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March 14, 2019

Ich halte wenig von weisen Sprüchen: Verena Pliger, Journalistin

Verena Spechtenhauser

Eigentlich ist es  Verena Pliger  gewohnt, dass sie den Menschen Fragen stellt, ihnen zuhört und sich ihre Geschichten erzählen lässt. Dass es bei unserem Treffen dieses Mal anders sein wird, ist für die freie Journalistin [Magazine, wie das Südtirol Panorama, ff Wohnen oder ff Bauen tragen ihre unübersehbare Handschrift] eine völlig neue Erfahrung, wie sie mir gleich zu Beginn unseres Gesprächs lachend verrät. Dabei hat sie selbst während ihrer professionellen Laufbahn schon so viel Interessantes erdacht, erreicht und erlebt, dass ich damit locker mehrere Interviews füllen könnte. Ein Gespräch, so offen, sympathisch modern und authentisch wie die gebürtige Brixenerin selbst.

Verena, welcher Charakterzug ist bezeichnend für dich?

Ich bin keine Perfektionistin, aber eine „Bugglerin”, wie wir im Dialekt so schön sagen. Ich würde mich durchaus als ehrgeizig und diszipliniert beschreiben. Ich liebe die Herausforderung und fürchte die Langeweile und kann sehr streng zu mir selbst sein. Das kommt mir in meiner Selbstständigkeit natürlich zu Gute.

Du arbeitest seit knapp vier Jahren als freie Journalistin. Du schreibt, moderierst und bist für TV und Radio tätig. Hast du ein Lieblingsmedium?

Nein, eigentlich nicht. Ich habe aber durchaus thematische Vorlieben, vor allem für Wirtschaft, Unternehmertum, Architektur und Genuss. Ich habe eine Passion für Menschen und ihre Erfolgsgeschichten und mag es, Persönlichkeiten zu interviewen. Zugleich mag ich es, wenn es schnell geht, mir gefällt also der Nachrichtenjournalismus und dort vor allem das Radio. Ich bin weniger der Typ Journalist, der es liebt, über Monate zu einem bestimmten Thema zu recherchieren. 

Bevor du dich selbstständig gemacht hast, warst du für längere Zeit Redakteurin und Nachrichtensprecherin beim Südtiroler Privatsender SDF. Welchen Moderator findest du tipptopp?

Bereits seit Jahren die deutsche Fernsehjournalistin und Moderatorin Anne Will. Mir gefällt ihre Art Fragen zu stellen. 

Lieber Buch, Film, Theater oder Musik? Eine Empfehlung?

Ich bin eine leidenschaftliche Zeitungs- und Magazinleserin und bin entsprechend glücklich ein bis zwei Mal die Woche den morgendlichen Pressespiegel auf Rai Südtirol lesen zu dürfen. Es macht einfach Spaß in aller Herrgottsfrüh für den Hörer das Wichtigste aus 12 verschiedenen Tageszeitungen zusammenzufassen. Privat mein absoluter Favorit ist das deutsche Wirtschaftsmagazin brand eins. Das Magazin schafft es auf geniale Art und Weise komplexe Inhalte runterzubrechen.

Verena Pliger_7

Du bist ja auf einem Bauernhof südlich von Brixen aufgewachsen. Wie war eigentlich deine Kindheit?

Frei, unbeschwert, mehr draußen als drinnen. Meine Mama war gerade mal 19 Jahre alt, als ich zur Welt kam und wir haben die ersten zehn Jahre auf dem Hof meiner Großeltern gewohnt. Gemeinsam mit Tanten und Onkels, die nur wenige Jähre älter sind als ich. Ich war die Kleine und wurde von allen umsorgt. Entsprechend habe ich nicht nur mit meiner Mama und Oma, sondern mit meiner ganzen Familie einen sehr engen und innigen Kontakt. 

Wann hast du deine Leidenschaft für den Journalismus entdeckt?

Schon von klein auf habe ich mich für die lokale Politik interessiert. Vor allem für die Ergebnisse der Gemeinde- oder Landtagswahlen. Meine Familie war nie politisch aktiv, aber ich bin mit Nachrichten im Fernsehen und Radio aufgewachsen. Mein Opa hat keine einzige Nachrichtensendung verpasst. Geprägt hat mich aber auch mein Grundschullehrer, Peter Brunner. Er war damals schon über 60 und hat immer über aktuelle politische Ereignisse in Südtirol gesprochen. Dafür habe ich ihn vergöttert. 

Da lag also ein Politikstudium nahe …

Eigentlich ja, aber ursprünglich wollte ich Grundschullehrerin werden. Vielleicht auch, da mir mein Lehrer so gut gefallen hat. Ich habe also die LBA in Brixen besucht, wusste aber nach den beiden Hospitationen in der vierten und fünften Oberstufe: Das ist nichts für mich. Also war für mich klar: Ich studiere Politikwissenschaften in Innsbruck.

… und hast daneben Praktika bei Tageszeitungen und Magazinen absolviert.

Ja, genau! Mein erstes Praktikum war bei der Neuen Südtiroler Tageszeitung. Ich war so happy damals: Mit dem Herausgeber Arnold Tribus in der Redaktionssitzung zu sitzen und Politiker und Persönlichkeiten zu interviewen, die ich vorher nur aus den Zeitungen kannte. Kurz vor Ende meines Studiums bin ich dann nach München, habe zuerst ein Praktikum beim Magazin Freundin absolviert und im Anschluss zwei Jahre als Volontärin bei Hubert Burda Media gearbeitet. 

… eine unbezahlbare Erfahrung …

Absolut! Ich habe unter anderem für die Zeitschriften Freundin und BUNTE sowie die Münchner Abendzeitung gearbeitet und gleichzeitig Kurse an der Deutschen Journalistenschule belegt. Wir haben das journalistische Handwerk wirklich von der Pike auf gelernt. Und im Gegensatz zu Innsbruck habe ich München geliebt und dort auch noch kurze Zeit für das Magazin Celebrity gearbeitet. 

Trotzdem zog es dich 2008 nach Südtirol zurück?

Eigentlich wollte ich zur Rai, aber ohne Journalistenprüfung führte kein Weg dorthin. Also wurde ich Marketingleiterin bei einer Unternehmensberatung. Im Nachhinein ein großes Glück. Ich habe in diesem Jahr unglaublich viel rund um die Themen Organisation, Wirtschaft und Unternehmertum gelernt. Ein Jahr später wollte ich aber unbedingt zurück in den Journalismus und am Ende hat mir Kurt W. Zimmermann, der ehemalige ff-Direktor, für vier Jahre die Führung des Wirtschaftsmagazins Südtirol Panorama anvertraut. Das war eine tolle Zeit! Wir haben das Magazin inhaltlich überarbeitet und unter anderem das Ranking der Top 300 Unternehmen des Landes ins Leben gerufen. Umso schöner, dass ich das Magazin nun wieder als freie Journalistin betreuen darf.

Wirtschaft klingt in meinen Ohren immer sehr nach Zahlen, nach Bilanzen und Statistiken. Bist du ein Zahlenmensch?

Ja, eigentlich schon, obwohl ich in der Schule lange Zeit richtig schlecht im Rechnen war. Irgendwann aber hat es Klick gemacht und seitdem faszinieren mich Zahlen, vor allem Bilanzen und Statistiken. 

Welche journalistischen Ansprüche hast du an dich selbst?

Ich versuche komplexe Inhalte leicht und verständlich zu erklären. Mein Vorbild bleibt dabei die brand eins.

Was inspiriert dich?

Meine Inspiration hole ich mir auf Reisen. Ich liebe es, tolle neue Konzepte zu entdecken, spannende Restaurants oder trendige Hotels auszuprobieren, Städte zu explorieren, sie zu durchforsten, coole Spots ausfindig zu machen und zu testen. Und ich habe ein Faible für Insider-Tipps und schneide sie sogar regelmäßig aus Zeitungen aus.

Ein Reise(geheim)tipp?

Nicht wirklich geheim, aber immer eine Reise wert, ist die dänische Hauptstadt Kopenhagen, mit ihrer unglaublich ruhigen und chilligen Atmosphäre. Ich bin ein großer Fan der nordischen Küche, des Einrichtungsstils und der Lebensart ganz allgemein.

Und was törnt dich ab?

Populistische Stammtischsprüche, Zwiebel und Knoblauch.

Wie entspannst du?

Beim Sport, im Winter bin ich gerne mit den Tourenskiern unterwegs, ansonsten gehe ich – wann immer irgendwie möglich – schnell den Berg hinauf. Ich mach das nur für mich, als Ausgleich, um runter und auf neue Ideen zu kommen. 

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Was möchtest du nicht missen?

Meine unglaublich tollen Freunde. Ich mag es, unter Leuten zu sein und kann es kaum erwarten, dass rund um den Bozner Obstmarkt wieder die Aperitivo-Zeit im Freien eröffnet. 

Ein Wunsch?

Ich habe zuletzt einige spannende Kongresse in Deutschland, Österreich und der Schweiz moderiert und würde mich gerne in Zukunft noch stärker darauf konzentrieren. Ich mag es, mich auf Themen intensiv vorzubereiten, mit dem Publikum zu interagieren und über Inhalte zu diskutieren. 

Dein Motto?

Spontan würde ich sagen „Nichts im Leben ist umsonst“. 

Was trägst du immer bei dir?

Lippenstift. Ich bin geradezu süchtig danach, echt fürchterlich!

Ein Gruß?

Da muss ich dich leider enttäuschen. Ich halte wenig von weisen Sprüchen oder Lebensweisheiten.

Solltest du irgendwann einmal deine Arbeit als Journalistin an den Nagel hängen, dann …?

… dann werde ich vielleicht Besitzerin eines kleinen Bistros. Die Idee habe ich bis heute nicht ganz verworfen. Erfahrung in diesem Bereich habe ich bereits vor einigen Jahren gesammelt, als ich das Bio-Bistro Humus in der Bozner Altstadt mit eröffnet habe. 

Ein Blick in die Vergangenheit. Was würdest du anders machen?

Ich würde sicher nicht mehr in Innsbruck studieren, sondern irgendwo in Italien. Und ich würde das Studentenleben viel mehr genießen. Aber grundsätzlich verliere ich mich nicht gerne in der Vergangenheit. Ich schaue lieber nach vorne und fürchte mich auch nicht vor Veränderungen. Wohl wissend, dass sie kurzzeitig auch mal schmerzen können. 

Fotos: Verena Pliger

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