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October 17, 2019

Rock’n'Roll Is Dead? 10 Jahre Highscore Tattoo

Florian Rabatscher

Wie oft hat man schon diesen Satz gehört: Rock’n’Roll ist tot. Recht viel Beachtung wird der Aussage trotzdem nicht geschenkt … Wie könnte man auch? Dieses Wort ist doch mehr als nur irgendeine eingefahrene Musikrichtung. Wo ist die Liebe für unsere ewig besoffenen, fluchenden, volltätowierten und sich ständig prügelnden Zeitgenossen geblieben? Wahrscheinlich teilt die Jugend die Faszination für diese Art von Freiheit nicht mehr so ganz und wir scheinen wirklich am Punkt angekommen zu sein, an dem man als Rock’n’Roller nicht mehr wirklich respektiert wird. Wie Happy Tom, der Bassist von Turbonegro, schon sagte, als sein Frontmann am Stuttgarter Flughafen verhaftet wurde: „In was für einer Welt leben wir, in der Männer mit langem, schwarzen Haar und langen, schwarzen Bärten keine 45-cm-Dolche mehr in Flugzeuge mitnehmen können?“ Da ist doch was dran. Halbherzig rappende Jugendliche, deren Gesichter wie die vollgekritzelten Schulbänke von früher aussehen, haben den Rock vom Thron gestoßen. Ja, Tattoos sind auch längst schon zum herkömmlichen Modeaccessoire mutiert und schocken heute keinen mehr. Auch die meisten Studios haben den wahren Geist des Rock’n’Rolls aus ihren Hallen vertrieben und haben in etwa noch den Charme eines verdammten Friseursalons. highscore2

Doch in der Goethestraße 44 in Bozen gibt es ein Tattoostudio, das immer noch dieses original raue Flair versprüht. Im Oktober 2009 haben Martin Di Collalto und Teo Lescio beschlossen, ihre kreativen Kräfte zu bündeln und Highscore-Tattoo ins Leben zu rufen. Nach zehn Jahren ist es heuer an der Zeit, gemeinsam mit den Kundinnen und Kunden – oder besser gesagt: Freundinnen und Freunden und all jenen, die mitgewirkt und mitgearbeitet haben – zu feiern. Und was für eine Feier. Von 10:00 bis 20:00 Uhr erwarten sie euch in ihrem Studio für ein Walk In mit zehn Tätowierern aus ganz Europa mit ihrem bunt gemischten künstlerischen Angebot – und wie üblich lautet die „Regel“: First come, first served. – Wer zuerst kommt, mahlt zuerst … Und damit ist noch lange nicht Schluss: Natürlich gibt es einen Umtrunk und ebenso auch gute Musik. Ab 21:00 Uhr, bis 3 Uhr morgens wird im Batzen Sudwerk in der Andreas-Hofer-Straße 30 weitergefeiert. Es erwarten euch zwei Bands: The Broken Dolls (Furious Rock’n'Roll) und STRAMONIUM (Stoner-Rock). Und als wäre das nicht genug, gibt es zum Abschluss noch ein DJ-Set des berühmt-berüchtigten Bozner Punkrockers Mr. Alex. Wir haben uns mit Martin getroffen, um ihm zu gratulieren und ihn mit ein paar Fragen zu löchern …

Wie hat alles angefangen?

Vor zehn Jahren ging alles los, aber ich und Teo kennen uns schon seit 1997. Uns verband schon damals die Passion für Hardcore-Punk-Konzerte. Ich hab bereits im Jahr 2000 mit dem tätowieren angefangen und Teo hat gefragt, ob er von mir lernen könnte. Wir arbeiteten also beide im Exodus (Tattoo-Studio) und 2009 haben wir beschlossen, gemeinsam ein Studio zu eröffnen, das damals noch in der Spitalgasse lag, vor vier Jahren zogen wir sodann in die Goethestraße. Zudem haben wir seitdem auch Unterstützung von Corinne Zorzan als Piercerin bekommen.

Wie ist es zum Namen gekommen?

Den hab ich gewählt. Er geht auf ein Konzert 1997 im Papperlapapp zurück. Der Name der Band war „Highscore“. Der Sänger war einer der ersten Personen, die ich komplett tätowiert sah: Sein ganzer Körper war gefüllt mit diesen klassischen amerikanischen Motiven, wie Anker, Herzen usw. Ab dem Moment hab ich beschlossen, mich auch voll zu tätowieren und diesen Beruf auszuüben. 

Wie würdest die Seele von Highscore beschreiben?

Unsere gemeinsamen Leidenschaften: Die Tattoos, die Freundschaft und … Rock’n’Roll. Für mich persönlich gehörten Musik und Tattoos immer schon zusammen. Teo und ich haben auch seitdem immer in verschiedenen Bands gespielt. Mit der Musik wurde es bei mir leider immer weniger, aber die Tattoos sind immer noch da. Tattoos waren aber immer schon meine größte Leidenschaft, ich habe nie wirklich eine andere Arbeit gemacht. Ich bewege mich nun seit 20 Jahren in dieser Szene und liebe es immer noch.highscore3

Irgendwelche berühmten Besuche in den letzten zehn Jahren?

Oh ja, die legendäre New Yorker Hardcore-Punk-Band Agnostic Front war einmal für ein „Meet and Greet“ bei uns im Studio. Das war der Hammer. Auch ihr Gitarrist Stigma hat ein Tattoo Studio in New York, dasswir übrigens 2009 einmal besucht haben.

Was unterscheidet euch von anderen Studios?

Zum einen, dass wir immer schon regelmäßig Gasttättowierer bei uns hatten und zum anderen der Tattoo-Stil an sich. Ich bin ein Riesenfan des traditionellen amerikanischen Stils – ein Klassiker, der vom Westen kommt. Die klassischen Seefahrermotive, zum Beispiel, gehören fast schon zu unserer Tradition. Die japanischen oder die Tribal-Motive hingegen, stammen von anderen Kulturen, obwohl ich sie auch schön finde. Mich inspirieren eher die westlichen Motive, aus den 50er- bis 70er-Jahren. Teo hat sich in letzter Zeit vermehrt auf Black Work, eher geometrische Sachen, spezialisiert, das näher an die indische Kultur herankommt. Jeder macht eben, was ihm gefällt. Anfangs war allerdings für uns beide der amerikanische Stil ausschlaggebend. 

 Das schlimmste Tattoo, das du je gemacht hast?

Viele … Das Allerschlimmste aber habe ich mir selbst allein vor dem Spiegel gemacht: en Herz mit dem Namen meiner ersten Freundin. 

Und an einer anderen Person?

Zuhause, an meiner ersten Freundin, eine meiner ersten Arbeiten übrigens. Ein schreckliches Tribal, es war eines der damals angesagten „Arschgeweihe“. Schrecklich …

Die schlimmsten Motive?

Die ganzen Trends, die es einmal gegeben hat, vom chinesischen Zeichen bis zum „Arschgeweih“. Heutzutage ist es viel besser, da sich immer mehr Leute tätowieren lassen, werden auch die Motive anspruchsvoller. Die Tattoos werden immer größer und schöner, früher waren es eher winzigere Motive, die mit der Zeit einfach hässlich werden.

Was sagst du zum derzeitigen Face-Tattoo-Trend?

Ich bin kein Freund davon. Eigentlich kommt dieser Trend ja von den Gangs aus den USA, für die es eine etwas andere Bedeutung hat. Ein Face-Tattoo kommt also aus dem kriminellen Milieu und bedeutet, dass du Teil einer Gang bist, schon mal im Knast warst oder jemanden umgebracht hast. Ich finde es deswegen vollkommen hirnrissig, wenn man sich so etwas nur aufgrund von irgendwelchen Trends machen lässt. Natürlich gibt es volltätowierte Personen, die keinen Platz mehr haben … Aber wenn jemand zu mir kommt, vielleicht nur ein Tattoo besitzt und gleich eines ins Gesicht will, bekommt er es natürlich nicht. Ich trage auch eine gewisse Verantwortung in meinem Beruf und möchte nicht, dass sich jemand wegen mir seine Zukunft verbaut.

Ein Satz, der euch am besten beschreibt?

Still the same over the years …

Fotos: Highscore Tattoo

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