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September 18, 2019

Weniger ist mehr …

Susanne Barta

Letzte Woche habe ich die Aktivistin Céline Semaan zitiert, die sagt: „We can’t shop our way to sustainability, we have to change the way we live“. Ich glaube auch, dass wir unseren Lebensstil verändern werden müssen und das mit gewissen Einschränkungen einhergehen wird und auch soll. Dass Menschen nicht mehr konsumieren, glaube ich nicht. Anders und besser und weniger schon. Konsum ist eine komplexe Sache. Mir macht es großen Spaß immer wieder einmal etwas Neues zu kaufen. Brauchen und der Lustfaktor Neues stehen sich da oft im Weg. Das, was wir tragen, ist ja Ausdruck unseres Selbst, und auch wer sich dazu bekennt, sich nicht für seine Kleidung zu interessieren, setzt damit ein Statement. Ich mag das Spiel mit Mode.

Bisher habe ich allerdings kein Rezept gefunden, den Widerspruch zwischen Konsumlust und Konsumverzicht aufzulösen. Seit längerem verlagere ich das meiste zu Secondhand. Aber auch da frage ich mich immer wieder: Brauche ich wirklich noch einen Rock? Oder noch eine Bluse? Den Rock, zum Beispiel, von Rodier Paris um unglaubliche zwei Euro, den ihr vor zwei Wochen hier gesehen habt … Ich kann den einfach nicht hängen lassen. Auch wenn ich keinen neuen Rock brauche. Wo ist die Grenze? Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, ein ganzes Jahr lang gar nichts zu kaufen, wie ein guter Freund das gerade versuchsweise macht. Dafür gibt es viel zu viele schöne Sachen. Dabei ist mir klar, dass die Textilberge immer größer werden. Wie macht ihr das?

Selbstverständlich ist mir bewusst, in welcher Spirale aus Verführung zum Konsum und Lifestyle wir leben. Ich versuche also meine Gedanken zu ordnen. Ordnen ist ein gutes Stichwort. Ich weiß ziemlich genau, was in meinem Schrank ist und wo. Meistens jedenfalls. Ich räume regelmäßig auf und entsorge, was ich nicht mehr tragen möchte. Ich verschenke an Freundinnen oder gebe noch gute Sachen an die Kleiderkammer oder noch schöne Kleidungsstücke zum Wiederverkauf in den Secondhand Store oder an die Caritas. Wenn schon kaputt, dann ab in den H&M-Container, der in der Zwischenzeit in allen Stores steht, denn H&M nimmt auch kaputte Sachen. Nie und nimmer darf man Kleidung wegwerfen. Viele Materialien sind nicht recycelbar, die Farben sind zum Teil toxisch.

Von der Regel, von allem, was man ein Jahr nicht getragen hat, soll man sich trennen, halte ich nicht viel. Ich habe Sachen in meinem Schrank, die ich jahrelang nicht angezogen habe und dann heraushole und sehr gerne wieder regelmäßig trage. Es ist auf jeden Fall nachhaltiger seine alten Stücke immer wieder rauzuziehen, als sich immer wieder neue (nachhaltige) Lieblingsstücke zuzulegen. „Shop your closet“ ist eine gute Sache. Ein aufgeräumter Schrank ist also wichtig. Marie Kondo, wer kennt sie heute noch nicht???, hat dazu einiges zu sagen und bietet bestimmte Methoden an, wie man Ordnung schafft und hält. Ich folge ihr allerdings nicht, ich mache das auf meine Weise. Dann, wie gesagt, schaue ich vor allem nach Secondhand-Kleidung, Problem siehe oben und ich entsorge gut. Dennoch habe ich nach wie vor zu viel in meinem Schrank und dennoch stehe ich immer wieder davor und frage mich: Was, um Himmels willen, soll ich anziehen? Ich habe nichts!  

Eine mögliche Antwort darauf sind „Capsule Collections“. Den Begriff habt ihr sicher schon gehört. In einem der nächsten Beiträge stelle ich euch Daria Andronescu und ihr Projekt „Wonder Wardrobe“ vor. Sich so eine Garderobe zusammenzustellen kann man systematisch lernen. Seit längerem folge ich auch der jungen dänischen Bloggerin Signe Hansen auf Instagram und Youtube. Ihre Videos sind sympathisch und informativ. Die beiden sind „Capsule Wardrobe Queens“. Ich habe mich noch nicht dazu entschlossen. Es soll großen Spaß machen und man erspart sich angeblich viel Kopfzerbrechen vor dem Kleiderschrank. Das Ganze ist auch einiges an Arbeit. Aber vielleicht ein Weg, den Widerspruch zwischen Konsumlust und Konsumverzicht Schritt für Schritt aufzulösen.

Foto: Jeanskleid > 17 Jahre alt, Lederjacke > Leihgabe meiner Schwester, handgenäht von einer Freundin; Langarmshirt > GAP, übernommen von meiner Mutter; Chelsea Boots > Pollini, 15 Jahre alt; Socken > Pringle 

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