Music

September 6, 2019

Neue, künstlich natürliche Klänge von Another Vision

Florian Rabatscher

Da ist es ja wieder, hab lange nichts mehr von dir vernommen, schön, dich wieder zu spüren. Dieses Gefühl, das man akustische Computerliebe nennt oder auch einfach Another Vision. Mit ihrem neuesten Streich „Stuck“ und dem dazugehörigen Video einer Live-Session versprühen diese Herren aus Innsbruck und Wien mit ihren künstlich natürlichen Klängen wieder ihr ganz eigenes Flair. Genau so widersprüchlich wie dieser bedrückende Betonklotz mitten in der Natur, auf dem sie spielen, erscheint auch ihre Musik. Schaut ihn euch an, wie er da steht, so hoch und so ätzend grau im saftigen grünen Wald. 

Versteht es bitte nicht als Kritik, ich mag diese Gefühle beim Hören, die man nicht richtig einordnen kann. Als ob man sich wieder in das pubertierende Arschloch verwandelt, das wir alle einmal waren (… und manche immer noch sind). In einem Moment lacht man wie ein Irrer und im anderen weint man schon wieder Bäche der Verzweiflung. Mein Gott, wie beschissen diese Zeit doch war. Sollte mir mein damaliges Ich heutzutage nochmals über den Weg laufen, würde ich ihm wohl oder übel ganz einfach die Fresse polieren. So viel dazu. Aber zurück zu diesem speziellen Sound, den wir hier hören, der dir wie ein bitterböser Meskalin-Trip ein unangemeldetes Gefühlschaos beschert. Düster und doch heiter, grau und doch bunt, beklemmend und doch so frei. Eigentlich wie der Soundtrack bei einem Stanley-Kubrick-Film. Genau diesen einzigartigen Vintage-Electro-Charakter bekommen Another Vision anscheinend ganz problemlos hin. Wie das? Man höre und staune, weil sie eine wirkliche Band sind und nicht alles aus irgendwelchen Softwares herausziehen. Ja, sogar Depeche Mode haben einen Gitarristen als festes Mitglied. Muss ich noch mehr sagen? Ich glaube nicht … Genau so stellten sich die Leute in den 80er-Jahren den Sound der Zukunft vor und bei solchen Synth-Klängen gibt es auch für mich kein Halten mehr.

Wer immer noch denkt, dass heutzutage keine authentische Musik mehr zustande komme, der höre einfach nicht mehr hin und verschließe sich vor dem Fremden. Wenn ich solche Perlen wie diese Band entdecke, beweist es mir immer noch, wie viel Gutes sich unter dem ganzen Müll versteckt. Auch das neue TOOL Album ist eine Bombe, was will man also mehr? Ich bin jedenfalls der Meinung, dass wir uns in einer grandiosen musikalischen Ära befinden und Bands wie Another Vision erinnern mich wieder daran. Genießt also einfach dieses neue Video und freuen wir uns jetzt schon auf ihre neue EP, die voraussichtlich im Dezember 2019 erscheinen soll …

Sogar der ätzend graue Betonfreund im Video erstrahlt am Ende. Zum Schluss wird auch komplett alles losgelassen und in die endlosen Weiten geschossen. Das große Finale, alle Instrumente auf Hochtouren. Das Schlagzeug spielt sich um den Verstand, die Gitarre gerät in Ekstase, der Synth dröhnt wie ein Hochseedampfer und dann: Bäm! Wie das Feuerwerk über dem beknackten Schloss im Disneyland, nur weniger kitschig versteht sich. Als ob sie samt diesem riesigen Betonklotz wegfliegen würden, in der Luft explodieren und dann wie Sternenstaub auf unsere Köpfe niederregnen. Tschüss Another Vision und schönen Release-Tag.    

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