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March 30, 2019

100 % Hardcore: Im Gespräch mit Sven Sachsalber

Florian Rabatscher

In der ar/ge kunst könnt ihr noch bis 13. April eine Ausstellung erleben, für die man nicht zwingend ein (schnöseliger) Kunstkenner sein muss. Ganz im Gegenteil sogar, dort kann man sich glücklich schätzen, wenn man nichts von der großen Kunst versteht und sie noch unvoreingenommen auf sich wirken lassen kann. Nichts ruiniert Werke mehr als irgendein Möchtegern-Kritiker. (Ja, es gibt diese Menschen, welche die Hintergründe der Arbeiten oft besser verstehen als der Künstler selbst.) Die Ausstellung Buchhandlung Kalter König von Sven Sachsalber zieht aufgrund ihres chaotischen Charakters wahrscheinlich auch den ein oder anderen Wichtigtuer in seinen Bann. Wer hier aber nach einem rotem Faden oder einer gewissen Ordnung sucht, dem sei gesagt: Lass es bleiben. (Und sieh dir notfalls stattdessen staubtrockenen Statistiken an.) Die Ausstellung ist eine Sammlung von Zeichnungen auf Briefpapieren verschiedener Hotels quer über den ganzen Globus. Die Briefpapiere stammen nicht von Sachsalber selbst, sondern sind einer Edition von Martin Kippenberger entnommen, die Sachsalber von einer Freundin bekommen. Ganz im Sinne der Anarchie eignete er sich dieses Werk an, riss die Seiten heraus und begann, seine Gedanken darauf zu verewigen.

Ar/Ge Kunst, Sven Sachsalber, installation view,

Was wir beim Betreten dieser Ausstellung erleben, fühlt sich an, als ob man sich in einem überdimensionalen dunklen Comic befände: Tod, Abgründe, Leid, Verderben und Pumuckl. – Fantastisch, genau mein Ding. – Man könnte ewig bei diesen Bildern verweilen und ihre düstere Atmosphäre aufsaugen. Es ist so, als ob man eine Platte von Joy Division hörte: schön und verstörend zugleich. Klingt jetzt fast schon negativ, aber im Gegenteil: Ich mag das. Wahrscheinlich, weil ich mich selbst in dieser grauen Dimension befinde. Ein vertrautes Gefühl, als ob man in den eigenen vier Wänden stünde. Weit weg von dieser falschen und knallbunten Welt, die draußen auf uns wartet und viel erwartet. Unter einer ständig scheinenden Sonne, die so wirkt, als würde sie dich ständig auslachen, kannst und darfst du einfach nicht du selbst sein. Jeder trägt seine eigene Maske in der äußeren Welt, ist es nicht so? Am wohlsten fühlt man sich aber immer noch alleine mit seinen eigenen Dämonen, mit denen man sich auseinandersetzen muss. Und die findet ihr hier zu genüge. Viele haben über die Ausstellung berichtet; was diese Zeichnungen aber mit Black Flag, Aliens und Südtirol zu tun haben und warum man ihn den Gabber der Kunstwelt nennen sollte, erfahrt ihr in unserem Gespräch mit Sven Sachsalber.

Du hast also diese Kippenberger-Edition von einer Freundin bekommen und hast sie dir angeeignet. Warum das Ganze?

Freundin? Ich hatte zwei Mal was mit ihr und dann hat sie mir diese Edition, die übrigens gestohlen ist, gegeben. Auch war sie es, die wollte, dass ich die Seiten fülle. So fing ich an, nach und nach auf die Seiten zu zeichnen.

Dann war das wie ein Tagebuch für dich?

Eher so, als ob dir eine Prüfung bevorstünde und du beim Lernen nur Stichpunkte zusammenfasst. Verstehst du? Notizen rausschreiben oder kopieren. So ähnlich halt.

Nur Notizen also? Mehr hast du dir dabei nicht gedacht?

Was ich male, habe ich mir vorher schon ausgesucht. Einfach Bilder, die mir gefallen, oder Sachen, an die ich oft denke.

Wie die Wildecker Herzbuben?

Ja, aber hast du gesehen, dass ich sie zusammen gemalt habe? Wie siamesische Zwillinge. Da gibt es diesen Otto-Waalkes-Film „Otto der Liebesfilm“, da sagt einer: „Siehst du die beiden Moppel dort, sie sind ein Grund zum Doppelmord.“ Das habe ich gezeichnet. Noch dazu hatte einer von denen in meinem Heimatort Laatsch im Gasthaus Brücke einen Herzinfarkt, vom vielen Saufen.

Ein persönlicher Bezug also?

Ja, ich war aber nicht dort, als es passierte. In Laatsch sind mehrere solcher Dinge passiert: Slayer spielten im Sommer 1985 im Pfarrsaal ein Konzert und Gerd Müller hat, als er verletzt war, bei der Laatscher 3.Fussball-Amateurliga Aufbautraining gemacht. Ich erfinde diese Sachen nicht, es gibt Fotos.

Sven Sachsalber 01

Ok, solche Sachen also. Du hast auch das Logo der Einstürzenden Neubauten gezeichnet …

Ja, das hat aber mit dem Sound zu tun, den ich gehört habe, während ich diese Bilder gezeichnet habe. Oder  viel mehr mit einem Künstler, für den ich in New York arbeite und der das oft hört: Raymond Pettibon, der alle Albumcover für Black Flag und einige für Sonic Youth (das legendäre Cover vom Album “Goo” z. B.) gemacht hat.

Ach was? Der, der das Black-Flag-Logo erfunden hat?

Ja, genau. Er ist mein Meister, ab und zu arbeite ich für ihn. Geiler Typ. Mit ihm hör ich immer solchen Sound, er hat über 10.000 Platten. Wir hören zurzeit viel aus dieser alten Berliner-Szene und er erzählt seine Geschichten dazu, da er wirklich Teil dieser Szene war. Er hat übrigens auch das Cover zu „One by One“ von den Foo Fighters gestaltet.

Toll. Ok, Foo Fighters ist jetzt nicht so mein Ding …

Klar, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Aber Raymond ist krass und macht selbst auch geilen Sound (Sir Drone). Jedenfalls kam es so zu dieser Zeichnung, aber nicht, weil er mir sagte, ich solle es machen. Es kommt eher alles hoch, während ich zeichne, auch der Sound, den man hört oder die Geschichten dazu von Raymond.

Hast du noch andere Musikgeschichten in deinen Bildern?

Ich habe viel von Psychic TVThrobbing Gristle, Cosey Fanni Tutti, Coil, Cabaret Voltair abgezeichnet. Ach ja! Und The Cure habe ich auch.

Wo war The Cure?

Auf einem Bild habe ich irgendwas vom Film „The Crow“ mit Brandon Lee, da haben sie ja den Soundtrack dazu gemacht. The Cure würde ich gerne mal live sehen …

… eine der besten Bands, aber live nicht mehr der Rede wert …

… kann sein, Robert Smith ist jetzt sicher fett und kann wohl nicht mehr stehen auf der Bühne. Naja, hör dir mal The Fall an, die sind eh besser als The Cure. Die Ärzte ist übrigens noch eine Band, von denen ich ein paar Sachen abgezeichnet habe. Ihren Song „Grace Kelly“ habe ich auf einem Bild, zum Beispiel. 

Das ist also der Sound aus deinem Kopf?

Genau, aber Frei.Wild und Böhse Onkelz habe ich nie gezeichnet. Auch nicht die Kastelruther Spatzen, sind mir einfach zu schleimig.Sven Sachsalber 02

Aber Inspiration aus deiner Heimat ist präsent in den Zeichnungen?

Ja, ich habe ja einiges von Heimatbüchern abgezeichnet. Vom Laatscher Dorfbuch habe ich viel, zum Beispiel.

Und die Totenköpfe und ähnliche Sachen?

Das ist alles Alfred Kubin.

Alles mit Tod und Schmerz ist also von ihm?

Kubin hat versucht, sich am Grab seiner Mutter das Leben zu nehmen und scheiterte. Dann fing er an Kunst zu machen. Ich habe aber auch Alien-Themen von HR Giger in meinen Bildern. Das hat alles irgendwie mit Südtirol zu tun: Kubin war in Meran und Giger war doch aus Chur. Den finde ich super. Aliens habe ich viele in den Zeichnungen, ca. fünf oder zehn. Und Krampusse auch, sind ja fast wie Aliens. Brutal diese neue Generation von Krampusmasken … Metzgermasken … voll Heavy Metal.Sven Sachsalber 03

Das sind sehr viele, verschiedene Dinge. Eine gewisse Linie hast du also nicht verfolgt?

Mein Bleistiftstrich ist die Linie. Da das Format schon sehr bindet, nahm ich mir ein wenig Freiraum bei der Themenwahl. Und alles nur mit Bleistift zu zeichnen limitiert das Ganze. Wie haben dir eigentlich die Bilder gefallen? 

Wirklich gut, aber ich bin ja kein Kunstkenner …

Sei froh, dass du kein Kenner bist. Aber sieh dir nur die Bilder mit den Totenköpfen an: Erinnert doch an diese Rotterdam-Terror-Aufdrucke auf den Bomberjacken der „Gabber“ von früher. Mir gefiel immer schon diese Ästhetik und ihre Haltung. Sagen wir, es finden sich viele solcher Subkulturen in diesen Zeichnungen. Ich kenne oder mehr beneidete ich viele aus dieser Szene, ich war ein wenig zu jung. Doch im Nachhinein besser für die Nieren. Ich wollte sogar einmal mit Muisz van Gemert aus Holland eine Doku über Speedcore machen, aus der leider nichts wurde. Natürlich sind solche Typen gewaltbereit, was ich als Pazifist verurteile, aber sie sind, wie sie sind. Sie knallen sich alles mögliche Synthetische rein (wie Cyborgs), putzen ihre Air Max mit Zahnbürsten und gehen jede Woche zum Friseur. Sie stinken auch nie, interessante Menschen …  

… das erklärt wirklich Einiges …

Ich hatte auch noch einen altdeutschen Schriftzug von „Buchhandlung Kalter König“, der auf die Ausstellungseinladungen sollte – wurde aber abgelehnt. Aufgrund solcher Sachen wird bei uns hier rumgemotzt, naja, einen Diskurs wollte ich nicht anfangen. Obwohl der Schriftzug mit seiner harten Ästhetik doch passend gewesen wäre und Walther König auch eine Art deutscher „Kunstbuch-Diktator“ ist. Der Schriftzug wäre perfekt gewesen, aber egal.Sven Sachsalber

Du hast die Zeichnungen an verschiedenen Orten angefertigt. Wurdest davon irgendwie beeinflusst?

Ja stimmt. 50 % entstanden in Mexiko, 30 % in New York und 20 % in Südtirol. Beeinflusst haben mich die Orte aber nicht. Das meiste habe ich mir zuhause aus verschiedenen Büchern rausgekramt. Zeichnungen von Rudolf Stolz oder Albin Egger Lienz und egal, wo ich war, habe ich daran weitergezeichnet. Das meiste schwirrte jedoch in meinen Kopf herum.

Siehst du dich als Punk der Kunstwelt? Oder wie würdest du dieses Werk allgemein bezeichnen?

100 % Hardcore. Ich sah mal einen Typen, der auf seiner Wollkappe „100 % Hardcore“ stehen hatte. Kennst du solche Typen? Besser, als mich den Punk der Kunstwelt zu betiteln, wäre eher: Der Gabber der Kunstwelt. Das ist komischer …

Ich sehe schon, hier steckt viel Humor in den Zeichnungen …

Muss man haben, was willst du sonst auch machen?

Viele Künstler legen ihren Werken seitenlange Erklärungen bei, was hältst du davon?

Urs Fischer, ein Schweizer Künstler, der in New York lebt, sagte einmal: „Wenn das Kunstwerk noch eine Erklärung braucht, dann ist das Kunstwerk allein nicht gut genug.“ Leck mich am Arsch, ich verlange sicher von niemandem, sich noch eine ewig lange Erklärung zum Werk durchzulesen. Wenn ich in eine Ausstellung gehe, schaue ich mir die Bilder an und bin dann weg. Visuelle Kunst, ein Wort, das viele Institutionen in Europa gänzlich verdrängt haben.

Stimmt. Dann willst du mit deinem Werk nichts Besonderes ausdrücken?

Einen Pickel. Den kann man ausdrücken, wenn irgendwo einer ist.Sven Sachsalber 04

Fotos: (1 + 6 ) Sven Sachsalber, (2) Tiberio Sorvillo, (3 + 4 + 5 + 7) franzmagazine

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