Music

May 28, 2019

Die nackte Geisha auf meinem Tisch: Beichtstuhl Basement Double Release

Florian Rabatscher

Was für Beats kommen da durch unseren Posteingang geprescht? Rap aus Südtirol? Gütiger Gott! Bitte nicht! Was denn jetzt schon wieder? Lieder mit Pseudo-„Tscheggl“-Dialektreimen vielleicht? Acane … Oder andere, die von einer besseren Welt rappen und so süß sind, dass einem fast schon aufgrund von Blitzkaries sämtliche Zähne aus dem Mund fallen? Nein, dieses Land war nie wirklich eine Hochburg für wahre Kopfnicker. Oder etwa doch? 
Das Brixner Hip-Hop-Label Beichtstuhl Basement veröffentlicht … –Entschuldigung– … droppt am 31.05.2019 gleich zwei Alben gleichzeitig. Na dann schauen wir doch mal, was wir hier haben … Aha, dieser Rapper nennt sich „Penisregulator“. Wow, was für ein selten dämlicher Kampfname, aber der Sound überzeugt auf Anhieb. Warum, zum Teufel, habe ich mir nie was von denen angehört? Kein Problem, das hole ich es jetzt mal ausgiebig nach. Erinnert fast schon an alte Aggro Berlin Tracks oder deutsche Battle-Rapper aus längst vergangenen Tagen, wie Kool Savas zum Beispiel. Nie hätte ich zu träumen gewagt, dass Rap bei uns hier so gut klingen könnte, doch nun wurde ich des Besseren belehrt. Penisregulator, der Lustmolch vom Lande, kommt dieses Mal aber nicht in dein Dorf, sondern begibt sich in asiatische Gewässer. Das neue Tape nennt sich „Uke“ und mischt Penisregulators lyrische Demütigungen mit der Kultur der Samurai und mit Traditionen asiatischer Kampfkünste. Dazu werden Samples ruhiger asiatischer Entspannungsmusik verwendet, die mit rauen und harten Breakbeats verfeinert wurden. Warum dieser ganze Kung-Fu-Wahnsinn? Keinen Schimmer; alles, was man weiß ist, dass es einfach funktioniert.

Seit Wu Tang Clan ihr Album „Enter the Wu-Tang (36 Chambers)“ veröffentlicht haben, ist klar, dass alte schräge Martial-Arts-Filme und Rap zusammenpassen. Welche Rolle Südtirol dabei einnimmt, liegt jetzt auch auf der Hand, nämlich die des weißhaarigen, betrunkenen Meisters. Penisregulator beherrscht höchstwahrscheinlich auch den Stil der acht betrunkenen Götter. Weitere Mitstreiter unter Einfluss von starkem Sake auf diesem Tape sind: Steven Gem, Dirty Meez, Manu Fontana, Børge King und DJ Scotch. Des Weiteren wird er von dem jungen Brixner Shaman mit Instrumentals versorgt. Ja, der Sound hat wirklich etwas Atmosphärisches, es kommt fast schon an diese düstere und surreale Stimmung von Cypress Hill III – Temple Of Boom heran. Ok, werden wir mal nicht größenwahnsinnig; aber trotzdem, dass man aus einem Drumbeat und maximal drei Loops so eine Stimmung heraus zaubert, ist für mich immer wieder beeindruckend. Mich jedenfalls hat „Uke“ überzeugt. Aber Junge, warum zum Geier nennst du dich Penisregulator? Ich hör jetzt lieber auf, seinen Namen zu dissen, bevor er mich noch in einen seiner Lyrics zu Schaschlik verarbeitet. Textlich hat er jedenfalls mehr drauf, als der Name erahnen lässt. Hier hört ihr keine dumpfen daher genuschelten Zweizeiler über dicke Schlitten und pralle Möpse von einem pickeligen Kind mit beknackten Gesichts-Tattoos. Oh nein, das sind präzise Demütigungen auf höchstem Niveau (wenn es so etwas gibt). Ein lyrischer Faustschlag, mitten ins biedere Gesicht unserer Gesellschaft. Also, seid keine Bitch und nehmt nicht alles immer so ernst. „Ya heard?!“

Ach, bevor ich es vergesse, da war ja noch eine Scheibe in der Post. Wieder ein feiner Name, dieser Herr nennt sich Swaglos. Naja, mir soll’s recht sein. Hier haben wir es mit einem reinen Beat-Tape namens „Genshi“ zu tun. Wie bei Penisregulator verirren wir uns hier wieder in das Land der feinen Nudeln und des Glutamats. Unsere Vorstellungskraft wird hier schon mal nicht von den Texten abgelenkt. Also versuchen wir es, Kopfhörer auf und Sound rein. Schon befinden wir uns in der Megacity Tokio, in einer finsteren Gasse, um genau zu sein. Sie wird nur von neonbeleuchteten Reklametafeln, auf denen allerlei makabrer Schweinkram abgebildet ist, beleuchtet. Ihr wisst ja, was ich meine, Japaner stehen einfach auf dieses schrill-bunt verrückte Zeug. Wir setzen uns in ein Lokal, wo uns von Schimpansen auf Rollschuhen Oliven-Tee (in dem natürlich ein Goldfisch schwimmt) und Wasabi-KitKat serviert wird. Prost! Oder Kanpai, wie man hier zu sagen pflegt. Ein guter Trip also, in den uns dieser Trap-Sound befördert. Hut ab, wusste gar nicht, dass mir so etwas zusagt.

Warum wird dieser Crew in diesem Land nicht noch mehr Beachtung geschenkt? Mit mir haben sie jedenfalls einen neuen Fan dazu gewonnen und vielleicht kommt der ein oder die andere auch noch auf den Geschmack. Am 01.06.2019 zum Beispiel, denn da könnt ihr die ganze Label-Meute live in Naturns beim Etschide Open Air erleben. Bis dahin, haue ich noch meinen letzten Hip-Hop-Slang in die Tasten und sage: Props to Beichtstuhl Basement! 

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