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June 12, 2019

Die VinTAGE der Judith Bradlwarter

Maria Oberrauch

Ich weiß, mein Blick bliebe an ihr hängen, würde ich ihr in den Straßen Wiens begegnen. Wie aus einer anderen Zeit wirken die Looks von Judith Bradlwarter,  das ist nicht nur ein bisschen Vintage, es ist Nostalgie pur, von oben bis unten, verfeinert mit Pop und Humor. Dann kommt noch der Rahmen dazu: Kunst, Kunst, Kunst. Kultur, Mode, Reisetipps, alles vereint sich in der Figur Judith Bradl, hier und dortzulande, vor allem aber stets über das große Netz: Sie ist Instagrammerin, Kunsthistorikerin, Kuratorin, Bloggerin. Wie, wo, was in welcher Reihenfolge? Vielleicht klärt das mein Versuch, herauszufinden, welche Frau hinter dem Projekt AtelierJudith steckt …

Vintage, das ist  Mode, Lebensstil, Kulturgeschichte. Was reizt dich daran? 

An Kunst, Kultur und Mode reizen mich vor allem ihre Ästhetik und Geschichte und das bereits seit Schulzeiten. Ein alter oder gebrauchter Gegenstand ist sehr viel spannender ist als ein neuer, mich fasziniert vor allem der Charme des handgemachten und einzigartigen alten Objektes, das nicht wie ein modernes Teil tausendfach maschinell produziert wird. Außerdem hat sich in mein Gedächtnis die Nostalgie nach einer stilvollen, vergangenen Zeit eingeprägt, in der ich gerne gelebt hätte. Ich bin davon überzeugt, dass sich die Leute in den 1920er-Jahren eleganter und mit mehr Stilbewusstsein gekleidet und verhalten haben, als heutzutage. 

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Ziemlich zukunftsorientiert dagegen ist deine Nutzung der sozialen Medien. Instagram ist das neue Fotoalbum …

Ich bin sehr überzeugt vom bekannten Spruch: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.“ Auch wenn ich über meinen Blog gerne mehr zu den Hintergründen der Bilder erzähle, so ist mir die Kommunikation mittels Bildern enorm wichtig. Instagram ist dafür das ideale Medium, vor allem weil mir bewusst ist, dass der Durchschnittsnutzer nicht einmal den Untertitel liest. In unserer schnelllebigen Gesellschaft sind Bilder aussagekräftiger und ohne Instagram könnte ich mir auch nicht vorstellen, meine Ideen zu vermitteln. Es ist mittlerweile mein öffentliches Portfolio. 

Warum ein eigenes Kunst- und Lifestyle-Magazin? 

Die Idee hinter AtelierJudith.com ist es, den Menschen alternative Denkweisen im Bezug auf Kunst und Mode näher zu bringen. Leider musste ich sehr früh in meinem Leben feststellen, dass wir in einer Massengesellschaft leben, in der kaum jemand auffallen oder herausstechen will. Mir ist es hingegen ein Anliegen zu zeigen, dass man sehr wohl auch „anders“ sein kann und seinen eigenen Weg finden soll. Immer wieder spreche ich mit Followern oder Lesern meines Blogs, die sich selbst noch nicht trauen, etwas zu tragen oder sagen, was eventuell nicht in das gesellschaftliche Schema passt. Ich versuche diese Leute zu ermutigen und gleichzeitig meine eigenen Erlebnisse zu verarbeiten. 

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Entwickelst du Konzepte für deine Vintage Looks oder fügt sich das „Richtige“ einfach zusammen? 

Die meisten Kombinationen ergeben sich im Kopf, dabei denke ich eigentlich kaum lange nach. Ich versuche immer wieder mit denselben Kleidungsstücken neue Kreationen zu schaffen, da ich kaum denselben Look zwei Mal trage. Dabei achte ich vor allem auf kleine, aber nicht unwichtige Details wie Schmuck, Tücher, Gürtel oder Schuhe. Inspirationen dafür finde ich vor allem auf meinen zahlreichen Reisen, Besuchen von Flohmärkten und Stöbern in Modebüchern. 

Stichwort Reise: Auch das Erleben von neuen Orten verlagert sich heute immer mehr auf den Blick durch das Insta-Auge. Du portraitierst Städte und ihre Vintage-Ecken. Greifst du selbst noch zum klassischen Reiseführer?

Als Reisevorbereitung erstelle ich meist einen sehr genauen Plan, welcher vor allem aktuelle Ausstellungen sowie Vintage-Shops, Märkte und eventuell auch Lokale beinhaltet. Inspirationen dazu hole ich mir primär über Instagram oder Blogs, einen klassischen Reiseführer hatte ich das letzte Mal vor etwa 5 Jahren in der Hand; ich lese auch viel lieber Architektur- oder Kunstmagazine, und finde so heraus, wo es gerade interessante Veranstaltungen gibt. Am liebsten frage ich jedoch Einheimische nach Geheimtipps. 

Was kann Südtirol in Sachen Mode und was in der Kunst? 

Als ich vor etwa dreieinhalb Jahren Südtirol verlassen habe, war ich bezüglich Mode und Kunst in Südtirol sehr skeptisch, doch mittlerweile erkenne ich auch das Potenzial und sehe, wie sich viele junge Menschen in Südtirol für einen Fortschritt einsetzen. In Sachen Mode ist Südtirol stark durch den italienischen Einfluss geprägt, am besten sieht man dies anhand der vielen kleinen, aber hochwertigen Boutiquen in Bozen und Meran. Letztens habe ich sogar den ersten Second-Hand Laden Bozens entdeckt. In Sachen Kunst zeigen einige innovative Projekte, wie die Stiftung Antonio Dalle Nogare, was in Südtirol alles möglich ist. Ich finde es sehr toll, dass hochwertige zeitgenössische Kunst in einem doch ruralen Umfeld gezeigt wird. Auch das Museion bietet ein interessantes Programm.

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Im kunsthistorischen Museum assistiert Judith bei der Entwicklung neuer Ausstellungsreihen.

Das Schönste am kuratieren ist … die detektivische Arbeit. Bei meinen zahlreichen Recherchen zu Künstlern und deren Lebensläufen fühle ich mich meistens wie eine Agentin auf der Suche nach Büchern und speziellen Informationen sowie „Forschungslücken“. Außerdem macht es mir Spaß, Künstler persönlich kennenzulernen, oft haben sich daraus bereits tolle Freundschaften entwickelt. 

Das Schlimmste am Kuratieren ist … die Kürzung der Objektlisten, weil Ausstellungen leider immer sehr kostspielig sind und somit oft nicht so realisiert werden können, wie man es sich vorgestellt hat. Als Kurator/in muss man außerdem besonders gut mit anderen Abteilungen eines Museums klarkommen, und alle von dem eigenen Vorhaben überzeugen. Dabei trifft man oft auf Mitarbeiter, die wenig Verständnis für die Bedeutung der Kunstwerke haben und ausschließlich Finanzen im Kopf haben. 

Überraschungen im kunsthistorischen Museum gibt es … immer wieder und vor allem als wir den renommierten Filmemacher Wes Anderson und seine Frau Juman Malouf als Gastkuratoren einluden und mit ihnen wie im Film durch die Museumsdepots flanierten. 

Mit nach Hause nehmen würde ich gerne … die großartigen Räumlichkeiten des Kunsthistorisches Museums. Vor allem die Wände und die blau-samtigen Sofas hätte ich sehr gerne bei mir zu Hause. Man unterschätzt oft die Einrichtung, doch macht gerade die beim Kuratieren sehr viel aus. 

Das Schreiben über Kunst … ist eine Bereicherung für mich selbst, weil ich nach dem Besuch von Ausstellungen darüber reflektiere und mich erneut in die Materie einlese, um darüber zu berichten. Mein Ziel ist, es vor allem jenen Menschen, die nicht die Möglichkeit haben die Ausstellungen zu besuchen, eine Idee davon zu geben und im weiteren Sinne auch die Wichtigkeit von Kunst zu vermitteln. 

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Fotos: Judith Bradlwarter

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