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July 12, 2019

Eine neue Art von Entertainment für Südtirol: Giafatto

Verena Spechtenhauser

Rom, München und L.A. waren nur einige der beruflichen Stationen von Philipp Moravetz und Lynn Inglese. Die beiden Filmschaffenden arbeiteten international unter anderem für bekannte Namen wie Warner Bros., Dino de Laurentiis Company oder BMS. Bis sie beschlossen nach Südtirol zurückzukehren, um von Bozen aus unter anderem für Echo Film im Filmbusiness mitzumischen. Mit ihrer 2018 gegründeten Filmproduktionsfirma Giafatto Entertainment entwickeln sie seitdem hochwertige Filme für den nationalen und internationalen Markt. Ihren Schwerpunkt legen sie dabei auf fiktionale, dokumentarische und Werbefilmproduktionen. “Wir wollen nur mehr jene Filme machen, die uns gefallen”, sagen Inglese und Moravetz unisono. Unter anderem werden sie im Sommer 2020 als Serviceproduzenten beim Serienprojekt “Wild Republic” der Münchner Leilaps Pictures unter der Regie von Markus Goller und Lennard Tuff mitarbeiten, bei dem es um eine Gruppe junger Straftäter geht, die an einem experimentellen Resozialisierungsprogramm teilnehmen. Nun  haben sich die beiden Geschäftspartner dazu entschlossen, ihr Angebot auszubauen und sich mit Hilfe neuer Kommunikationskanäle ein zweites Standbein zu schaffen, das nichts mit der Filmbranche zu tun hat. “Wir sind beide Technikfans und möchten gerne eine neue Art von Entertainment nach Südtirol bringen”, erklärt Philipp Moravetz. Worum es sich dabei genau handelt, wie alles begann und woher sie ihren kuriosen Firmennamen haben, erfahren wir von den beiden Boznern im Gespräch:

Die wichtigste Frage zuerst: Wie seid ihr auf den Namen “Giafatto” gekommen?

Philipp: Das ist eigentlich eine lustige Geschichte: Während meines Studiums am Centro Sperimentale in Rom wurde “Giafatto” zu meinem Übernamen. Jedes Mal wenn ein Studienkollege mich gefragt hat, ob ich eine Aufgabe bereits begonnen hätte, habe ich ihm mit eben diesem “Giafatto” geantwortet. Ich habe dann beschlossen, sollte ich jemals eine Dienstleistungsfirma haben, werde ich dem Unternehmen diesen Namen geben. Und, was soll ich sagen, der Name ist bei uns Programm. Das heißt, wenn wir ein Projekt annehmen, versuchen wir es in der schnellstmöglichen Zeit abzuschließen und gehen so wenige Kompromisse wie möglich ein. Sobald uns klar ist, dass ein Projekt aus irgendwelchen Gründen nicht verwirklicht werden kann, haken wir es ab und wenden uns dem nächsten zu.

Giafatto_mazdaSpace

Woher kommt eure Passion für das Filmbusiness?

Lynn: Das Medium Film war für mich schon immer eine Passion. Meine Eltern hatten in Bozen eine Videothek, die zu den allerersten in Italien gehörte. Dadurch bin ich mit Filmen schon sehr früh in Kontakt gekommen und seitdem hat mich der Reiz an diesem Medium nicht mehr losgelassen.

Philipp: In meiner Familie wird erzählt, dass ich schon mit acht Jahren beim Abspann eines Filmes zu meiner Mutter gesagt habe: “Mama, das ist alles die Schuld der Produzenten.” Ohne eigentlich überhaupt zu wissen, was ein Produzent ist oder macht. Mit 14 habe ich dann meine erste Kamera bekommen und begonnen, meine gesamte Jugend zu filmen. In dieser Zeit haben Lynn und ich auch unsere erste “Firma” mit dem Namen “Just For Fun” (JFF) gegründet. Wir haben unter anderem für den Fakie Shop die ersten Skate- und Snowboard-Videos produziert. So hat unser gemeinsamer Werdegang eigentlich begonnen, auch wenn er anfangs immer unter dem Motto “Just For Fun” stand.

Lynn: Ich bin dann anschließend nach München und habe dort an der “Medienanstalt für Bild und Ton” studiert …

Philipp: … und ich habe ein paar Jahre in München im Filmbusiness gearbeitet und habe dann beschlossen, in Rom Filmproduktion zu studieren.

Wie können wir uns eure Arbeit vorstellen?

Lynn: Wir entwickeln Drehbücher für Fernseh- oder Kinoformate, um daraus alle paar Jahre selbst etwas zu produzieren. Daneben bieten wir Serviceproduktion für interessante Projekte oder Unternehmen, mit denen wir in der Vergangenheit tolle Zusammenarbeiten hatten. Das heißt wir übernehmen jegliche organisatorische Arbeit, von der Verwaltung über das Catering bis hin zu Unterkunft und Personal.

Philipp: In Zukunft möchten wir aber weg von der Auftragsarbeit und dafür mehr in Richtung Co-Produktion gehen. Wenn wir unsere eigenen Projekte verwirklichen, bedeutet das für uns, dass wir  auch Teile der Filmrechte behalten, was bei einer Auftragsarbeit nicht der Fall ist. Um uns dieses Ziel zu ermöglichen, haben wir beschlossen, uns von anderen Produktionsfirmen abzugrenzen und unser Angebot zu erweitern.

Das klingt sehr spannend. Könnt ihr uns mehr darüber erzählen?

Philipp: Wir haben den Schritt gewagt und uns dem Konzept der Virtual Reality (VR)  und der Hologrammprojektionen angenähert. Es sind beides Medien, die nicht 1:1 mit der Filmproduktion gleichgesetzt werden können, sondern einen Schritt weitergehen. Uns war es wichtig, eine Marktlücke zu finden, ein Instrument zu besitzen, das in Südtirol und Norditalien noch nicht verwendet wird. Nach langen Recherchen haben wir einen All-in-One-Plug-and-Play-Projektor entdeckt, ein Videobeamer, der ohne zusätzliche Hardware funktioniert und einfach mit einem Smartphone oder einem anderen drahtlosen Gerät verbunden werden kann. Der Player kann alle VR- und 360-Grad-Inhalte auf eine Spannweite von 180° x 120° projizieren und ist besonders für Museen oder Hotels geeignet, wo mehreren Personen gleichzeitig kurze 4–5 minütige Inhalte gezeigt werden. Das Tolle ist auch, dass der MK Player es erlaubt, den Content ohne Brille anzuschauen und somit vermieden werden kann, dass dem Zuschauer schlecht wird, was beim Benutzen der Brillen leider des öfteren vorkommt. 

Lynn: Das Coole an dieser neuenTechnologie ist die Tatsache, dass man denselben Raum jeden Tag neu bespielen kann und dadurch unterschiedliches Ambiente kreieren kann – ideal zum Beispiel für Restaurants oder Autohäuser. Unsere Aufgabe mit Giafatto Entertainment ist es also, neue Raumkonzepte zu entwickeln. Daneben helfen wir aber auch, individuelle VR-/360°-Inhalte zu erstellen, damit der Kunde so viel wie möglich von seinem MK Player profitieren kann.

Giafatto©AlexFilz-0499

Und woher stammt eure Idee, Hologramme zu projizieren?

Philipp: Die Hypervsn-Hologramm-Ventilatoren von Kino-Mo hat meine Freundin Sophia auf der MWC Barcelona, einer Messe für Technikinnovationen, entdeckt und war sofort davon begeistert. Das sind im Prinzip nichts anderes als Leuchtschriften bzw. schwebende 3D-Visualisierungen, welche mit Hilfe eines sich drehenden Ventilators optisch in der Luft verteilt werden. Somit wahrt das Logo den Anschein in der Luft zu fliegen. Dadurch, dass diese Ventilatoren bei uns noch nicht wirklich bekannt sind, entwickeln sie sich zu wahren Publikumsmagneten, wie wir auch auf der Messe Bozen beobachten konnten, wo wir den Ventilator unter anderem eingesetzt haben.

Lynn: Es sind richtige Eyecatcher, die den Kunden fast schon magisch zum Verkaufsstand locken und es dadurch erleichtern, ein Gespräch zwischen Kunden und Verkäufer in Gang zu bringen.

Ein zweites Standbein also, welches eigentlich nichts mit dem Filmbereich zu tun hat …

Lynn: Das stimmt. Uns war es wichtig unsere Angebotspalette durch Produkte zu erweitern, welche in Norditalien noch niemand hat und die sich mehr den Bereichen Messe, Hotellerie, Eventveranstaltungen zuwenden. Es ist ein zweites Standbein, welches uns dabei helfen soll, in Zukunft unsere Projekte im Filmbereich noch deutlicher nach unserem Geschmack aussuchen zu können. Wir möchten nämlich auch noch weiterhin spannenden Content kreieren, dies liegt uns im Blut.

Philipp: Wir haben diese Entscheidung ganz bewusst auch aufgrund unseres Standortes getroffen. Denn es ist einfach Tatsache, dass wir in Bozen nie eine so große Produktionsfirma werden können wie zum Beispiel in München, Berlin oder Rom. Die Voraussetzungen sind hier limitiert. Dies hat uns unsere Erfahrung der letzten Jahre gezeigt. Und darauf haben wir nun reagiert und bieten zusätzlich Entertainmentgeräte an, wie es der Name unseres Unternehmens klar vermittelt. 

Giafatto

Fliegender Themenwechsel: Ihr habt gerade das Südtirol Jazzfestival Alto Adige filmisch begleitet …

Philipp: … eines unserer absoluten Herzensprojekte. Bereits seit drei Jahren begleiten wir das Festival zehn Tage lang durch ganz Südtirol. Es ist ein Projekt, das uns verkörpert, weil wir mit Leidenschaft dabei sind und gleichzeitig auch Südtirol immer wieder neu kennen lernen.

Lynn: Wir haben das Glück, dass wir trotz 20-Stunden-Tage nie das Gefühl haben, zur Arbeit zu gehen. Wir treffen uns wie Freunde und zu 99  % macht uns das, was wir machen, so viel Spaß, dass wir eben auch lange Arbeitstage ohne größere Probleme meistern.

Habt ihr ein Lieblingsprojekt, auf das ihr gerne zurückschaut?

Philipp + Lynn: An unsere Mitarbeit bei der schwedischen Produktion Force Majeure von Ruben Östlund denken wir sehr gerne zurück. Der Film spielte eigentlich in Frankreich, wurde aufgrund der tollen Straße aber am Stilfser Joch gedreht. Ruben Östlund macht Art House Filme auf hohem Niveau. Es war ein tolles Feeling, auch unter den MitarbeiterInnen. 

Worauf können wir uns in Zukunft noch freuen?

Philipp: Wir arbeiten gerade an unserem ersten selbstentwickelten Filmprojekt. Der Autor und Regisseur, mit dem wir zusammenarbeiten, ist Ofir Raul Graizer, stammt aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Tel Aviv und lebt in Berlin. Kennengelernt habe ich Graizer auf einem Filmfestival in Macao (China). Sein erster Film, The Cakemaker, wurde von der Kritik international groß gefeiert. Die Erzählweise des  Films hat mich persönlich sehr berührt und ich wusste, ich will unbedingt ein Projekt mit ihm zusammen machen. Wir möchten nun mit seinem zweiten Film “The Dream of the Shepherd” an den Erfolg anknüpfen. Es wird ein Autorenfilm, der hauptsächlich in Berlin spielen wird, und wir freuen uns wirklich sehr, dass wir es schaffen, damit unserem Ziel einen Schritt näher zu kommen –nämlich mit Giafatto Entertainment internationale Filme zu produzieren, wie in diesem Fall mit einem israelischen Regisseur und einem deutschen Co-Produzenten. Es ist uns wichtig zu betonen, dass unser Anspruch nicht darin liegt, Produktionen nach Südtirol zu holen, sondern international zu drehen und zu arbeiten.

Fotos: (1–3) Alex Filz; (4) Giafatto Entertainment

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