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November 6, 2019

Cordula Reyer über (nachhaltige) Mode

Susanne Barta

Sie war das bekannteste Model aus Österreich, die Muse von Helmut Lang und lief in den 1980er und 90er Jahren für viele große Designer. Heute arbeitet sie vor allem als Modejournalistin für die Zeitung „Der Standard“ und schreibt Texte für die „Neue Zürcher Zeitung“, „DIE ZEIT“ und einen belgischen Publizisten.

Cordula, du bist eines der großen Models der 1980er und 90er Jahre und kennst die Modebranche sehr gut. War Nachhaltigkeit in der Modeindustrie damals bereits ein Thema?

Einige Freundinnen, auch Modelfreundinnen, darunter Marie Sophie Wilson, Kirsten Owen, Stella Tennant und ich, trugen Sachen von Flohmärkten, Secondhandländen und aus den Kleiderschränken der Eltern und Großeltern. Auch einige der Stylistinnen taten das und arbeiteten mit diesen Kleidungsstücken. Designer ließen sich davon inspirieren, haben sich unsere Kleider ausgeborgt und für ihre Designs verwendet. Aber mehr war da nicht.

Was bedeutet Mode für dich? Damals und heute?

Als Teenager war Mode etwas, womit ich mich ausgedrückt und dargestellt habe. Später hat mich meine Freundschaft mit Helmut Lang, der für eine ganz neue Form von Mode stand, sehr geprägt. Mode ist ja mehr als Luxus und hat viel mit Lebensfreude zu tun. Die 1980er und 90er Jahre waren in dieser Hinsicht unbeschwerter. Heute bin ich viel unmodischer. Vielleicht weil ich so lange in der Modebranche gearbeitet habe, aber vielleicht ist es auch eine Altersfrage, nicht mehr jeden Trend mitmachen zu wollen. 

Die Fast-Fashion-Industrie hat den Konsum ungemein beschleunigt, die Luxusindustrie die Zahl der Kollektionen und Kollaborationen gesteigert. Das Rad dreht schneller und schneller. Wie nimmst du das wahr?

Als ich längere Zeit keine Modeschauen lief und dann wieder welche machte, war das fast wie ein Schock. Das war nicht mehr vergleichbar mit dem, was ich erlebt habe. Heute ist Mode eine riesige, weltumspannende Industrie. Bei Helmut Lang und Elfie Semotan ging es damals stark um die kreative Zusammenarbeit, Geld war ein angenehmes Nebenprodukt. Aber so lange die Nachfrage nach Mode so groß ist, wird sich das Rad immer schneller drehen. Natürlich können wir Europäer leicht sagen, wir brauchen das jetzt nicht mehr. Aber andere Länder haben diese Entwicklungen nicht durchgemacht und fangen jetzt erst an zu konsumieren. 

Cordula Reyer for Marine Serre – aus vogue.com 2

Du bist bei der letzten Paris Fashion Week für die französische Newcomer-Designerin Marine Serre gelaufen. Sie beschäftigt sich intensiv mit Nachhaltigkeit in ihren Kollektionen. Beginnen viele Designer bereits umzudenken oder ist das noch in der Nische?

Ja, da verändert sich etwas. Natürlich sehen alle, dass es so nicht weitergehen kann, auch die Konsumenten werden viel bewusster. Marine Serre zum Beispiel hat eine grüne Linie, mit der sie Prêt-à-Porter, Haute-Couture-Stücke präsentiert, individuelle Einzelstücke aus recycelten Stoffen. Das findet viel Zuspruch und Absatz. 

Du hast bis vor einigen Jahren in L.A. gelebt. Ist das Thema dort stärker?

Ja, wie alles in den USA. Dort ist es natürlich gleichzeitig eine neue Möglichkeit, Business zu machen. Das Bewusstsein, wie und wo produziert wird, gibt es schon länger. Der Gründer von „American Apparel“ zum Beispiel hat sich stark dafür eingesetzt, dass mexikanische Arbeiter legalisiert werden und das meiste in den USA produziert wird. Die junge Generation ist jedenfalls sehr bewusst.  

Hinterfragen deine Model-Kolleginnen, was sie tragen?

Wie das bei den Jungen ist, kann ich nicht sagen, bei uns Älteren ist das schon Thema. Aber es ist für uns auch leichter, wir wurden damals mit schönen Kleidungsstücken überschüttet. Ich kann gut verstehen, dass jemand auch heute schöne Dinge haben möchte.

Mode soll ja nach Mode aussehen. Früher war das eher schwierig, heute gibt es tolle Brands, die zeitgemäß designen. Findest du nachhaltige Mode, die dir gefällt?

Über Marine Serre natürlich. Aber meine Nachhaltigkeit äußert sich vor allem darin, dass ich meine Sachen wirklich trage und nicht viel konsumiere. Dennoch kann es sein, dass ich mit meiner Nichte in ein ZARA oder H&M reinstolpere und mir etwas kaufe. Ich sehe aber auch, dass bei den großen Ketten Versuche unternommen werden, etwas zu verändern. Wie nachhaltig diese Mode dann wirklich ist, ist sicher fragwürdig. 

Also geht’s mehr darum, dir Kleidung in guter Qualität zu kaufen, die du lange tragen kannst?  Auf alle Fälle. Ich gebe lieber mehr Geld für einen Pullover in guter Qualität aus und habe ihn dann ewig. Und noch was zu Secondhand: Zu meiner Zeit konnte man Vintage-Stücke von YSL, Chanel, Pucci oder Dior  finden, wunderbare Stoffe und fantastische Stickereien aus traditionsreichen Modeateliers. Heute findet man das bei Auktionen von Sothebys. Damals war Secondhand und auf Flohmärkten einkaufen für viele eher grausig. Ich finde es gut, dass es ein Trend geworden ist. Und man kann immer noch viele gute Stücke entdecken. 

Du bist auch als Modejournalistin tätig, interviewst Leute aus der Branche. Was interessiert dich da?

Ich schreibe über die Menschen, die ich kennenlerne und interessant finde. Was mich immer interessiert, ist, wie sie dahin gekommen sind, wo sie heute sind.

Was hältst du vom Influencer-Boom? Da hat sich ja ein ganz neuer Marketing-Kanal entwickelt … Ich bin da nicht auf dem Laufenden, bin auch nicht auf Instagram. Ich erinnere mich noch gut an eine Veranstaltung in Paris, ich war eine Zeit lang wenig in der Modewelt unterwegs, und habe gesehen, dass plötzlich alle alles mit ihren Handys gefilmt haben. Sie haben sich nicht den Event angeschaut, sondern haben nur aufgezeichnet. Das war für mich wie eine Performance und mir war klar, da hat sich wirklich grundlegend etwas verändert. Aber wie ein alter Herr einmal zu mir gesagt hat: „Wenn man nicht mit der Zeit geht, geht man mit der Zeit.“ 

Was wünscht du dir für die Branche?

Es gibt viele Künstler in der Modebranche, die soviel mehr gemacht haben als Mode. Mode hat unsere Kultur mitgeformt. Ich wünsche mir, dass das in einer interessanten und zeitgemäßen Form weitergeführt wird. Und, dass der Konsum eingebremst wird. Damit kann jeder beginnen. 

Cordula Reyer_Wiener Models 3

Fotos: (1) Cordula Reyer, Wiener Models ,(c) Günter Parth; (2) Cordula Reyer for Marine Serre, aus vogue.com, Photo: Lucioni – Oberrauch/Gorunway.com; (3) Cordula Reyer, Wiener Models 

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