfgang begann, sich wie wild zu schütteln. Andi dachte sich, wie geil der Typ doch abgeht. Schlussendlich bemerkte er, dass Wolfgang nicht tanzte, sondern am Strom hing. 
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Türchen 8
1994 erschien die erste WCD „Menschen“ und WC spielte in diesem Jahr 52 Gigs. Damals herrschte wegen Bands wie Green Day der absolute Punk-Boom und WC sprangen auf diese Welle auf. Sie spielten auch gelegentlich mit Blues-Bands zusammen. Otto Haselrieder meinte damals dazu: „Ach, diese Blueser, fangen an und hören nie mehr auf.“wc9

Türchen 9
Das zweite Album „Laut und Fanatisch“ folgte, darauf war auch ihr wohl berühmtestes Lied „Sommer in Tirol“ vertreten und damit tourten sie Mitte der 90er ausgiebig durch Norditalien und durchs Ausland. Auch waren sie ebenfalls mit der aus Völs stammenden Krach-Combo „Röar“ unterwegs, mit der sie viel verbindet: Nicht nur dass der ehemalige Bassist Josef Harder und noch heutige Mitglieder wie Simon Weissenegger und Benny Kompatscher in dieser Band gespielt haben, nein, auch der Fakt, dass deren derber Sound der Zeit weit voraus war und deshalb sicherlich eine Inspiration für WC darstellte. Auch stammt von Röar’s Schlagzeuger die fundamentale Weisheit, ein Drummer müsse anfangen, auch mit der linken Hand zu masturbieren, damit er mit beiden Händen gleich schnell sei.wc10

Türchen 10
Auf ihrer Norditalien-Tour spielte WC einmal sogar in einem Schloss, das ausschließlich von Frauen besetzt war, oder sollte nach einem anderen Gig in einem Hundezwinger schlafen, in dem eine Hündin gerade Welpen zur Welt gebracht hatte. Wie man zu einer Zeit ohne Internet zu solch einzigartigen Konzerten kam? Über Fanzines wurden Kontakte zusammengesammelt und per Telefon angerufen. Als Otto einmal in Venedig anrief, um im besten Südtirol-Italienisch einen Gig klar zu machen, fragte man ihn: „Ma, tu sei francese?“ Otto darauf: „No, no, italiano …“wc11

Türchen 11
Auch heutzutage ist das Lied „Alptraum“ der legendären Deutschpunk-Band Slime, fester Bestandteil des Live-Sets von WC. Sie spielten auf ihren Touren vorwiegend in besetzten Häusern und waren immer schon links eingestellt. Oder wie Otto zu sagen pflegte: „Ja, links oder rechts oder irgendwas …“. 
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Türchen 12 
Navis waren zu diesen Zeiten noch lange nicht erfunden, weshalb vor einem Konzert außerhalb von Südtirol, natürlich alles penibel im Voraus geplant werden musste. Otto schrieb sich also einmal eine Adresse auf einem Forstbier-Notizzettel auf, kaufte sich einen Plastikhelm und los ging die Reise nach Turin. Dort angekommen, mit dem Helm auf dem Kopf, zeigte er verschiedenen Leuten den Zettel, auf dem „Vicino Alpo“ geschrieben stand, damit sie ihnen den Weg zeigen könnten. Keiner konnte helfen. Was könnte dieses „Alpo“ bloß sein? Ein Hotel? Ein Industriegebäude? Bis Andi plötzlich auffiel, dass es nicht „Vicino Alpo“, sondern „Vicino al Po“ heißen sollte. Ach Otto … 
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Fortsetzung folgt …

Alle Fotos WC; ausgenommen (1) franzmagazine + (4) Martina Jaider. 

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