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June 20, 2019

SMACH 2019: Das Wort oder der Ort oder das Gefühl oder die Erinnerung Heimat

Maria Oberrauch

SMACH die Vierte ist wieder bereit für einen Sommer der Skulptur! Am 6.7.2019 ist Eröffnung: Vernissage um 18 H im Museum Ladin Ciastel de Tor in San Martin und Opening Party um 20 H in der Ciasa dl Maier, Picolin 36 in San Martin. Das  Land-Art-Projekt wurde im Jahr 2012 in St. Martin in Thurn im Gadertal gegründet und findet seither in der Tradition einer Biennale über die Sommermonate statt. Zwischen alpinem Wald, hinauf zu hochgelegenen Weideflächen, unter den großen Gipfeln des Fanesgebirges und der Geislergruppe, hinunter Richtung Dorf, zu wettergegerbten Schupfen, geschichtsschweren Gebäuden und landwirtschaftlichem Grün sprießen auch dieses Jahr wieder Kunstwerke aus dem Boden, oder sie schwimmen. Die Freilichtausstellung macht dabei ohne Schleier oder Abgehobenheit das zu ihrem Referenzpunkt, was einem vor der Nase liegt: die Natur. Eingeprägte Postkartenansichten werden „gestört“, verinnerlichte Vorstellungen hinterfragt, neue Perspektiven geöffnet, auf die zweifelsfrei einmalig schöne Landschaft des hinteren Gadertals. Die Ladiner wissen um diese Schönheit, umso erfreulicher ist, dass sie sich nicht damit begnügen, sondern den Weg zu neuen Betrachtungsweisen ebnen. Und so wird die Landschaft Schauplatz künstlerischer Kreationen, zugeschnitten auf ihre jeweiligen Standorte.

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Das zentrale Wort dieser vierten Edition war Heimat, „wobei es sich keineswegs um ein einfaches Substantiv handelt“, denn für das Wort Heimat gibt es in vielen Sprachen, wie beispielsweise auch im Englischen und Italienischen, keine wirkliche Entsprechung. Heimat bedeutet viel mehr als Heimatland oder Geburtsort, es geht um Identität, die Gesamtheit aus geteilten Werten, welche aus Kindheit, Erinnerung und Ursprung die Bindung zu einem Ort und einer Gemeinschaft gestalten. So ungefähr wird die Wahl dieses schwerwiegenden Begriffs von SMACH erläutert, ich ergänze um eine kleine Anmerkung: Im Guten wie im Schlechten.

Im Herbst 2018 wurde der internationale Kunstwettbewerb ausgeschrieben, eine fünfköpfige Jury entschied aus über 500 Einreichungen, welche Werke dieses Jahr gezeigt werden. Die Juroren Gehard Demetz, Gianluca D’Incà Levis, Guus van den Hout, Julia Bornefeld und  Michael Petry haben sich mit ihrer Entscheidung nicht leicht getan und neben den zehn Gewinnern auch noch fünf weitere Projekte lobend erwähnt. Prämiert wurden Qai Jiangs gepflanzte Stangen in „Garden“, Alehmeh und Shahed Mohammadzadehs Grundfarbenkreise „The sun“, Demian Keihlers Wortinstallation „Stille Heimkehr“, Conor McNallys architektonische Struktur „Ciasa“, Arianna Moroders textile Anordnung „Homestead“, Anuar Portugals in den Boden versenkte Zuschauerplätze „Junín“, Elisabeth Eiter mit dem Gletscherzitat „dem Ferner näher“, Isabell Patscheiders schwimmende Insel „In me“, Nazar Bilyk mit rahmenden „quotes“ sowie Volnas Perspektive „Vague“. 

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Wer den Sommer in anderen Teilen der Welt verbringt, was ja angesichts der Fluten von bergbegeistertem Tourismus nicht zu verdenken ist, kann die Idee von SMACH noch anders erleben. Denn das Projekt ist über die Jahre gewachsen und so wurde 2018 der Kulturverein SMACH gegründet, um neben dem zweijährigen Kunstwettbewerb auch das Künstlertal Val dl’Ert  zu entwickeln und zu begleiten. Im Val dl’Ert bei St. Martin in Thurn kann man nun ganzjährig an abgelegenen und unberührten Stellen zwischen Wald und Wiesen die Werke von Künstlern aus aller Welt erblicken. Manche Skulpturen aus den letzten Editionen wurden angekauft und finden hier ihren dauerhaften Platz. Kunst und Natur befinden sich dabei immer in einem Prozess des Wandels, denn die Natur verändert ihr Angesicht von Tag zu Tag und die Sammlung selbst wird mit jeder neuen Ausgabe von SMACH erweitert.

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Die neu prämierten Skulpturen des diesjährigen Wettbewerbs  wurden in den letzten Tagen aufgebaut, über viele Höhenmeter verteilt, von Fanes bis Senes, von Pares und Forcela de Furcia bis Chi Jus, Picia Pütia und Ciastel de Tor. Sprache, by the way, ist auch irgendwo Heimat, das wissen die Ladiner nur zu gut. Wenn wir also vielleicht tatsächlich soweit sind, uns das Wort oder den Ort oder das Gefühl oder die Erinnerung Heimat von der Kunst vor Augen führen und erläutern zu lassen, wenn wir dorthin gehen, zu den altbekannten Aussichten und in der Lage sind, den Blickwinkel auf unsere Umgebung neu zu ordnen, dann dürfte es vielleicht doch nicht ganz schlecht bestellt sein, um uns, die wir dieses Wort oder den Ort oder das Gefühl oder die Erinnerung irgendwo mit uns herumtragen und oft viel zu viel hineinlegen, hier, in Südtirol.

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Fotos: Gustav Willeit ­

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