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October 9, 2019

Ein Herz für Videokunst: “Contemporary Art on Video” in Meran

Florian Rabatscher

Im “Centro Per La Cultura” in Meran finden gerade bis Ende Oktober jeden Mittwoch Filmvorstellungen statt. Aber nicht Filmabende mit irgendeinem Blockbuster und Popcorn, sondern eine speziellere Variante des beweglichen Bildes. Die Reihe “Screen. Contemporary Art on Video” präsentiert wahre Kunst auf der Leinwand. Dafür wurde die Künstlerin Clara Agnelli eingeladen, um verschiedene Videoarbeiten auszuwählen. Ausgesucht hat sie internationale KünstlerInnen, die alle aus ihrem näheren Umfeld stammen. Aus Wien, Deutschland, Nigeria, Kolumbien und ein italienischer Künstler, der in den USA lebt und dort Marionetten herstellt. Allesamt werden euch an diesen Abenden mit jeweils zwei Filmen verschiedene Einblicke in die Welt der Videokunst geben, damit man sich ein Bild der zeitgenössischen Szene machen kann. Die Kuratorin Clara Agnelli hofft mit dieser Reihe mehr Leute für die Videokunst zu begeistern, die sich leider meistens eher im Hintergrund abspielt. Sie selbst stellt heute um 20:30 H zwei ihrer Filme vor, auch ihren neuesten “The Orphic Egg”: eine Story kosmischer Genese, die den Zuschauer rund um den Globus führt. Er kombiniert eine Mischung aus Geschichte, Mythologie und Naturwissenschaft in einem privaten Universum, in dem Symbole und Bilder in einer traumhaften Sprache erzählt wird. Die daraus resultierende Kosmologie ist zugleich surreal und assoziativ und bringt das Unbewusste in den Vordergrund. Wir haben uns den Film schon vorab angesehen und bei Clara Agnelli durchgeklingelt, um ihr ein paar Fragen zu stellen …

Erzähl uns kurz etwas über dich …

Ich komme aus Meran, habe an der Universität für Angewandte Kunst in Wien studiert und war dann nach dem Abschluss viel unterwegs. Unter anderem in Los Angeles und dann in Mexico City, wo ich einen Kurs für “Direzione Artistica” absolviert habe. Darauf habe ich dort begonnen, selbst ein paar Projekte umzusetzen und bin seitdem nicht mehr von dieser Stadt weggekommen. Mittlerweile lebe ich zwischen Mexico City und Meran. Anfangs tingelte ich noch vermehrt hin und her, bis ich schlussendlich ganz nach Mexico City zog. Im Moment arbeite ich auch noch viel nebenbei, aber so ist das Künstlerleben. Ich möchte aber unbedingt noch weitere Projekte dort realisieren, deswegen werde ich sicher nicht so schnell wegziehen. 

Was fasziniert doch so an der Stadt?

Es hat sich so ergeben, sozusagen eine Liebesgeschichte. Die Stadt mit ihren 24 Millionen Einwohnern ist eine Rieseninspiration für mich. Es ist in etwa so chaotisch wie Neapel und dazu gefällt mir noch der Fakt, dass du dich auf 2.300 Metern Höhe mit so vielen Leuten befindest. Jeden Tag erlebt man surreale Situationen, was ein guter Boden für meine filmischen Inspirationen ist. 

Mexico City gilt ja als eine der gefährlichsten Städte der Welt. Wie ist deine Erfahrung?

Bis jetzt wurde ich in meinem Leben nur einmal ausgeraubt, und zwar in Italien. Natürlich muss man in gewissen Gegenden aufpassen, aber ich habe eigentlich nur positive Erfahrungen mit den EinwohnerInnen gemacht. Sie sind sehr intelligent und äußerst interessiert. Ich persönlich kann also nur das Gegenteil behaupten.

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Kommen wir zu deinem Film “The Orphic Egg”, der ziemlich viele Fragen offen lässt. Steckt irgendeine Bedeutung dahinter?

Ich versuche nicht zu viel auf eine Bedeutung hinzuarbeiten, es soll schon offenbleiben. Eigentlich komme ich ja aus der Performance- und Installationskunst, aber in den letzten Jahren merkte ich einfach, dass ich im Medium Film alles vereinen kann. Daher waren meine ersten Projekte immer an eine Performance oder Rauminstallation gebunden, wobei ich dieses Mal versucht habe, eine Art Traumsprache zu entwickeln. Sie arbeitet mit Symbolen und ist auch an Mythologie angelehnt, obwohl diese nicht eine klare Vorgabe geben. Oft wundere ich mich darüber, wenn mir dann Leute, die den Film gesehen haben, meine Gedanken widerspiegeln, ohne dass ich etwas dazu sage. Auch interessant ist es zu hören, welche andere Bedeutung Leute darin sehen.

Aber was wäre dann deine Deutung?

Prinzipiell habe ich den Film so aufgebaut, dass er an verschiedenen Orten spielt, die besondere Merkmale haben. Die Verbindung der Orte durch das Element Wasser ist für mich in diesem Fall wichtig. Auch die Übergänge zwischen Mikro und Makro, da die Geschichte außerhalb vom Ei beginnt, sich dann hineinversetzt und zum Schluss wieder ausbricht. Mein Hintergedanke enthält immer viel aus der griechischen Mythologie. In diesem Fall Eros, der Gott der aus einem Ei entsprang. Auf dessen Grundlage habe ich meine Geschichte zusammengestellt. Als wir in Mexiko gedreht haben, fand ich mehr über einen Salamander dieser Zone heraus, der sich selbst regenerieren kann. Wenn ich jetzt an einen Supermenschen denke, den man machen könnte, dann sollte er wie dieser Salamander sein. Auch diese Recherche ist in den Film eingeflossen.

An welchen Orten wurde der Film gedreht?

Begonnen habe ich in Xochimilco, weil ich ja gerade in Mexiko war und Film studiert habe. In dieser Filmschule lernte ich auch meinen Kameramann kennen und wir beschlossen den ersten Teil der Geschichte gleich dort zu filmen. Da das Projekt zum Großteil aus Eigenbudget finanziert wurde, hat es  ziemlich lange gebraucht, um das Projekt durchzuziehen. Es ging Stück für Stück voran, ich saß ständig mit meinem Kameramann zusammen, zeichnete meine Vorstellungen auf und wir überlegten, wie wir das hinkriegen könnten. Der mittlere Teil war, z. B., nicht für Japan geplant, aber ich war zu der Zeit gerade da. Hokkaido, der letzte Punkt, wo das Eis von Russland runterkommt und schmilzt. Ich wollte unbedingt Aufnahmen mit einem Eisbrecher. Der letzte Teil führt uns noch zum Marmorbruch in Laas in Vinschgau.

Wo hast du diese einzigartigen Schauspieler gefunden?

Eigentlich durch Zufall. Ich war viel in der Gegend unterwegs, an der wir gefilmt und habe einen Bekannten gefragt, wer mir hier am besten die Gegend zeigen könne. Darauf wurde mir eine Bootsfahrerfamilie vorgestellt, mit denen wir letztendlich auch drehten. Mir gefällt der Aspekt, dass sie keine Schauspieler sind und das darstellen, was sie wirklich sind.

Und der Machete-Jongleur?

Den habe ich auf der Straße kennengelernt, wo er das auch wirklich ausübt. Ich dachte nur: Wow! Das ist so ein geniales Bild für Mexiko, er musste einfach dabei sein.

Kannst du uns noch etwas zum Ende des Films erklären?

Ein Mann erwacht gealtert in der Eischale und versucht einen Ausweg zu finden. Am Ende eines Lebens stellt man sich ja gerne die Ursprungsfrage und nach dem Ausbruch hält er eine Henne in seinen Armen. Die Ironie dahinter ist die alte Frage: Wer war vorher da? Das Ei oder die Henne? Das Ei schwebt davon, wieder zurück zum Anfang, wo es die Kinder auf die Pyramide stellen. So schließt sich der Kreis und man lässt offen, was mit dem Mann aus der Schale eigentlich passiert.

Fotos: Clara Agnelli

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