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July 23, 2019

Klangbilder, wortwörtlich: Ein Jahr mit Benjamin Tomasi

Maria Oberrauch

Der Raum, die Technik, manchmal der Mensch als aktives Element an der Schaltung. Das Licht, grundsätzlich entweder dumpf oder in so grellen Spots, dass es mehr verdeckt, als zeigt. Dann wieder als Wimpernschläge synchron mit den Auszuckern der Klangmuster. Kellerlicht auf dem Boden. Ein mehrgleisiges Konstrukt, das gerade in seinem Minimalismus sichtbar wird. Ein rhythmisierendes Element, selbst wenn es keinem Takt folgt, und eines darüber oder darunter, hörst du, ich gehe auch noch dort hin, ich könnte überall hin, wenn ich wollte. Es fängt an zu rauschen, zu rauchen, zu schwaden, zu nebeln, zu funken und ganz nebenbei hat sich das Auditiv verändert und ich bemerke es nicht gleich, ich war abgelenkt, obwohl ich so gut aufgepasst habe. Ja, es ist ein Feuer darin, wirkt der Rauch sich auf den Klang aus? Ich werde andauernd hingehalten, denn jedes wievielte Mal wird im Monoton doch etwas geändert, hinzugefügt, weggenommen, gesteigert, gesteigert, abgetaucht, bis man einfach nur mehr da ist, bis man einfach nur mehr hört und an keine Zukunft und an kein Ende denkt. 

hall_benjamintomasi

„Klang kann unsere subjektive Wahrnehmung der Realität verändern, uns an Gegebenheiten in unserer Geschichte erinnern oder uns von einem Moment auf den anderen emotionalisieren. Klang wirkt auf die Psyche und den Körper. Womöglich mehr als uns bewusst ist.“ Benjamin Tomasi, bildender und Sound Art Künstler in Wien, war 2018 mit einer Performance mit Samuel Schaab als Duo Hall unterwegs, mit „Synthesizer, Rhythmusmaschinen, Flammendrones, Windrecordings und Sprachfragmenten aus der Unsichtbarkeit“. Im interdisziplinären Klangfarben Atelier 2018 arbeitete er mit Fabian Baumgartner, Samuel Schaab und Moritz Meixner an neuen musikalischen Wegen. Die Gruppenausstellung „sonic objections“ des Kulturvereins „Weißes Haus“  in Wien und am Bodensee widmete sich der österreichischen Sound Art. Im „Pferd“ in Wien agierte Tomasi mit E-Gitarre und Körper auf der Bühne, er performte in Bø (Norwegen), Wien, Völs und anderen Orten, draußen, drinnen, als Weg, auf der Koppel, in Steinkellern und im Schloss von Raum zu Raum. franzmagazine begleitet seine Reise durch und mit Klangbildern, schaut zurück und vor und zu…

Das Wasser rinnt, es sind die Fäden, die sich durch die Luft nach unten ziehen, manchmal auch nach oben, so scheint es fast. Die weiße Fläche schwimmt so leicht, so schwer, wie macht sie das, da oben steht die Stange in die Luft, dort unten hängt ein Schlauch irgendwohin ins Blau gewunden, das weiße Floß, es ist so langsam, warum ist alles so langsam und doch immerzu in Bewegung? Kein Halt, kein Ziel, nur gewölbte Oberfläche und der große Raum, geleert durch Spannung. – Die installative Videoarbeit „DOCCIA – Aloha Amalienbad“ schwamm im Mai 2018 durch das historische Wiener Amalienbad, vorher bereits in einem venezianischen Kanal im Rahmen der OPEN 09. 

Mit seiner Schwester, der Tänzerin Claudia Tomasi, entwickelte Benjamin Tomasi im Geburtstort Völs verschiedene Performances: „Little Arizona“,„Kraschgl“  oder „Plas“ leisten bewegte Übersetzungsarbeit: In „Plasm“ beispielsweise berühren sich Bewegung und Sound subtil, das Erlebnis ist umfassend: Bewegung entsteht in somatischen Praxen der Tänzerin und Klang wird durch Sinuswellen, elektromagnetischen Induktionen und Algorithmen generiert. – Jeder Körper und jedes Objekt, Molekül oder Atom ist in Schwingung. Kräfte wirken ein, sie drücken, streifen, pressen, legen an, schwingen und schwingen zurück von dem, was der Körper nach außen wirft. Unsichtbare Muster entstehen, der Ton und der Tanz bilden eines, sie wirken auf den Löffel, der in den Mund geschoben wird und was auf ihm liegt: Körniges, Weiches, Salziges Süßes, Konsistenz. Die Bewegung legt sich auf die Zunge und dreht sich in neuen Schwingungen zu und alle Sinne spielen das Spiel der gegenseitigen Berührung.

plasm_benjamintomasi

Auch „And I will take you to Paradise“ kombiniert die Klanginstallation 800/20 mit zeitgenössischem Tanz. Im Mittelpunkt der Installation steht das Flackern einer Kerze im offenen Raum. Jede zufällige Luftbewegung kann die Flamme löschen und der Zyklus selbst ist ständig am Rande des Zusammenbruchs, denn was er produziert, ist das, was ihn zusammenbrechen lässt: Luft. In der Bewegung ergänzt die Tänzerin Claudia Tomasi Klang und Objekt: In Ritual, Geste und Trance bewegt sie die Frage nach der Eigenverantwortung und der Verantwortung für ein Gegenüber. Sind wir dem Lauf der Dinge ausgeliefert? Oder sind wir für unseren jeweiligen Zustand voll verantwortlich? Was bewirkt das Flackern der Flamme im Kreislauf und was macht der Kreislauf mit ihr? 

Benjamin Tomasis Fokus verschiebt sich seit mehreren Jahren in Richtung Tonarbeit, verliert aber nie den Bezug zum Bildenden. So entwickelte er für die Südtiroler Architekturzeitschrift Turris Babel ein Fotoessay über die Südtiroler Bunker. Sein Motor: „Die Neugierde, herauszufinden wie etwas anders oder besser geht. Jede einzelne Idee verlangt etwas anderes von mir und ich lass mich gerne durch meine Intuition leiten. Es ist ein Netz aus verschiedenen Ansätzen …, je mehr ich an dem Netz arbeite, desto unübersichtlicher wird es. Mit etwas Abstand fallen die Gemeinsamkeiten auf, die Reduktion auf die wesentlichen Bestandteile einer Arbeit, beispielsweise. Die Formfindung liegt in der Reduktion und im Weglassen. Was braucht es, damit die Idee noch funktioniert, bzw. was ist Ballast und macht es nicht besser? Was inspiriert, sind die Menschen. Alltägliche Geschichten, zufällige Begegnungen. Und Reisen. Neue Orte inspirieren mich sehr.“ 

Es wird so weitergehen, die Kooperationen sind langfristig und die Aufarbeitung der letzten Projekte noch lange nicht abgeschlossen. Was daraus noch entstehen kann, muss gefunden werden, mit Zeit, Ruhe und Geduld. Ein Plan, der manchmal vom eigenen Drang nach dem Tun durchbrochen wird, gesteht Benjamni Tomasi. „Ich bin meistens zu ungeduldig, die Ruhe fehlt mir und die Zeit sowieso“. 2019 ist er über die europäische Plattform MAGIC CARPETS auf die Prague Biennale Foundation, eine Künstlerresidenz in Prag, eingeladen. MAGIC CARPETS ist ein mehrjähriges internationales Förderungsprojekt, das den künstlerischen Austausch aufstrebender Talente fördert und in ihren Ideen und Expertisen Synthesen zwischen lokaler und globaler Wirklichkeit sucht. Insgesamt 13 Kultur- und Kunsteinrichtungen aus EU-Mitgliedsländern sowie EU-Beitrittskandidaten sind am Projektbeteiligt, u. a. Österreich mit „openspace.innsbruck – Verein zur Förderung der Alltagskultur“. Vielleicht entsteht neues in Prag, vielleicht wird etwas Bestehendes neu betrachtet. Zugänge gibt es viele, Frequenzen sowieso. Benjamin Tomasis künstlerisches Konstrukt baut sich aus der Waaghaltung von Performativem und vielseitig sensorischer Produktion. So können Momente entstehen, die ab einem gewissen Punkt nicht mehr Betrachtung, sondern nur mehr Wahrnehmung sind, aus der jeder Rahmen entfällt.

Videos und Fotos: Benjamin Tomasi

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