Fashion + Design > Fashion

September 11, 2019

Pioniere der nachhaltigen Mode in Südtirol

Susanne Barta

Die Geschwister Daniel und Elisabeth Tocca haben nachhaltig und fair produzierte Kleidung in Südtirol zum Thema gemacht. Aus Überzeugung und mit Begeisterung haben sie sich für einen Weg entschieden, der viele Herausforderungen mit sich bringt. Es ist ein Weg, der in die Zukunft weist.

Daniel, dein Label Re-Bello wurde 2013 gegründet und war die erste nachhaltige Fashion-Brand made in Italy. Wie bist du gestartet und vor allem warum?

D: 2013 war der offizielle Start, die Vorarbeiten begannen bereits einige Jahre zuvor. Schon während meines Studiums in Rotterdam begann ich mich für das Thema zu interessieren. Nachhaltige Kleidung zu dieser Zeit erinnerte an Kartoffelsäcke. Aber mir wurde bewusst, wie schmutzig die Textilindustrie arbeitete. Gemeinsam mit Freunden wollte ich dann nach meinem Studium einen neuen Weg gehen und gutes Design mit Nachhaltigkeit verbinden. 

Elisabeth, du hast 2014 CORA happywear gegründet. Nach vielen Jahren im Marketing bist auch du auf nachhaltige Bekleidung umgestiegen …

E: Als Mutter verspürte ich das Bedürfnis, einen positiven Beitrag zu leisten, etwas für diese Welt zu tun. Daniel war der Pionier für Erwachsenenbekleidung. Ich habe dann ein eigenes Label gegründet, mit einem sehr idealistischen Business-Model, bei dem die Mütter in den Vertrieb einbezogen wurden. Heute produziert CORA Basics für Babys, Kinder und Damen.

Nachhaltigkeit in der Mode war vor einigen Jahren noch ein Nischenthema, heute wird sehr viel darüber gesprochen. Wie seht ihr das?

E: Es hat sich etwas verändert, aber es wird noch einige Zeit brauchen, bis das Thema wirklich bei der Textilindustrie und den KonsumentInnen ankommt. In der Textilbranche wird es ähnlich sein wie bei den Bio-Produkten, heute sind sie selbstverständlich in jedem Supermarkt erhältlich.

D: Je mehr darüber gesprochen wird, desto mehr Druck bekommen die großen Modefirmen. Wir sind ja kleine Fische, haben aber eine klare Message. Einige der Kaufhausketten kaufen bereits jetzt bei uns kleinen, authentischen Labels ein.

Es wird viel experimentiert mit Materialien. Labels arbeiten mit Bio-Baumwolle, Eukalyptus- und Bambusfaser, Piñatex, recycelten Materialien und vielem mehr … Was tut sich da?

E: Wir schauen uns immer nach neuen, nachhaltigen Lösungen um, können aber nicht auf jeden Zug aufspringen. Vor allem Alternativen zu Bio-Baumwolle sind interessant. [Anmerkung: Bio-Baumwolle ist zwar ressourcenschonender als herkömmliche Baumwolle, verbraucht aber immer noch sehr viel Wasser.]

D: Das größte Problem bei der Materialforschung sind die Mengen. Wir arbeiten ja mit vergleichsweise kleinen Stückzahlen. Wenn man ein neues Material verwenden möchte und nicht auch andere Abnehmer mit einsteigen, kostet das zu viel. Die neuen Materialien sind interessant, vor allem recycelte Materialien sind ein großes Thema. 

Nachhaltigkeit und Fairness sind große Worte. Wie weit könnt ihr eure Lieferketten überblicken?

E: Wir sind klein, da ist vieles einfacher. Unser Hauptlieferant ist in Griechenland und GOTS zertifiziert. Wir sind zweimal im Jahr dort. Wenn man aber zum Beispiel in Asien produziert und komplexe Lieferketten hat, lässt sich das zum Teil kaum mehr überblicken. Die Zertifizierung garantiert Nachvollziehbarkeit und Transparenz, 100%ige Sicherheit gibt es natürlich nicht.

Stichwort Fast Fashion: Vor welchen Herausforderungen steht ihr als Produzenten?

D: Wir produzieren nachhaltig, weil wir einen Beitrag leisten möchten. Bei den Lieferketten muss daher alles stimmen, das Design zeitgemäß sein. Das kostet. Uns ist es wichtig, dass die KonsumentInnen das verstehen.

E: In der Textilbranche muss sehr viel vorausbezahlt werden. Unsere finanzielle Kurve geht zwar leicht nach oben, aber das Cash-Thema bleibt das herausforderndste Thema.

D: Dennoch glaube ich, dass die Veränderung durch die kleinen, authentischen Labels kommen wird. Einige sind ja auch schon groß geworden wie „Armedangels“ und „People Tree“. 

07 Susanne BartaDie Aktivistin Céline Semaan sagt: „We can’t shop our way to sustainability, we have to change the way we live.“ Menschen aber werden immer konsumieren. Die Frage ist, wie und wie viel … Ihr wollt ja auch verkaufen?

E: Wir ProduzentInnen verändern uns natürlich auch. Es ist mir sehr wichtig, wie wir dieses Nachhaltigkeitsversprechen kohärent einlösen können. Ich denke gerade viel über Kreislaufwirtschaft nach. Leasing könnte interessant sein, vor allem bei Babybekleidung. Es muss ja nicht immer alles neu sein. Man könnte sie zurückgeben, dafür ein neues Set bekommen und das so in einen Kreislauf bringen. Der Markt aber muss bereit dafür sein 

Verändert sich die Textilindustrie schnell genug?

D: Bei größeren Unternehmen gibt es meist lange und sehr bürokratische Prozesse, die nicht leicht zu verändern sind. Auch die Nachfrage ist noch zu klein, um einen Konzern auf ein ganz neues Business-Model umzustellen. Aber es gibt Anzeichen der Veränderung. Lange dachte ich, es muss einen Top-Down-Prozess geben, also bestimmte Praktiken per Gesetz verbieten, mittlerweile glaube ich, dass der Druck von unten kommen muss. Je mehr Leute wir von einem nachhaltigeren Lebensstil überzeugen, desto mehr Druck wird aufgebaut und werden die Firmen reagieren. 

Wie schaut es in Südtirol aus?

D: Südtirol ist kein ausgesprochenes Mode-Land. Mittlerweile gibt es auch kaum mehr Produktion hier. Aber die KonsumentInnen schätze ich als achtsam ein, die Wert auf Qualität und Nachhaltigkeit legen.

Habt ihr Tipps, wo man hier einkaufen kann?

D: Mein Traum ist es ja ein Geschäft aufzubauen, das neben Mode auch viele andere nachhaltige Produkte anbietet.

E: Einiges findet man in Bio-Shops, die oftmals eine kleine Auswahl an Bekleidung führen. Ab Februar 2020 wird es CORA auch bei „Oberrauch Zitt“ in Bozen geben.

D: In Meran gibt es zum Beispiel das Geschäft „Terra“, in Lana „Feines“, in Bruneck führt „Mode Tschurtschenthaler“ einige nachhaltige Labels, in Bozen findet man bei „Sub“ interessante Brands, auch „Spiss“ und „Oberrauch Zitt“ legen immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit, bei „Aufburg“ und „Creativ“ kann man vielleicht auch etwas Passendes finden.

Wie kleidet ihr euch ein?

E: Ich bin in den letzten Jahren zur Minimalistin geworden: nachhaltige Jeans von Re-Bello und verschiedene nachhaltige T-Shirts. Ich tausche auch einiges mit Freundinnen, bin also eine „Secondhand Swaperin“, keine Secondhand-Käuferin. Jedenfalls noch nicht.

D: Ich habe direkte Quellen zu den Labels, die ich vertrete, kaufe also kaum ein. Meine Tochter trägt CORA.

Woran arbeitet ihr gerade?

E: Ich arbeite an der Stabilisierung der Marke CORA. Wir sind nun fünf Jahre alt und haben vor allem nach innen geschaut. Jetzt geht es darum, mehr nach außen zu schauen, um den Zug nicht zu verpassen.

D: Ich berate Firmen in den Bereichen Nachhaltigkeit, Materialien und Vertrieb. Ein Projekt für die Zukunft ist, wie gesagt, ein Shop, wo man für seinen nachhaltigen Lifestyle einkaufen kann.

E: Wir möchten auch verstärkt mit Unternehmen und Hotels arbeiten. Maßgeschneiderte Projekte mit Firmen, die für Veranstaltungen oder für ihre MitarbeiterInnen die entsprechende Bekleidung nachhaltig und fair beziehen möchten. Unser Ziel ist es natürlich auch, über nachhaltige Produktion zu informieren und so das Bewusstsein zu vergrößern.   

07 Cora Happywear Re-Bello 

Fotos: (1) Elisabeth und Daniel Tocca; (2) Susanne: Sweatshirt > CORA; T-Shirt > CORA; Hose > Re-Bello, Sneakers > Veja; (3) Elisabeth: T-Shirt > CORA, Hose > Armedangels, Sneakers > Veja; Daniel: Blazer > Re-Bello, T-Shirt > Erdbär, Hose > Re-Bello, Sneakers > Veja. 

Print

Like + Share

Comments

Cancel reply

Current day month ye@r *

Discussion+

There is one comment for this article.

Related Articles

Archive > Fashion