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February 28, 2019

Einmal alles auf Anfang, bitte! Schauspielerin Petra Rohregger

Verena Spechtenhauser

Wenn die junge Südtiroler Schauspielerin Petra Rohregger von ihrem Leben vor der Schauspielerei erzählt, überkommt einen das Gefühl, sie habe bis zum heutigen Zeitpunkt schon tausend Leben gelebt. Shanghai, Singapur, München oder die USA sind nur einige Punkte auf der Weltkarte, an denen sie schon gewohnt oder gearbeitet hat. In ihrem Curriculum finden sich Arbeitserfahrungen als Kindermoderatorin im asiatischen Fernsehen, als Mitarbeiterin in der Marketingabteilung von Hugo Boss und als Geschäftsführerin einer großen Vertriebsfirma der Automobilbranche in China. Mit 27 Jahren hatte die Bruneckerin beruflich mehr erreicht als der Großteil ihrer Altersgenossen. Und doch, so Rohregger, war sie nicht im Mindesten so glücklich, wie sie eigentlich hätte sein sollen. Ein Gespräch über Neuanfänge, die Lebensschule Schauspielerei und neue Projekte.

Petra, du bist als Kind zusammen mit deiner Familie nach Shanghai gezogen. Wie hat dich diese Erfahrung geprägt?

Als ich zehn Jahre alt war, bekam mein Vater die Chance, in Shanghai ein Werk aufzubauen und wir sind als Familie zusammen dorthin gezogen. Der ursprüngliche Plan war ein einjähriger Aufenthalt, daraus wurden aber schlussendlich drei Jahre und im Anschluss an dieses Projekt wurde mein Vater dann nach Singapur versetzt, wohin wir ihn auch begleitet haben. Meine prägenden Kindheitsjahre habe ich in diesen asiatischen Metropolen verbracht, habe an einer internationalen Schule Englisch und Chinesisch gelernt und mich wirklich sehr wohl gefühlt.

Was hat dich dazu bewogen, als einzige aus deiner Familie, wieder zurück zu kommen?

Ich habe mich mit 18 Jahren dazu entschlossen an der Universität Bozen Wirtschaft und Management zu studieren, obwohl für mich eigentlich immer klar war, dass ich nicht mehr nach Südtirol zurück möchte. Das Klima, die Provinz, das alles hat mich abgeschreckt. Es war vor allem mein Vater, der mich in dieser Entscheidung bestärkt hat, der es wichtig fand, dass ich meine Wurzeln erneut kennen lerne, dass ich eine weitere europäische Sprache neben dem Deutschen lernen sollte. Was ich nicht erwartet hätte, meine Rückkehr nach Südtirol fühlte sich für mich an wie ein Kulturschock. Ich habe dann auch gleich ein Auslandsjahr in Amerika gemacht, um der Bozner Enge wieder zu entfliehen.

Anne-Frank_Petra Rohregger_Stadttheater Bruneck

Nach deinem Studium bist du relativ schnell die Karriereleiter nach oben geklettert, hattest tolle Jobs in Deutschland und China …

Ja, das stimmt, und trotzdem habe ich gemerkt, dass ich nicht glücklich bin. Vor allem in meine Arbeit als Geschäftsführerin in China habe ich mich mit Leib und Seele hineingekniet. Ich war die einzige junge Frau in einer von Männern dominierten Branche, musste mich ständig durchsetzen, mir Respekt verschaffen, knallhart verhandeln und irgendwann hat mir mein Körper zu spüren gegeben, dass ich am Limit lebe. Ich habe mich ernsthaft gefragt, für wen ich das alles eigentlich mache. Nach einem Jahr des Reflektierens habe ich mich dann dazu entschlossen, meine Stelle zu kündigen und mich meiner Passion, der Schauspielerei zu widmen.

Also bist du zehn Jahre später wieder nach Südtirol zurückgekehrt. Ein mutiger Schritt!

Ich würde sagen, von außen gesehen vor allem ein sehr extremer Schritt. Für mich aber war es das einzig Richtige! Denn ich wusste, ich kann eigentlich nur gewinnen und dazulernen. Ich war während meiner Zeit in China so unglaublich unruhig, immer auf der Suche nach einer Heimat. Ich war es leid, nie zu wissen, wie lange ich an einem Ort sein werde und immer wieder auf’s Neue Freundschaften schließen zu müssen. Meine Entscheidung für die Schauspielerei war darum auch eine Herzensentscheidung. Denn auch wenn ich nicht wusste, ob mich der Beruf der Schauspielerin in der Realität genauso ausfüllen würde, wie ich es mir in meiner Vorstellung ausgemalt hatte, musste ich es einfach versuchen. Auch weil das Auf-der-Bühne-Stehen mich immer schon begleitet hat. Also habe ich mich 2012 sehr bewusst an der Schauspielschule in Bruneck angemeldet. Im Gegensatz zu meiner ersten Rückkehr schätze ich Südtirol heute sehr. Ich habe hier eine Homebase gefunden und fühle mich unglaublich wohl, auch weil es mir mein Beruf ermöglicht, des Öfteren im nahen Ausland zu arbeiten.

Malala - Pressefoto_Petra Rohregger

Stichwort Bruneck. Du bist  dieser Tage (noch zu sehen am 28. Februar und 1. März 2019) im Stadttheater Bruneck im Theatermonolog “Malala, Mädchen mit Buch” unter der Regie von Claus Tröger zu sehen. Es ist nicht eure erste gemeinsame Zusammenarbeit …

Das stimmt. Claus Tröger, er ist auch Dozent an der Schauspielschule in Bruneck, ist ohne Frage mein Mentor. Ich verdanke ihm sehr viel und das von Anfang an. Als ich meine Ausbildung zur Schauspielerin begonnen habe, war ich geprägt von meinen Jahren als Geschäftsführerin in China. Ich war hart, tough und mit meinem Inneren nicht wirklich im Reinen. Die Theaterschule war daher für mich eine psychologische Aufarbeitung, bei der mich Claus unglaublich unterstützt hat. Denn ich musste erst all diese Eigenschaften abbauen, um wieder etwas Neues aufbauen zu können. 

Was bedeutet für dich die Schauspielerei?

Es ist (m)eine Lebensschule. Erst wenn du dir darüber im Klaren bist, wie du funktionierst, kannst du voll und ganz in andere Rollen hineinschlüpfen. Das Theater verlangt von dir sich zu öffnen, sich in andere Menschen hinein zu versetzen, einen Zugang zu anderen Denk- und Lebensweisen herzustellen. Ein sturer, egoistischer Mensch kann in meinen Augen diesem Beruf nicht gerecht werden.

Mittlerweile bist du fest eingebunden in die Südtiroler Schauspielszene. Kannst du dich noch an deine erste Rolle erinnern?

Meine allererste Rolle hatte ich während meiner Zeit an der Theaterschule: Die Produktion hieß “Herr der Fliegen” und war eine Schüleraufführung. Zu dieser Zeit war ich gerade mal einen Monat an der Schule und vor dem Auftritt unglaublich nervös. Wenn ich mir heute Videoaufnahmen aus dieser Zeit anschaue, fällt mir auf, wie undurchlässig ich damals war, wie schlecht meine Mimik und Haltung war. Und es wird mir erst bewusst, wieviel Schauspiel auch mit Handwerk zu tun hat.

Petra Rohregger_binnen-I

Traust du dich auch Rollenangebote abzulehnen?

Ja, doch, das kommt schon vor, wenn auch nicht oft. Ich muss sagen, ich habe bis jetzt wirklich Glück gehabt und unglaublich tolle und auch unterschiedliche Rollen angeboten bekommen, so zum Beispiel die Anne Frank im gleichnamigen Monologstück oder auch die Hauptrolle im Stück “Dogville” am Westbahntheater in Innsbruck und natürlich meine Rolle im Til-Schweiger-Film “Honig im Kopf”. Wenn ich eine Rolle ablehne, dann weil ich nicht zu hundert Prozent hinter dem Projekt stehen kann. Ich versuche wirklich nur Projekte zu machen, bei denen positive Energie entsteht. Weil mir Gruppenharmonie auch unglaublich wichtig ist. Darum war es für mich auch ein großes Anliegen, das Kollektiv binnen-I zu gründen, um auch andere Geschichten, die unsere Generation betreffen, auf die Bühne zu bringen: Geschichten zu erzählen, die aus uns heraus kommen und hinter denen wir uneingeschränkt stehen können.

Dein bisheriges Highlight 2019?

Dass ich zum ersten Mal Regie geführt habe und zwar beim Stück “Mit besten Empfehlungen”von Hans Schubert. Gefragt wurde ich von der Mariner Bühne, einer Brunecker Laienbühne mit hundertjähriger Tradition. Über diese Anfrage habe ich mich unglaublich gefreut, gleichzeitig hatte ich aber auch einen riesigen Respekt vor dieser neuen Herausforderung. Gott sei Dank hatten wir bei der Arbeit wirklich Spaß, und auch beim Publikum ist das Stück unglaublich gut angekommen. Am meisten aber hat mich das Feedback der Schauspieler gefreut, die mir bestätigt haben, dass sie während unserer Zusammenarbeit unglaublich viel gelernt haben. Und es war auch sehr befreiend zu sehen, dass mein Monty-Python-Humor beim Publikum gut angekommen ist. Außerdem habe ich heuer das erste Mal in einem Musikvideo mitgespielt, nämlich beim Clip “Reach/Bleach” der Brixner Band Laeds, auch das eine unglaublich spannende und bereichernde Erfahrung, weil ich dort auf Knopfdruck viel mit extremen Emotionen arbeiten musste – eine sehr intensive Erfahrung.

Petra Rohregger

 

Was kommt 2019 noch?

Neben “Malala, Mädchen mit Buch”, das gerade in Bruneck läuft, werde ich dort ab April noch im Stück “Oleana” zu sehen sein, zusammen mit Günther Götsch. Außerdem spiele ich unter der Regie von Alexander Kratzer die Gwendoline in Oscar Wildes “Bunbury”, das heuer bei den Rittner Sommerspielen aufgeführt wird. Mit meinem Theaterkollektiv binnen-I arbeite ich an der Theaterproduktion “Aus_sagen”, ein Freilichtspektakel, das diesen Sommer auf Schloss Sigmundskron Premiere feiern wird und vom Ursprung unseres Seins, unserer Traditionen und unserem Land erzählen wird.
Und auch filmtechnisch tut sich einiges. Mit binnen-I schreiben wir gerade am Drehbuch für die 2. Staffel der Kurzfilmreihe “Gabelungen“. Außerdem werde ich in der englischen Produktion von “Honig im Kopf” zu sehen sein.

Letzte Frage, mit welchem Regisseur würdest du gerne mal zusammenarbeiten?

Ganz klar, Francis Ford Coppola!

 

 Fotos: (1) Diana Meierhans – Studio Act Photography; (2), (3) Stadttheater Bruneck; (4) binnen-I; (5) Petra Rohregger

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