Music

June 28, 2019

Der abstrakte rote Faden: Pedro Melo Alves

Florian Rabatscher

Denkt man an die leuchteten Sterne in der Musikbranche, fallen einem als erstes meistens Sänger oder Gitarristen ein. Ohne diese Zugpferde wäre das alles doch nur ein Haufen Mist. Ja, die Rhythmusfraktion gibt vielleicht den Takt an, mehr aber nicht. Gütiger Gott, wie falsch kann man da nur liegen? Es gibt auch Leute, die denken, die Erde wäre eine Scheibe und der Rapper 2Pac nicht tot, sondern lebe glücklich auf Kuba … Was eigentlich auch stimmen könnte, denn warum bringt dieser Typ immer noch ständig neue Songs auf den Markt? Naja, vergessen wir das lieber … Fakt ist, das Schlagzeug ist mehr als euch manche einreden möchten. Kinder, zum Beispiel, verlieben sich meistens als erstes in dieses Instrument. Natürlich wird ihnen dann sofort von ihren Eltern ein anderes, sagen wir stilleres, Instrument schmackhaft gemacht. „Warum ein Schlagzeug, Junior? Versuch’s doch erst mal mit Blockflöte, darauf stehen die Leute.“ Ja, genau, und der verdammte Storch bringt die Kinder, die dann vom Spinat bärenstark werden.

Um solche dreisten Lügen zu widerlegen, lädt das Südtirol Jazzfestival den außergewöhnlichen Drummer Pedro Melo Alves ein. Der aus Porto (Portugal) stammende Musiker begann seine musikalische Laufbahn mit dem Schlagzeug und nicht mit einer Blockflöte, liebe Eltern, merkt euch das. Im Jahr 2000 studierte er an der Escola Valentim de Carvalho Musiktheorie, schrieb sich 2011 für den Oberstufenkurs „Jazz Drums“ an der „Porto Superior School of Music“ (ESMAE) ein, den er 2013 verließ, um klassisches und Jazz-Piano bei Abe Rabade und Daniel Bernardes zu studieren. Durch die Teilnahme an Workshops in Portugal, Spanien und Italien lernte er einige wichtige Persönlichkeiten der Jazz-Szene, wie Ralph Alessi, Danilo Perez und John Escreet, kennen. 2015 nahm er noch am Oberstufenkurs für Musikkomposition an der „Lisbon Superior School of Music“ (ESML) teil. Ich glaube, nach so einem Curriculum brauche ich nicht noch extra zu erwähnen, dass dieser junge Mann sein Geschäft versteht. Deshalb ist es auch verständlich, dass er während des Jazzfestivals nicht nur einmal auftritt, sondern sich mit mehreren verschiedenen Projekten durch das Festival in euer Gedächtnis hämmert. Seine vielseitigen und natürlich freien Rhythmen ziehen sich also wie ein abstrakter roter Faden durch das gesamte Programm …

Als erstes erleben wir ihn mit „symph“ am 01.07.2019 im Sudwerk in Bozen:
In einem Late-Night-Konzert im Sudwerk des Batzenhäusl versetzt diese Formation aus Portugal eine der „klassischen” Besetzungen des Jazz in eine musikalische Terra Incognita, wo es scheppert, pfeift, dröhnt und rauscht. Dabei wird der Sound der akustischen Instrumente auf der Bühne elektronisch verfremdet, die Improvisationen folgen der Tradition des Free Jazz. Das Ergebnis? Eine Abenteuerfahrt zu neuen Ufern, zwischen Gegenwart und Vergangenheit, Frage und Antwort, Attacke und Resonanz.

 Am 02.07.2019 mit „The Rite of Trio“ in der Kellerei Bozen:
 Das Südtirol Jazz Festival debütiert vor dem futuristischen Neubau der Kellerei Bozen. In die Zukunft weisend ist auch die Musik, die dort gespielt wird. Das an diesem Abend durch die junge Sängerin Beatriz Nunes verstärkte Trio, dessen Debütalbum „Getting all the Evil of the Piston Collar“ mehrfach ausgezeichnet wurde, feiert mit seinem musikalischen „Ritus“ die Evolution des Lebens – und bewegt sich mit traumwandlerischer Sicherheit und jenseits aller Konventionen zwischen Post-Rock und Jazz.

Am 04.07.2019 im Museion 4th Floor als „Branco/Melo Alves“:
Ein improvisierter Dialog im Museion: In der Ausstellung des Künstlers Haim Steinbach gastieren zwei Spitzenkräfte der jungen Szene aus Portugal. Kritiker haben den 1991 in Porto geborenen Drummer Pedro Melo Alves als „Wunderkind“ des portugiesischen Jazz beschrieben. Der in Lissabon geborene Pedro Branco spielt mit dem Bassisten João Hasselberg aufregende Kammermusik. Was beide Musiker verbindet? Die Neugier, der Mut zum Risiko – und die Suche nach Räumen, in denen alles möglich ist.

Und noch am 05.07.2019 mit „Pedro Melo Alves‘ In Igma“ im NOI Techpark:
Für dieses Konzert im NOI Techpark hat Pedro Melo Alves eine Wundertüte voller Überraschungen zusammengestellt. Vorne stehen mit der Frontfrau der Band Madredeus, Beatriz Nunes, mit der in der brasilianischen Tradition, in der zeitgenössischen E-Musik und im Gegenwartsjazz beheimateten US-Amerikanerin Aubrey Johnson sowie mit Mariana Dionísio gleich drei Sängerinnen. Hinten arbeiten der Ausnahmebassist Mark Dresser und Eve Risser, die auf ihrem Klavier die Grenzen des Jazz überfliegt.

… wie vielseitig ein Schlagzeug doch verwendbar ist. Ringo Starr, John Bonham, Keith Moon – keine Frage, alles Legenden dieses Instruments. Trotzdem, Rock’n'Roll enthielt immer schon für jeden verständliche und deswegen tanzbare Rhythmen. Auch wenn es einem laut und wild erschien, eine gewisse Regelmäßigkeit war immer vorhanden. Aber Pedro Melo Alves liefert uns völlig neue und für uns unbegreifliche Rhythmen, er steuert sein Drumkit wie ein Raumschiff in unbekannte Sphären. Sehen wir ihn deshalb als Wissenschaftler, der ständig nach neuen Ausdrucksformen sucht, und wir können ihn sogar live dabei beobachten. Also bitte ich euch, in Zukunft diesem Instrument etwas mehr Respekt entgegen zu bringen. Es sind nicht nur Trommeln, es ist eine Wissenschaft für sich und sogar wichtiger Bestandteil in manchen Kulturen. In Afrika haben Trommler z. B. dasselbe Ansehen wie ein Arzt oder ein Anwalt. Oh ja, denkt mal drüber nach …  

Foto: Fausto Da Silva  

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