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March 10, 2019

Wildern in zwischenmenschlichen Beziehungen: „Il Bracconiere“ von Valentina Musmeci

Kunigunde Weissenegger

Sie schreibt über Wilderer, Gejagte und Getriebene. Schauplatz: Trentino. Die Gesellschaft ist gezeichnet von einer unterdrückerischen, ausbeuterischen Kultur. Gefühle werden verletzt und gekillt, Egoismen genährt. Respekt ist ein Fremdwort. Bruno ist ein Bergmensch, er klettert und hält seine Abenteuer mit der Kamera fest. Pia ist der Heroinsucht entkommen und baut sich ein neues Leben auf. Diamante ist hauptsächlich geprägt davon, die Ex-Frau von Bruno und Mutter der gemeinsamen Kinder zu sein. Drei Geschichten, die sich verwickeln, voneinander lösen, zusammen geraten. „[…] wir sind alle Kinder einer unvollkommenen Liebe,“ heißt es auf dem Buchrücken. 

Am 11. März 2019 um 18 H stellt Valentina Musmeci ihr Buch „Il Bracconiere“ in der Bibliothek Claudia Augusta in der Kapuzinergasse in Bozen vor. Begleitet wird die Schriftstellerin vom Journalisten und Schriftsteller Franco Faggiani: „Als mir zwei befreundete Mailänder Buchhändlerinnen das Buch von Valentina Musmeci ans Herz gelegt haben, damit ich es lese und in ihrer Buchhandlung vorstelle, dachte ich mir, nichts leichter als das: Ein Berg als Titelbild und ein eindeutiger, aussagekräftiger Titel – ‚Il Bracconiere/Der Wilderer‘. Ich stellte mir einen betrügerischen Jäger vor, der dem trostlosen Leben in den Bergen trotzend Gämsen jagt und die Trophäen im Tal verkauft, aber schließlich geläutert Förster wird. Aber nein, nichts dergleichen – sag ich euch, damit ihr nicht wie ich vom Erscheinungsbild des Buches in die Irre geführt werdet. […]“ 

Valentina Musmeci lebt in Trient und unterrichtet Englisch. Als Journalistin und Fotografin hat sie Europa, Afrika, Asien und Amerika bereist. 2011 gründet sie den Verein Falenablu (blauer Nachtfalter), der sich aktiv gegen Gewalt an Frauen engagiert.

Wie wichtig ist der Ort des Geschehens – das Trentino?

Valentina Musmeci: In „Il Bracconiere“ reisen wir mit Pia in die ’68er-Jahre zurück: Trient war immer schon ein Brutkasten für soziale Innovation. Zumal die Drogenabhängigkeitsgeschichte von Pia in Trient spielt, erschien es mir wichtig auch die anderen Geschichten dort zu verorten. Die ’68er-Bewegung war eine für die Jugend verpasste Revolutution, deren „Entwicklung“ nicht ganz geglückt ist. Ausserdem ist das Trentino ein zentraler Bezugspunkt für die Kultur und Entwicklung des Alpinismus auf nationaler und internationaler Ebene. Stark waren in den letzten Jahren die politischen Impulse zur Bekämpfung und Prävention von Gewalt an Frauen. Diese drei Elemente haben mich dazu animiert, Trient als Ort des Geschehens für mein Buch zu bestimmen. 

Was hat dich zum Buch inspiriert?

Vor sieben Jahren habe ich den Verein Falenablu gegründet, der Frauen, die Opfer von Gewalt sind, im Mart – Museum für moderne und zeitgenössische Kunst in Rovereto, anbietet, sich künstlerisch zu betätigen. Die Nähe zu den Erlebnissen dieser Frauen hat mich dazu ermutigt, diese Geschichte zu schreiben. In Erzählungen von Gewalt an Frauen werden sie zumeist mit blauen Flecken dargestellt oder es stehen ihre furchtbaren Erlebnisse im Mittelpunkt. Eine Geschichte rund um einen so eigenen Protagonisten, wie Bruno es ist, aufzubauen, um die erlebte Gewalt in der Familie zu vertiefen, war eine bewusste und wichtige Entscheidung. Wenn man beim Buchtitel hängenbleibt, kann es tatsächlich passieren, in eine Falle zu tappen: Zunächst werden die tapferen Bergerlebnisse des Protagonisten erzählt, dann geht’s um die Geschichten der anderen beiden Protagonistinnen – zwei Freundinnen, Pia und Diamante, die das Leben auf eine harte Probe gestellt hat. 
Die Metapher des Wilderns erleichtert die Erläuterung der räuberischen Herangehensweise in zwischenmenschlichen Beziehungen. Täglich hören und lesen wir von Gewalt an Frauen und Femiziden und zumeist sind wir von der Furcht geleitet, uns falsch zu verhalten. Wo ist die Grenze? Wann wird ein Verhalten als normal angesehen und wann hingegen wird eine Grenze überschritten? 
Die Metapher des Wilderns hilft uns auf simple Art über die räuberische – verderbliche und zu bewältigende – Herangehensweise in zwischenmenschlichen Beziehungen nachzudenken. Die Herausforderung, denke ich, ist es nun gegen die Änderung eines Systems anzukämpfen. Die Metapher des Beutegreifens nach der Natur, den Tieren, ebenso wie den Menschen ist beachtlich. 

Valentina Musmeci

Foto: (1) Ausschnitt des Buchcovers „Il bracconiere“ von Riccarda de Eccher; (2) Valentina Musmeci

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