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November 14, 2019

Versprechen und Einladung: Andreas Trenker im Kunstraum Café Mitterhofer

Maria Oberrauch

Schon wieder ist fast ein Jahr vorbei und schon wieder darf ich über eine, so glaube ich jedenfalls, wirklich wunderbare Fotografie-Ausstellung im Kunstaraum Café Mitterhofer schreiben. Am 30. November eröffnet khodāhāfes von Andreas Trenker. Der Südtiroler Designer und Dokumentarfotograf arbeitet an der Schnittstelle von visueller Kommunikation und Journalismus und erforscht soziopolitische Themen wie Identität, Staatlichkeit und Erinnerung. Seine fotografischen Projekte führten ihn bereits an die Grenze zum Gazastreifen, nach Bosnien, in den Iran und zuletzt in den nicht anerkannten Staat Transnistrien.  

Die Fotoausstellung khodāhāfes portraitiert Andreas Trenkers Reise durch die Islamische Republik Iran. Dabei setzte er sich mit dem Land, aber auch mit seinem europäsich-abendländischen Blickwinkel auf eine ihm fremde Kultur kritisch auseinander. Welche Bilder entstehen schon vorab im Kopf und in den Erwartungen des Fotografen, welche hingegen fordern Klischees und Vorurteile heraus? 

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 Wie viel Tage im Jahr bist du unterwegs?

Das ist schwer zu sagen. Ich bin immer etwas rastlos unterwegs und pendle zwischen verschiedenen Heimaten hin und her – momentan zwischen Bozen und Amsterdam. Die Konstante in meinem Leben ist also dieses Gefühl des Unterwegs-Seins. Zwei- bis dreimal im Jahr verreise ich. Dabei ist oft nicht das Ziel das Spannendste, sondern das, was zwischen A und B liegt.

Wie lange brauchst du, um ein Gefühl für Menschen, Kultur und Natur eines Landes zu bekommen?

Ich denke, das muss nicht unbedingt eine Frage der Dauer sein, sondern viel mehr die Art und Weise, wie man auf einen fremden Ort und eine fremde Kultur zugeht. Sprache, Schrift, Kultur, Musik, Film, Literatur und vor allem auch Religion prägen ein Land. Wer also eine Region kennenlernen will, muss sich damit auseinandersetzen — die Mikro- und Makrokosmose kennenlernen. Das gelingt natürlich besser, wenn man sich mit den Menschen unterhält, bei ihnen übernachtet, zusammen mit ihnen das Land erkundet. Mein Portrait des Iran kratzt nur an dieser Oberfläche, an manchen Stellen taucht es tiefer ein. Es ist eine Momentaufnahme und bleibt ein Fragment. 

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In der Beschreibung zur Ausstellung schreibst du, dass es dir ein Anliegen war zu hinterfragen, welche Bilder man sich als Fotograf in einem fremden Land selbst konstruiert und welche Bilder hingegen Vorurteile herausfordern … Wann ist ein Bild authentisch? 

So etwas wie Authentizität gibt es meiner Meinung nach in der Fotografie nicht. Unsere Vorstellungen von anderen Kulturen und Regionen sind visuell voreingenommen. Wir erlernen sie durch Dokumentarfilme, durch Literatur oder Reisemagazine. Es entsteht also eine gewissen Erwartungshaltung und die ist meist eine Reproduktion dieser angeblichen Authentizität, aber auch das Resultat unseres eurozentrischen Weltbilds. Diese Vorurteile, insbesondere dem Nahen und Mittleren Osten gegenüber, reichen bis in die Kolonialzeit zurück. Für mich war es also spannend meine eigenen Position und Autorität in Frage zu stellen und meine unterbewusste Voreingenommenheit zu entlarven. Das geschieht im Dialog mit den Iranern und Iranerinnen, die sich mit meinen Bildern auseinandergesetzt haben. Durch ihre Audio-Beiträge erhält das Visuelle eine weitere Dimension: Die Geschichte des Bildes wird temporal und räumlich erweitert, das Bild wird zur Lupe auf unterschiedliche Biografien und Wahrnehmungen.

Die entstandenen Kommentare begleiten die Fotografien in der Ausstellung als sprachlichen Fußnoten in Form von Audio Guides. Hast du ein Beispiel für uns?

Was können Bilder, was Sprache nicht kann und umgekehrt?

Das Aufregende an Bildern ist, dass sie eine universelle Sprache sprechen und trotzdem ambivalent bleiben. Es gibt keine richtige oder falsche Art, sie zu lesen. Sie folgen keiner uniformen Grammatik. Sprache hingegen bietet Tonalität, Rhythmus, Melodie, Pausen. Das sind Elemente, die in einem einzigen Bild oft schwer zu erzielen sind.

Warum khodāhāfes?

Wenn ich verreise, bin ich bemüht, mir ein Minimum des lokalen Wortschatzes anzueignen. Das geschieht aus Interesse, aber auch aus Respekt. khodahafes war eines der ersten persischen Wörter, die ich auf meiner Iran-Reise erlernte, es bedeutet Auf Wiedersehen und ist nicht nur eine Verabschiedung, sondern irgendwo auch ein Versprechen und zugleich eine Einladung. Der Iran ist definitiv ein Land, das ich gerne nochmals bereisen und erleben möchte.

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Wann lässt du die Kamera in der Tasche?

Immer dann, wenn ich das Gefühl habe, dass die Präsenz der Kamera den Moment zerstören würde oder es einfach unangebracht wäre.

Welcher Ort, welcher Moment hat dich überwältigt, begeistert, berührt?

Das waren meist Momente, die nicht in Bildern festgehalten wurden. Die Herzlichkeit der Iraner und ihre immense Gastfreundschaft, zum Beispiel. Ein Kontrast, der mir in Erinnerung geblieben ist, ist der zwischen dem sehr urbanen Raum und der verschmutzten Natur. Ein Ort, der mich sprachlos gemacht, hat war der Urmia-See, ein Salzsee, der seit Jahrzehnten auf Grund der industriellen Landwirtschaft austrocknet. Eine Umweltkatastrophe ähnlich der des Aral-Sees. 

Was birgt die Zukunft?

Das nächste große Projekt ist eine Recherche-Reise nach Eritrea. Das Projekt, das von der Benno-Barth-Stiftung unterstützt wird, und zusammen mit Giulia Faccin entsteht, setzt sich mit der kolonialen Vergangenheit Italiens auseinander. Es wird also auch ein bisschen eine Reise in die Vergangenheit, in eine Geschichte, die in Italien leider viel zu oft verschwiegen, schön geredet oder verleugnet wird. In ihrer Aufarbeitung gibt es noch viel Nachholbedarf und als Gestalter und Künstler können wir dazu beitragen. 

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 Andreas Trenker studierte an der Fakultät für Design und Künste an der Freien Universität Bozen und Think Tank for Visual Strategiesam Sandberg Institute in Amsterdam. Inzwischen lehrt er auch selbst. Seine fotografische Arbeit wurde international ausgestellt und mit diversen Preisen, Stipendien und Recidencies ausgezeichnet.  

Fotos: Andreas Trenker

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