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May 15, 2019

Gabi Veit: Griff ins Unerschöpfliche

Maria Oberrauch

Schön, wenn man Kunst anfassen darf. Darf man? Ja, sagt Gabi Veit, unbedingt. Es ist ein Teil davon, wie sie ihre Löffel denkt, wie sie sich unter ihren Händen formen. Gabi Veits Schaffen lehnt sich an die Natur, es borgt sich aus und zitiert Blüten, Blätter und Felsbrocken. Das hat nichts mit Nachahmen zu tun, es ist vielmehr der freie Geist, sich in alle möglichen Richtungen zu bewegen, Formen anzunehmen und Texturen. Ihre Löffel und Schmuckstücke sind geprägt von groben Oberflächen und weichen Kanten. Farben von angerauchtem Schwarz zu Silberschatten und Weiß wie Porzellan, filigran und schwer, leicht und warm, kalt und mit Zacken oder Windungen. 

„Wer kann den Diamanten sehen?“, fragt die Silberkünstlerin über ihre „Bruchstücke“, in Silber oxidierte Ringe. Macrophylla heißt Hortensie, die Schmuckstücke sind leicht und schwer zugleich, anderes holt den Berg ohne Umschweife ins Metall. Noch ein Stück wesentlicher sind die Löffel: Sie haben etwas fast lebendiges in ihrer Starre, so lebendig und natürlich wie der Weg zu ihnen: „Immer wenn ich etwas nicht gesucht habe, ist was Tolles herausgekommen“, sagt die Künstlern. „Jeder Idee geht eine lange Recherche und tiefe Neugierde voraus. Ab einem gewissen Punkt jedoch formen die Dinge sich selbst.“ 

gabiveit_@federico_cavicchioli_b

London, Los Angeles, Leipzig. Hamburg, Paris, München, Padova, letzte Station war der alljährliche fuorisalone in Mailand. Gabi Veits Arbeiten wandern zwischen Museen, Galerien und Messen, sie schmücken Designläden und Interior-Magazine und sind in namhaften Designsammlungen vertreten. Am 17. Mai um 19 Uhr öffnet in der Galerie Prisma in Bozen ihre Einzelausstellung CREATURA/Geschöpf. 

Deine Sachen reisen um die Welt, du auch? 

Ich auch, aber nicht gleich viel wie meine Arbeiten. Ich pendle zwischen Bozen und der Schweiz, wo ich meine Werkstatt habe. Etwa ein Drittel des Jahres bin ich unterwegs. Inzwischen kann ich bei wirklich renommierten Veranstaltungen und neben herausragenden Künstlern und Kunsthandwerkern ausstellen, das macht schon viel Freude.

Gerade deine Löffel bewegen sich dabei immer irgendwo zwischen den Kategorien: Kunst oder Kunstgewerbe, oder ganz einfach beides? 

Das sind Begriffe. Es ist Handwerk, angewandte Kunst, aber geht trotzdem darüber hinaus, weil der Gebrauchsgegenstand eigentlich nicht nutzbar ist. Der Löffel ist eine Allegorie oder ein Kommentar, man kann ihn auch ironisch sehen. Für mich zentral ist das freie Gestalten: Der Fokus ist nicht der, dass der Löffel in den Mund kommt … gabiveit_@anastasia_kandaraki-2

Wie hat die Löffel-Geschichte begonnen?

Ich kam 2001 von einer Reise zurück und zeigte einer Freundin die Schätze, die ich mitgebracht hatte. Die meinte dann: Oh, du sammelst jetzt Löffel? Es war mir gar nicht so bewusst gewesen, aber ich hatte tatsächlich sieben Löffel mitgebracht. Ab da ging es dann los, auf jedem Marktplatz, in jeder Gelateria fällt mein Blick auf die Löffel und die Varianten sind unzählbar …

Und wie viel Stück zählt deine Sammlung inzwischen?

An die 500, ich sammle aber nur kleine Löffel, Teelöffel oder noch kleinere Stücke. Ich werde die gesammelten Löffel auch in der Ausstellung zeigen.

Die kommende Ausstellung in der Galerie Prisma heißt “Creatura/Geschöpf”.

Ja. Der Titel beinhaltet alles, was meine Löffel sind. Sie sind kreatürlich, wesentlich, sie zitieren die Natur und sie sind in dem Sinne Geschöpfe, als dass sie als Löffel ja zum „Schöpfen“ da sind.

Wunderbar. Was hat es dann mit der letzten Löffel-Serie “Laster und Lust” auf sich?

Als ich mit den Löffeln anfing, wurde mir bewusst: die Möglichkeiten der Gestaltung sind unbegrenzt. Welches Material, welche formale Gestaltung, wo fange ich an?  Ich musste mich selbst einschränken, um einen Weg zu finden: Über das Theater habe ich gelernt, die Menschen zu beobachten: Wie essen Menschen? Hastig, langsam, viel, wenig, exklusiv … Um dieses Spektrum einzufassen, machte ich mir die Sieben Todsünden zum Rahmen. Wie sieht der Löffel einer geizigen Person aus und wie wird die geizige Person dadurch am essen behindert? 

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Stichwort Theater: Du warst viele Jahre lang als Gründungsmitglied und Präsidentin der Carambolage in Bozen tätig. 2008 dann der Neustart mit dem Schmuckstudium …

Eigentlich wollte ich schon lange Schmuck machen, die Carambolage kam dazwischen und hat als ehrenamtliche Tätigkeit neben der Arbeit als Grafikerin die Tage und Jahre gefüllt. Aber das Bedürfnis, selbst Kunst zu machen, war immer da und mit dem Silberschmuck hat es dann auch wunderbar geklappt.

Sind alle deine Stücke aus Silber?

Ja. Im Unterschied zur klassischen Silberschmiede, wo das Stück aus einem Silberblock geschlagen und geformt wird, forme ich aus Wachs und gieße dann in Silber. Ich lasse die Stücke oxidieren, poliere nicht. Erst mit der Zeit ist mir aufgefallen, dass ich mit dieser Arbeitsweise an Löffeln tatsächlich allein dastehe. Und gerade deshalb zu wirklich tollen Ausstellungen eingeladen wurde. 

Der allererste selbstgemachte Löffel:

War ein Geburtsgeschenk. Ich wurde Taufpatin und wollte kein klassisches Engele machen …

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Zur Geburt die Geburt einer neuen Idee, einer neuen Formsprache. Der Griff zurück, auf eine alte Tradition und der Griff nach vorne in die unerschöpflichen Möglichkeiten, Dinge zu sehen und zu tun. Glücklicherweise hat Gabi Veit ein paar Löffel mitgebracht: Sie liegen erstaunlich gut in der Hand, das habe ich mir so nicht erwartet. Sie sind teils leichter, teils schwerer, als sie aussehen, das haptische Moment ist wichtig, das merke ich erst jetzt. 

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Fotos: Dietlind Wolf (1), Federico Cavicchioli (2, 5), Anastasia Kandaraki (3), Karin Schmuck (4),  Grund (6)

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