Music

November 22, 2018

Die Welt ist ein Gräberfeld: Paul Plut in Brixen

Florian Rabatscher

Am 23.11.2018 könnte es gut sein, dass euch Darth Vader am Eingang von der Dekadenz in Brixen begrüßt. Er wird euch bitten, mit ihm auf die dunkle Seite zu kommen, und ich hoffe, ihr nehmt dankend an. Aber was rede ich, Darth Vader? Gegen diesen Musiker wirkt der Schwarzhelm so düster wie eine zahme Hauskatze. Denkt jetzt nicht falsch, ich spreche nicht von einem bescheuerten Hollywood-Bösewicht oder irgendeiner Klischee-Horrorfigur. Nein, ich spreche von einem realen Menschen mit wahren Schmerzen. Ein Mensch, der uns zeigt, wie schön die dunkle Seite des Lebens eigentlich klingen kann. Stellen wir ihn erst mal kurz vor, den musikalischen, dunklen Lord, Paul Plut. Österreichischer Sänger, Musiker, Komponist, Mitglied der Deutschpop-Band Viech und der Blues-Punk-Band Marta. Doch seine wahrscheinlich interessanteste und ehrlichste Musik liefert er mit seinem Solo-Projekt ab. Das Debut-Album „Lieder vom Tanzen und Sterben“ zielt genau auf sein und euer Innerstes. Entdeckt Gefühle, die ihr vielleicht noch gar nicht kennt, und befasst euch mal mit anderen Themen als dem verdammten Wetter.

Beim Hören dieser zehn Songs fühlt es sich so an, als ob man in einen tiefen und dunklen Keller hinabsteigt. Es kann gut sein, dass ihr dort unten den Lichtschalter findet, aber er wird nicht funktionieren. Irgendwie beklemmend und trotzdem so frei wie die Berglandschaft, in der er aufwuchs. Ramsau am Dachstein, ein Ort, umgeben von kraftvollen und fast schon Angst einflößenden Steinbrocken. Die Furcht vor dem Berg war immer präsent, Paul Plut verbindet mit ihm nicht nur schöne Erinnerungen, wie Wandern oder die Schönheit der unberührten Natur. Oh nein, Onkel und Großvater verunglückten in den Bergen und dazu noch seine beiden Suizidversuche vor dem Gebirgsmassiv. Lieder von Heimatliebe, wie bei den Kastelruther Spatzen erwarten euch hier also nicht. In diesen Liedern setzt er sich eher mit seinen verdrängten Dämonen auseinander. 

 „Heute braucht’s Überwindung, in diese alte Erinnerungskiste zu klettern. Hat ein paar finstere Ecken. Und wenn du dich zu weit reinlehnst, dann klappt womöglich der Deckel hinter dir zu.“paulplut1

Themen sind der Tod, das Scheitern, die Abgründe des Lebens, der Verlust und die Erlösung. Klingt jetzt wie die übliche Sonntagsmesse in irgendeinem entlegenen Kaff, doch so monoton und gefühlskalt läuft es bei ihm nicht ab. Im Gegenteil, seine tiefe, raue und durchdringende Stimme bohrt sich tief in euch hinein. Dazu noch die in Dialekt gesungenen, traurig, grandiosen Texte. Oft ist es doch so, dass Lieder in Dialekten leicht kitschig werden können. Aber nicht bei ihm, sie geben den Liedern noch mehr diesen Alpen-Schauergeschichten-Flair. Erdiger Blues, krächzende Sargscharniere, Begräbnis-Gospel-Chöre und diese fantastisch anmutende Rauheit, die sich durch seinen Sound schleppt. Zu schleppen hat er einiges, wie man hört und auch sieht, doch seht ihn nicht als Kind der Traurigkeit. Dieses Album ist ein Lobgesang auf die Vergänglichkeit des Menschen. So schräg wie das Gipfelkreuz, in dessen Gipfelbuch man sich einträgt, damit man im Falle eines Absturzes noch seine Handschrift hinterlassen hat. Die Stimmung im Album ist fast wie die in dem Roman „Schlafes Bruder“, nur ohne den ganzen Inzest-Kram. 

Die Welt ist ein Gräberfeld und Paul Plut ist der fluchende, saufende aber zutiefst ehrliche Prediger. Man könnte noch hundert Vergleiche ziehen, wie ihn beispielsweise den österreichischen Nick Cave zu nennen. Oder ist er wie der Song „Perfect Day“ von Lou Reed: Melancholisch, träge, traurig, aber trotzdem mit dem Blick Richtung Horizont gerichtet, wo ihr euren letzten und wahrscheinlich schönsten Sonnenuntergang erblickt. Ja, der letzte, so unbeschreiblich schön, dass man sich danach zufrieden in den ewigen Schlaf legt. Keine Angst vor dem Tod und dem Teufel, denn das Ende gehört genauso zum Leben wie alles andere. Vertraut mir, es wird ein Fest. Lasst euch für einen Abend in diese wunderschöne Schattenwelt führen. Gebt euch völlig hin und Paul Plut wird euch mit seinen Klängen wie bei einem spirituellen Mantra in einen Fieberwahn ähnlichen Zustand versetzen. Und ihr klatscht, klatscht und klatscht …

 „Wir wean so laut Klatschen, dass koana heat, wennt Wöt mit an Tuscha untageht.“ paulplut2

Fotos: Gerfried Guggi

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