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June 3, 2019

Das Muster in der Schürze: Gabriela Oberkofler

Maria Oberrauch

Seit über 15 Jahren lebt Gabriela Oberkofler in Stuttgart. Dort hat die gebürtige Südtirolerin studiert, von dort aus blickt sie auf die „zum Scheitern verurteilte Jagd nach einer beständigen Identität“ (Helena Pereña). Gegenstand ihrer detaillierten, punktierten, durch einzelne Pattern zusammengehaltenen  Zeichnungen ist in großen Teilen die Natur. Details wie ein Tannenzweig und daneben stilisiert der ganze Baum. Der Bienenschwarm in sich gewölbt, verlassene Hornissennester, hängende Schweine oder Rehbeine. Landschaften aus der Ferne kartographiert sowie fast mikroskopisch vergrößert und in Moleküle aufgesplitterte botanische Studien. Tradition in bäuerlichen Amuletten, dem Schurz, dem Schuh. Vögel, Insekten, Grünes, fragmentarisch und darin oft zerbrechlich, als könnte jede Berührung alles auseinander fallen lassen. Als Südtirolerin erkenne ich das Muster in der Schürze und die Gestalt des Kachelofens. Elemente der bäuerlichen Kultur, so eng mit der eigenen Identität verbunden und doch auf jede andere anwendbar: Der Gummistiefel, das pickende Huhn, der durchwurmte Apfel, die Geranienblüte. Motive, die erahnen lassen, fragil, eindeutig und uneindeutig zugleich. Ist es wirklich so, wie es scheint, woraus besteht unsere Kultur und was sind ihre Sinnbilder?

Gabriela_Oberkofler_nadel_Baum

Gabriela_Oberkofler_schwarzistdienacht

Ausrangierte Christbäume platzierte Gabriela Oberkofler installativ in der Kunsthalle Göppingen. „Ja, ich habe sie gerettet, vor der Bedeutungslosigkeit, auch wenn ich den Prozess des Naturverbrauchs nicht rückgängig machen kann,“ schreibt Oberkofler. Dank eines Holzgerüstes werden die Bäume wieder zu einem Wald, oder eher zu einer Waldschule, als ständen sie am Anfang ihres Zwecks, zurückgeführt zu ihrer menschgemachten Bestimmung. Oft  in ihren Werken greift die Kultur der Natur in den Nacken: „der Wolf ist wieder da!“ oder „Geranienblüte“ tragen wenigstens aus Südtiroler Betrachtung ein ganzes Paket Geschichte und Diskussionsraum mit sich.

Oberkofler wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem auch 2014 mit dem Paul-Flora-Preis. Sie entwickelte umfassende Kulturprojekte wie die rostensteinalm in der Containercity in Stuttgart. Am 2. Juni 2019 eröffnet die Ausstellung GOOD SPACE – Communities, oder das Versprechen von Glück in der Villa Merkel in Esslingen.

Was machst du gerade?

Ich zeichne gerade Tag und Nacht für die Ausstellung GOOD SPACE Communities, oder das Versprechen von Glück. Ich werde die großformatige Zeichnungen „Kooperationen“ zeigen und einen Communitiy-Garten anlegen. „Kooperationen“ beschreibt ein ungewöhnliches Zusammenleben zwischen Pflanzen, symbiotische Lebensgemeinschaften. Das zeichnerische Projekt lotet die Möglichkeiten eines guten Zusammenlebens aus. Alle beteiligten Pflanzen geben und nehmen und können so überleben. Auf dem Blatt werden auch sehr unrealistische Verbindungen eingegangen, wie zum Beispiel eine Kooperation zwischen einer Kokosnuss und einer Orchidee oder einem Hibiskus mit einem Granatapfel. Es ist der Versuch, das Unmögliche möglich zu machen. Ein friedlicher und offener Lebens- und Gesellschaftsentwurf.

gabriela_oberkofler_kastanien 

Stichwort Gesellschaft: Deine Zeichnungen bebildern irgendwo immer die Frage nach Identität und dem eigenen kulturellem Verständnis …

Ich versuche stets, Bilder zu finden, für das, was mich so intensiv beschäftigt: Meine Umgebung mit all ihren aktuellen gesellschaftlichen, politischen, ökonomischen, sozialen Debatten. Ich versuche, die Welt, in der ich lebe, zu reflektieren und eine Struktur zu finden, um nicht aus der Spur zu fliegen. 

In vielen Arbeiten steht das Fragment neben dem ganzen Objekt und alles Detail wird dem Großen entzogen und ins Kleine gesteckt, etwas präzise verbildlicht und zugleich stilisiert …

Die Detailbesessenheit hat sich im Laufe der Zeit so ergeben, denn ich finde selten ein klares Bild, das bleibt, sondern es entsteht und vergeht, es entsteht und vergeht … es löst sich auf und findet sich neu und so geht es immer weiter … Ein Bild, eine Zeichnung folgt dem/der nächsten, die Technik ist ein Spiegel des Gesamtzustandes; ein Ausdruck meines Denkens und der dazugehörigen Gefühle. 

Welche Suche prägt deine Zusammenarbeit mit verschiedenen Landesmuseen?

Ich habe ein großes Interesse an der Volkskultur. Diese ermöglicht mir einen direkten Zugang zum kulturellen Denken und Handeln von damals und heute. Die Volkskundemuseen, wie zum Beispiel in Innsbruck, ziehen mich magisch an und ich könnte mein Leben darin verbringen.

Gabriela_Oberkofler_schürze

Ein paar Worte zum Projekt rosensteinalm …

Die rosensteinalm ist mein Atelier und gleichzeitig noch viel mehr. Ein Bauernhof im Rosensteinviertel in Stuttgart Nord und Teil des Künstlerareals Wagenhalle, ein Ort für die Analyse der aktuellen Stadtentwicklung, der sich am nachhaltigen und integrativen Miteinander orientiert. Die rosensteinalm ist ein Bild kurzer Wege: selbstangebautes Gemüse, gelegte Eier von glücklichen freilaufenden Hühnern. Die rosensteinalm ist auch Ausstellungs- und Diskussionsort und das Programm umfasst neben dem gemeinsamen Essen vor allem Lesungen, Vorträge und eine Ausstellung.Thematisch orientiere ich mich im Programm an dem Einfluss künstlerischen Schaffens auf den urbanen Raum – was können KünstlerInnen tun, um ein Stadtviertel mitzuprägen?

Gabriela_Oberkofler_rosenstein

Gabriela_Oberkofler_rosensteinalm

Leerraum ist …

… eine Befreiung und ein Neubeginn.

Zeit kann …

… so schnell vergehen oder auch nicht.

Wo zeichnest du am liebsten? 

In meinem Atelier auf der rosensteinalm.

Wann zieht es dich nach Südtirol? 

Immer und immer wieder, meistens zu den großen Festen wie Weihnachten, Ostern, Ferragosto.

Was birgt die Zukunft? 

Die Ungewissheit.

Gabriela_Oberkofler_portrait

 

 Fotos: Gabriela Oberkofler 

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