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April 29, 2019

Gespräch im blauen Dunst: Ernst Molden & Der Nino aus Wien

Florian Rabatscher

Ja, es war spät und natürlich haben Künstler nach ihrem Konzert keine große Lust mehr auf ein Interview. Trotzdem wagten wir das unmögliche und stellten Ernst Molden und Nino Mandl alias Der Nino aus Wien zur Rede. Das Konzert Anfang April in der Dekadenz Brixen war gut besucht und absolut „leiwand“, mehr kann man gar nicht dazu sagen. Es war eigentlich genau so, wie ich es mir erwartet hatte, und was das war, kann man ganz einfach hier nachlesen. Zudem beeindruckte mich, wie lang es die beiden Herren ohne eine „Tschick“ aushielten. Das wurde dafür Backstage um das Doppelte nachgeholt. Gemütlich saßen wir dort inmitten von Schwaden blauen Dunsts und redeten über Gott und die Welt. Was ihr hier lesen werdet, ist nicht wirklich ein Doppelinterview, da es selten so war, dass beide Musiker gleichzeitig mit uns im Raum waren. Deswegen beginnen wir mit Ernst Molden und seinen Anfängen als Musiker, mit dem, was er über Nino denkt, und mit der Wanda-Bilderbuch-Streitfrage in Wien. Anschließend wird uns Nino sein Verhältnis zu Austro-Pop erklären, endlich das Geheimnis seines Albumtitels „Down In Albern“ lösen und uns offenbaren, in welchen Südtiroler Musiker er sich verknallt hat. 

Ernst Molden, wann hast du Nino das erste Mal gesehen?

Nino war damals um die 20 Jahre alt und kam daher wie ein Künstler von „Outer Space“. Als ich ihn das erste Mal bei einem Konzert sah, dachte ich mir nur: Wer ist denn das? Die Band stand schon da und spielte und er saß hinter dem Monitor-Speaker. Man hörte ihn nur und sah manchmal einen Teil von seinem Haarschopf. Faszinierender Typ, ich mag ihn wirklich.

Wer war dann der Initialzünder für eure Zusammenarbeit?

Ich habe ihn angesprochen, sein damaliger Manager schrieb mich an, ob ich mal zu einem seiner Konzerte kommen würde. Nino kannte mich, da er damals schon meine Platten gehört hatte. Als ich Mitte der 90er-Jahre in Wien anfing, gab es nur elektronische Musik. Deutschsprachige Lieder mit Gitarre war das uncoolste, was du machen konntest. Trotzdem habe ich es zehn Jahre lang gemacht und mir in dieser Zeit irgendwie eine Crowd aufgebaut. Auch Nino verfolgte meine Musik mit 17 Jahren schon, speziell meine Platte „Haus des Meeres“. Ninos Opa war nämlich Tierfänger in Australien und hat Haie und Krokodile zum Haus des Meeres in Wien gebracht. Darum entdeckte er diese Platte. Er hat also genau gewusst, wer ich bin, und ich wollte ihn kennenlernen. In den letzten zehn Jahren hat sich dann mit dem Neo-Austro-Pop in Wien alles verändert. Plötzlich ist es wieder cool, auf Wienerisch zu singen.ErnstNino4

Also war es hart am Anfang?

Ich war ja vorher Romanautor, bis mir die ganzen Dichterlesungen usw. zum Hals raushingen. Musik habe ich immer schon so nebenher gemacht und fing wieder an Songs zu schreiben. Dann bekam ich drei Kinder und suchte mir das unfruchtbarste Geschäft von allen aus: Songwriter. Seit zehn Jahren läuft es aber richtig gut.

Du kannst jetzt gut davon leben?

Gut? Sagen wir, ich kann meine Miete bezahlen und einmal im Jahr für drei Wochen nach Griechenland. Die Austro-Pop-Stars von früher wie Ambros oder Danzer wurden noch richtig reich mit ihrer Musik, denn sie hatten das Glück, dass ihre Musik noch im Radio lief. Heutzutage spielen die großen Sender gerade noch Wanda oder Seiler und Speer. Den Nino oder mich spielen die nicht.

Was eigentlich lustig ist, da Wanda ja Nino als ihre Inspiration nennen …

Ja, ohne Nino hätte es Wanda nie gegeben. Marco von Wanda wollte ja eigentlich Dichter werden. Doch als er Nino kennenlernte, merkte er, dass die Musik auch ein Weg wäre. Der Unterschied zwischen den beiden ist, dass Marco halt diese Kraft nach vorne bringt und so die Leute begeistert. Ich bin schon Fan von Wanda, aber nicht von Bilderbuch.

Warum erwähnst du jetzt Bilderbuch?

Das ist in Wien gerade wie Beatles oder Rolling Stones. Meine Frau findet zum Beispiel Bilderbuch interessanter. Die machen halt Tanzmusik, aber ich find ihre Texte ein bisschen Prolo. Aber wenn 10.000 Leute die Texte von Marco mitsingen, sieht man erst, was für Sprachkunstwerke das sind. Die Songs von Wanda sind so intelligent aufgebaut. Gesundheitlich halten sie auch durch, die meisten dachten nach zwei Jahren, dass die nicht mehr lange leben würden.

Wie hast du so lange gesundheitlich durchgehalten?

Das Songwriter-Business ist nicht so anstrengend wie das Rock-Business. Aber ich habe auch vor 25 Jahren meine große Liebe getroffen und das wegen ihr so lange gemacht. Ungesund habe ich eigentlich nie gelebt. Ok, vielleicht vor meiner Ehe. – Als Romanautor habe ich ungesund gelebt.

Interessant, ein Musiker lebt also gesünder als ein Autor?

Ich spiele ca. 120 Konzerte im Jahr und will dort auch gut Gitarre spielen. Asket bin ich keiner, ich rauche und trinke schon. Aber immer nur soviel, dass das Konzert nicht darunter leidet. Ein paar Spritzer vorher gehen also. Als Buchautoren machten wir aber ganze Lesungen auf Ecstasy, so war in Wien Anfang 2000 eine ganze Generation drauf. Ich muss wirklich sagen, das Autorenleben war um einiges wilder als das Musikerleben.

Wie soll man sich den Alltag als Romanautor vorstellen?

Ich hatte ja keinen Alltag, was auch das Problem war. Mein letzter Roman erschien 2001 und dann kam mein Sohn zur Welt. Der wollte natürlich auch Zeit mit mir verbringen, aber wenn man schreiben will, muss man die Tür zumachen. Mein Papa hat auch meine ganze Jugend über die Tür vor mir zugemacht. Das wollte ich nicht.ErnstNino

 

Der Nino aus Wien, wie kamst du eigentlich auf den Austro-Pop? Bist du nicht zu jung dafür?

Ich kannte die Hits halt durch meine Eltern. Erst später kam ich zum, nennen wir es, Nischen- oder Indie-Werk von Ambros. Diese recht guten und präzisen Depri-Platten. Ambros hat super Lieder geschrieben. Meine Lieblingslieder sind auch die, die er selbst geschrieben hat. Bis zu einem gewissen Grad kann ich mich schon mit ihm identifizieren, als jemand, der eine Platte schreibt. Die Austro-Pop-Hits kannte ich ja immer, aber ich habe sie nie als wichtig empfunden. Als ich dann anfing, selbst Lieder zu schreiben und vor Leuten zu spielen oder auf My-Space zu veröffentlichen, meinten die meisten, dass es wie Ambros klinge. Da dachte ich mir auch noch nicht viel dabei und erst nachdem mein erstes Album draußen war, fing ich an, mich mehr mit den „Nicht-Hits“ des Austro-Pop zu beschäftigen.

 Welche Musik hat dich vorher inspiriert?

Beatles, die hörte ich schon mit zehn Jahren. Das erste Mal weinen, ohne dass jemand dir das Spielzeug wegnimmt. So lernte ich das schöne Weinen kennen. „Hey Jude“ hat mich wirklich berührt. Dann noch das Album „Strawberry Fields“, das war immer die Musik, die mich am meisten gepackt hat, und sie tut es immer noch. Aber auch spätere englische Bands wie „The Libertines“ oder „Oasis“.

Spielte dein Albumtitel „Down In Albern“ also auf das Babyshambles-Album „Down In Albion“ an?

Nein, aber stimmt. Mir ist das eigentlich erst im Nachhinein aufgefallen.

Nur ein Zufall also?

Ja, wirklich. Wir haben damals in Albern aufgenommen – ein Ort in Wien ist. Daher der Name. Albern ist der einzige Fischerort in Wien, obwohl es dort gar keine Fischer mehr gibt. Ich habe mir nicht viel gedacht bei diesem Namen. Danach ist es mir aber auch aufgefallen, denn ich kannte das Babyshambles-Album und vielleicht geschah es ja unterbewusst. Der Ursprungsname für das Album war eigentlich „Jetzt geht’s los“, was ich aber ziemlich blöd fand …

… ja, das klingt eher nach Apres Ski oder Dj Ötzi …

… eben, „Down In Albern“ ist cooler. Albern ist eh auch so ein Lebensgefühl. In Deutschland sagt man albern für „deppat“ sein. „Down In Deppat“ wäre auch ein guter Name, aber wir waren ja in Albern. Das Wort „Down“ ist aber auch wichtig in dem Ganzen. Man hätte es ja auch „High In Albern“ nennen können. Wir waren aber unten in Albern.

Ich dachte jetzt, ihr wart „down“ wie depri in Albern …

Ja, auch, alles geht. Wir könnten uns jetzt noch stundenlang über diesen Namen unterhalten. Man hätte auch „In The Middle Of Albern“ oder „Straight At Albern“ sagen können … Wurst! Die Titel sind immer die schwierigsten Sachen, denn eigentlich denkt man sich ja nichts dabei.

ErnstNino2

Wie kamt ihr auf die Idee, ein Album mit Austro-Pop-Klassikern aufzunehmen?

Bei diesem Album suchten Ernst und ich Lieder aus dieser Szene, die uns gefallen. Wir wollten sie so spielen, als ob wir sie selbst geschrieben hätten, und obwohl sie schon älter sind, passen sie inhaltlich immer noch zum heutigen Wien. Sagen wir, es steckt nicht eine große Idee hinter diesem Konzept. Wir wollten diese Lieder einfach schnell aufnehmen, was wir auch gemacht haben. Ich war sogar ständig verkühlt während der Aufnahmen, wenn man genau hinhört, hört man sogar, wie ich mich ständig schnäuze während der Solos.

Was stellt das Cover dar?

Wir gingen dort auf den höchsten Berg oder Hügel von Döbling mit einer zerrissenen Österreich-Fahne. Fendrich ist beim Video zu „I Am From Austria“ angeblich auf den Großglockner gegangen, oder mit dem Heli dort hingebracht worden, und hat dort die Fahne gehisst. Sollte es jemals einen Teil 2 von „Unser Österreich“ geben, würde ich den Fendrich aber trotzdem nicht spielen.

Welche Musiker aus Südtirol findest du gut?

Herbert Pixner find ich sehr leiwand. Ich lernte ihn letztens in Wien kennen und er war so ein leiwander Typ. Ich habe ihn auch vorher schon im Fernsehen gesehen und bin zwar nicht so der Fan von Volksmusik, aber mittlerweile bin ich ein richtiger Pixner-Fan. Irgendwie hat er mich einfach erwischt. Ich geb’s zu: Ich bin verknallt in den Pixner. 

Fotos: franzmagazine

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