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January 8, 2019

Der technologische Künstler: Christian Zanzotti

Florian Rabatscher

Die alte Leier der Konsumgesellschaft, nichts Neues. Da wir ständig von Produkten und Werbungen umgeben sind, sieht man sie schon längst als selbstverständlich an und beachtet sie gar nicht genauer. Manchmal besorgt man sich etwas, weil man es wirklich braucht, doch gibt es dann auch wieder diesen Moment, wo man sich fragt: Warum zum Teufel habe ich mir diesen Schwachsinn gerade gekauft? Naja, jetzt ist es zu spät, doch die Frage ist berechtigt. Ähnlich wie bei: Warum habe ich diesen Arsch von Partner geheiratet? Wahrscheinlich, weil die Verpackung stimmte und das Innere auf den ersten Blick nicht ausschlaggebend war – und jetzt hast du den Salat. Aber genug von psychologischen Faktoren, warum wir nutzloses Zeug haben müssen. Betrachten wir mal das Produkt an sich, denn wer außer dem Hobby-Weltverbesserer macht das schon? Doch gibt es da noch eine andere Form von Mensch, der Produkte anders betrachtet als wir Otto Normalverbraucher.

Darf ich vorstellen? – Christian Zanzotti aus dem Vinschgau, sein Beruf: Industrial Designer. Ich sehe schon große Fragezeichen in euren Augen. Was um Himmelswillen ist ein Industrial Designer? Ich würde jetzt gern sagen: „Ganz einfach …“ Aber so leicht ist es leider nicht. Grob erklärt: Industrial Design ist der Bereich, welcher der Produktentwicklung vorausgeht und sie bis zur Umsetzung begleitet. Klingt noch nicht sehr aufschlussreich, aber wartet mal ab. Es ist einfach ein sehr breites Berufsfeld, da wir hier nicht von der Entwicklung einer speziellen Art von Produkt sprechen. Einige Sparten, die es umfasst wären: elektronische Produkte, Fahrzeuge, Möbel, Sportartikel, sogar Lebensmittelverpackungen und eigentlich alles, was man kennt. Sogar noch darüber hinaus, da der Großteil der Erzeugnisse meistens noch nicht entwickelt ist. Christian Zanzotti selbst ist oft überrascht, woran er gerade arbeitet. Dazu kommt, dass man für diesen Beruf eigentlich ein Know-How unendlich vieler Aspekte haben sollte, sodass sogar den Beruf des Arztes anzustreben plötzlich leicht erscheint. Man muss den Markt einschätzen können, immer über die neuesten Technologien und Herstellungsformen Bescheid wissen, man benötigt Kreativität und Vorstellungskraft, ein Gefühl für Ästhetik und und und … Hört sich fast schon nach einem Wissenschaftler an. So einen Beruf macht man nicht einfach nur so, oh nein, so einen Beruf lebt man. Sonst kann man es gleich vergessen.zanzotti2

Wie erlernt man also so einen komplexen Beruf? Ein Studium gibt es in München, doch ist das bei Weitem noch nicht genug. Dieses absolvierte Christian Zanzotti und arbeitete danach im Designstudio Hannes Wettstein in Zürich und bei IDEO in München. Erfahrungen sammeln ist das Wichtigste und ein dickes Fell solltest du dir bestenfalls auch noch zulegen. Denn seit 2013 ist er ganz auf sich gestellt und besitzt ein eigenes Studio (Zanzotti ID), angesiedelt in einer ehemaligen Wartungshalle im Kreativquartier von München: der Ort, wo der Zauber stattfindet und eine neue Generation von Produkten entsteht. Es sind stets komplett neue Erfindungen, an denen er arbeitet. Denn egal, was auch immer jemand herstellt – er wird immer daran interessiert sein, seine Produktpalette zu verbessern, um den verschiedenen Anforderungen auf dem Markt gerecht zu werden. Da kommen Christian und sein Team zum Zug. Was darf es sein? Ein paar neue Technologien? Oder ist ein neuer Herstellungsprozess gefällig? Oder doch ein optimiertes Redesign? Alles, was das Unternehmerherz begehrt: Pimp My Product. zanzotti4

Nicht umsonst hat Christian Zanzotti heuer den Förderpreis für Design von der Stadt München verliehen bekommen. In den letzten fünf Jahren hat sein Studio ein beachtliches Repertoire an Arbeiten abgeliefert. Beachtlich nicht aufgrund der Anzahl – außergewöhnlich machen es die innovative Besonderheit seiner Schöpfungen: sei es das extrem leichte Stadtfahrrad COREN oder auch Einzelobjekte, wie die Riedel Glass Sphere in Kufstein oder das Interieur der Rossini Cocktail Bar in Meran. Es entstanden auch serielle Produkte, wie die modern minimalistische Shisha IOOI und die prämierte Glasflasche für Puni Whisky. Letztere zeigt uns eindrucksvoll, wie sich Alt und Neu vermischen können. Eine äußerst futuristische Verpackung für so ein traditionelles Getränk. Genau an solchen Beispielen sieht man, dieser Mann denkt nach vorn. Fast schon revolutionär, was er da macht. Fast? Es ist revolutionär. zanzotti3

Ein technologischer Künstler also? Irgendwie schon, der kreative Teil ist Voraussetzung. Gewisse Freiheiten muss man sich bewahren und nicht immer nach alten Schemas arbeiten. Wenn jemand bei seiner Produktentwicklung immer denselben Weg gegangen ist, muss man – auch wenn es oft verrückt erscheint – einen komplett anderen Kurs einschlagen. Genau deshalb steckt stets auch etwas Risiko darin, weil man nie weiß, ob es gut ankommt. Projekte benötigen oft Jahre, bevor man sie präsentiert. Dazu kommt, dass Christian Zanzotti zumeist sieben gleichzeitig im Haus hat. – Mein Gott, was für ein Stress … Wenn ich nur daran denke, dreht sich mir der Kopf. – Sieben verschiedene Projekte gleichzeitig im Haus, das heißt: Vorbereiten, entwickeln, im Studio arbeiten, rausgehen, um Produkte zu recherchieren unf auszuprobieren, sich mit Kunden austauschen und viel unterwegs sein. Wirklich viel, weil jeder Kunde viel zu zeigen hat und Christian viel sehen will. Er will ergründen, wie etwas gemacht wird; dann zurück ins Studio zur Produktentwicklung, Prototypen bauen, Visionen ausbauen, präsentieren, bewerten und gegebenenfalls weiter ausarbeiten. Das Begleiten des Kunden führt letztendlich zum Produkt. Schritt für Schritt, wobei dieser Prozess oft Jahre dauern kann. Dann passiert es auch, dass der Industrial Designer an etwas arbeitet, das gar nicht präsentiert werden wird oder besser gesagt nicht unter seinem Namen. BMW oder Audi, beispielsweise, würden nie erwähnen, dass er etwas für sie entwickelt hat. Dies geschieht unter Geheimhaltung, was aber nicht tragisch für Zanzotti ist. Man bekomme trotzdem einen Einblick in die Forschung und die Bezahlung stimme auch. Wie gesagt, man muss in diesem Beruf fast – naja – alles können.zanzotti5

Hat so ein Mensch überhaupt Freizeit? Wenn man es so nennen kann, denn auch da beschäftigt er sich mit seinem Beruf, der einem alles abfordert und es weniger zulässt abzuschalten. Viele seiner Kollegen warfen schon nach ein paar Jahren das Handtuch, weil sie einfach nicht mehr konnten. Anders gesehen: wenn es einmal läuft, muss man es auch laufen lassen. Der Vinschger und Wahlmünchner versucht seinen Fokus darauf zu halten – Industrial Designer ist und bleibt sein Traumjob. – Das fällt ihm besonders dann ein, wenn er sich auf der anderen Seite der Erde befindet, zu dritt auf einem Roller sitzt und zum Essen in die Mensa fährt. Von irgendeinem Hinterland in China bis zum Stoffhersteller in der Türkei, es verschlägt ihn an die abgefahrensten Orte. 

Christian Zanzotti entdeckt die Welt neu, um dann für uns neue Produkte zu schaffen, die wir dann entdecken können. Somit gibt er auch uns etwas von seinen Erfahrungen ab. Nicht nur ein Künstler, insgeheim sogar ein wahrer Wohltäter. Also, wenn ihr das nächste Mal im Einkaufswahn durch die Geschäfte schlendert und die vermeintlich leblosen Produkte seht, denkt ihr vielleicht anders. Denn merkt euch: Ein gutes Produkt erkennt ihr schon am Design oder der Optik. Und es geht über die Hülle hinaus. Ein gutes Produkt ist intelligent, selbstverständlich und selbsterklärend. Fast schon unheimlich, wie dieser Mann nichtorganischen Dingen ein Leben einhaucht. Welches sterbliche Wesen kann das schon von sich behaupten? 

Fotos: Christian Zanzotti

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