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March 1, 2019

Die Max G. Fischnaller Story

Florian Rabatscher

Schauspieler. Ein Wort, das für Glitzer, Glamour und Ruhm steht. Nicht mal im Entferntesten würde man hier an harte Arbeit denken. Eher an Hollywood, der wunderschönen Plastikwelt, wo die oberen Zehntausend Tür an Tür leben. Wow, was für ein Leben. Gibt es das wirklich? Natürlich nicht. Dieser Ort ist die größte abbröckelnde Fassade der Welt. Dort trifft man eher auf Obdachlose, Crack-Junkies und Nutten, als auf einen Star. Vergesst Glitzer und Glamour, es ist eher der vollgeschwitzte Glitter-Klumpen auf der Haut einer abgehalfterten Stripperin. Herrlich, welche Reste die sogenannte Traumfabrik heutzutage noch aushustet. Der Film „La La Land“ also? Für den Arsch. Doch vergessen wir Hollywood, da es für unsere Geschichte hier nicht relevant ist und mal ehrlich, wen interessiert das schon. Aber Träume gibt es auch im wirklichen Leben, der ein oder andere malt sich sicher oft aus, wie es wohl wäre, überall erkannt zu werden? Welches Kind hat nicht schon davon geträumt, im Fernsehen oder auf der Bühne zu sein? Im unscheinbaren Dorf Obervintl gab es auch mal ein Kind, das davon träumte. Der kleine „Töpsl“ Maximilian Gruber-Fischnaller spielte seine erste Rolle im Kindergarten beim Stück „Des Kaisers neue Kleider“. Sehen wir das als Einstiegsszene für „Die Max G. Fischnaller Story“. 

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Ja, der Max war schon immer besonders, das „schwarze Schaf“ der Familie, sagt er zwinkernd. Nein, es handelt sich hier nicht um einen schwierigen oder zurückgebliebenen Bengel. Nur, mit seinen zwei linken Händen war er keine große Hilfe auf dem elterlichen Hof, weshalb sein Vater schon manche Fluch-Arie auf ihn losließ. Er war „der Max mit den besonderen Fähigkeiten“. Seine Gabe offenbart sich auch mir während unseres Gesprächs. Wie ein Kleinkind, mit großen Augen und offenem Mund lausche ich gebannt seinen Geschichten. Er könnte gerade genauso gut über das verdammte Wetter sprechen und trotzdem würde man an seinen Lippen hängen. Dieser Typ muss ja unendliche Chancen bei den Frauen haben, aber nicht nur dort, denn da ist es ja wieder: Dieses famose gewisse Etwas. Der Beruf Schauspieler scheint fast schon wie maßgeschneidert für ihn. So kann man es bei ihm fast als Berufung verstehen und mittlerweile kann er sogar locker davon leben. Als freier Schauspieler klappert er die verschiedensten Bühnen von Südtirol bis Wien ab. Vom Film über hohes Theater bis hin zum Kindertheater als der bekannte „Regenbogenfisch“, unter anderem, verschlägt es ihn in die verschiedensten Rollen. Natürlich könnte er einen fixen Vertrag bei ein- und demselben Haus haben, doch er genießt seine Freiheit. Zudem kann man sich auch noch auf anderem Wege in diesem Beruf über Wasser halten: selbst unterrichten, Kurse abhalten oder in Form von Kabarett und musikalischen Performances. Einmal spielte er sogar an der Veterinär-Uni in Wien für die Studierenden einen Tierbesitzer, dessen Haustier eingeschläfert wird, um die angehenden Tierärzte auf solche Situationen vorzubereiten. Sehr interessant das Ganze, allerdings war der Weg bis dahin alles andere als ein Zuckerschlecken. Wie ein verirrtes Schiff in einem Unwetter ging es für ihn auf und ab. Vor allem, weil er es nicht auf die klassische Weise bewältigte …

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Zurück zum jungen Max, der während des Nachspielens von Sketchen (von Otto Waalkes zum Beispiel) schnell bemerkte, dass man Leuten dadurch ein Lachen ins Gesicht zaubert. Die Möglichkeiten für Schauspielerei waren natürlich begrenzt in einem Dorf wie Obervintl. Doch gab es einmal in seiner Mittelschule eine Theaterwerkstatt, an der er teilnahm, und damit war es um ihn geschehen. Nach der Mittelschule besuchte er das Pädagogische Gymnasium in Bruneck und wählte Musik und Theater als Wahlfach. Obwohl ihn sein Berufsberater darauf aufmerksam machte, dass dies eine Schule für Mädchen sei, sah er kein Problem darin. Im Gegenteil, die anderen Angebote waren für seinen Geschmack sowieso zu wissenschaftlich. Theater, Musik und Kunst waren immer schon sein Ding. Man sieht, er wusste genau, wo seine Reise enden sollte, doch bei uns hier konnte er sie nicht beginnen. Was für ein Glück, dass ein Bruder von ihm in Wien lebte, diese Stadt sieht schon eher nach einem guten Sprungbrett aus. Der bundesdeutsche Raum zog ihn nie wirklich an und auch heute noch schwärmt er von der österreichischen Metropole Wien. Er liebt das kulturelle Angebot, die Beisln, den Wiener-Proleten und den Dialekt. „Sie haben so eine nette unfreundliche Art“, sagt Max. Uns Südtirolern ist Dialekt wichtig, jedes Tal besitzt seinen eigenen und ist fast schon stolz darauf. Da stand er nun: jung, motiviert und bereit die Welt zu übernehmen. Kein geringeres Ziel vor Augen als die Schauspielprüfung des Reinhardt Seminars zu bestehen. Wo sich meistens 800–1.000 Leute bewerben und vielleicht zehn davon genommen werden. Was für ein Wahnsinn. Kurz gesagt, seine Nummer hing nach der Audition nicht an der Tafel. Der große Mittelfinger für einen aufstrebenden Schauspieler, der dir ganz einfach sagt: Verpiss dich! Ja, hier auf dem Land bekommst du leicht gutes Feedback von den Leuten, doch Wien stellte ihn auf die Probe.

Am Reinhardt-Seminar probierte er es übrigens noch zweimal und dazu noch viermal am Konservatorium, einmal am Mozarteum in Salzburg, an der Schauspielschule in Graz und in Leipzig. Ohne Erfolg. Nach diesen ganzen Pleiten legte er seinen Traum erstmal für ein Jahr auf Eis. Dem Theater den Rücken gekehrt, studierte er wieder und arbeitete nebenbei in einer Kneipe. Doch ganz ließ es ihn nicht los, denn während dieser Phase tauchte er zunehmend in diese Kultur ein und ging fast jeden Tag ins Theater. Er wurde immer unglücklicher und neidisch. Die Stücke, die er sah, konnte er nicht mehr genießen, da er sie nur mehr analysierte und auseinandernahm. Es half alles nix, er musste sich aufraffen und seinen Traum weiterverfolgen. Das Studium der Theaterwissenschaften gab er auf, da es ihm sinnlos erschien. Als ob du ein Rennfahrer wärst, der sich die Strecke nur anschaut. Er brauchte den Kick und musste zurück auf die Bühne. Deswegen bewarb er sich bei verschiedenen freien Bühnen in Wien. Eine davon war am Theater zum Mitnehmen, bei dem einfach in verschiedenen Cafès und Lokalitäten Stücke aufgeführt werden. Zum Beispiel „Die Physiker“ von Dürrenmatt, wo er lustigerweise alle drei Wissenschaftler spielte. Zudem absolvierte er verschiedenste Kurse über Clownerie, Pantomime, Tanztheater und eigentlich allem, was ihm unter die Finger kam. Über den Sommer spielte er sogar beim Freilichttheater mit. Man sieht, Fehler müssen erlaubt sein, um besser zu werden, nun ging er die Sache anders an. Sein Ziel war wieder in Sichtweite. Warum auch immer den klassischen Weg gehen? Im Alleingang absolvierte er die Bühnenreifeprüfung in Wien und das sogar mit Leichtigkeit. Total absurd, wenn man bedenkt, dass er es bei keiner Aufnahmeprüfung einer Schauspielschule über die erste Runde geschafft hatte. Jedenfalls ist Max trotz allem noch zu seinem persönlichen Happy End gekommen: Er fühlt sich wohl in seiner Haut und strahlt das auch aus.

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Ja, die  „Max G. Fischnaller Story“ entwickelt sich ja fast schon zur schmierigen Motivationsgeschichte: Halt an deinen Träumen fest und so ein Schwachsinn … Vielleicht ist er ja die fleischgewordene Motivation? Jedenfalls, eines kann man von ihm lernen: Scheißegal, ob du aus dem letzten Dreckskaff von Sibirien stammst oder der High Society von Paris angehörst, wenn du etwas willst, kannst du es schaffen und es gibt nicht nur den einen Weg. Also scheiß auf Hollywood, in der realen Welt gibt es doch viel mehr zu entdecken. Wer bis hierher gelesen hat und sich jetzt denkt: Eigentlich habe ich mit Theater gar nichts am Hut. Keine Panik, man kann Max auch auf anderem Wege erleben. Es gibt eine Rolle, die er sogar öfters verkörpert: Nämlich die von Angus Young dem Gitarristen von AC/DC. Er ist Teil der AC/DC-Tribute-Band LOUD und das nicht ganz ohne Grund: Als Gitarrist und Riesenfan der Band ist es für ihn das Größte deren Songs zu performen. Am liebsten würde er sogar zum Song „Ride On“ von AC/DC beerdigt werden. „Ride On“ bei einer Bestattung? Ja, Max wird sogar noch motiviert von uns gehen und mit einem großen Knall natürlich. Was für ein eigenartiges Volk diese Schauspieler doch sind, aber genau deswegen bewundert man sie. Oder etwa nicht?

Fotos: (1 + 2) Fabian Steppan, (3 ) Maximilian Gruber-Fischnaller 

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