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November 15, 2018

Sind sie tatsächlich so glücklich, diese Dänen? Giulia Mangione im foto-forum

Maria Oberrauch

Halfway Mountain – das ist der Titel des aktuellen Fotografie-Bandes von Giulia Mangione. Ein Zitat aus dem Epilog von „A Fugitive Crosses his Tracks“ des dänisch-norwegischen Schriftstellers Aksel Sandemose. Der Protagonist Espen beschreibt im Epilog den Berg Halfway Mountain und hält fest, dass dieser von jeder Perspektive aus anders aussehe und jede seiner Beschreibungen dadurch gleichwertig sei. Dass überdies eine einzige Beschreibung oberflächlich und unvollständig wäre. Giulia Mangione hat im Zuge ihrer Abschlussarbeit an der „Danish school of media and journalism“ Dänemark bereist und ist der einen Frage nachgegangen, auf die früher oder später jeder zu sprechen kommt, wenn es um Dänemark geht: Sind sie tatsächlich so glücklich, diese Dänen, und wenn ja, warum? Was ist Glück und worin äußert es sich? Das foto-forum in Bozen zeigt das Ergebnis noch bis 24. November 2018.

Kann man Glück messen? Kannst du es für dich?

Ich war anfangs selbst überrascht, aber ja, man kann das Glück tatsächlich wissenschaftlich messen. In Dänemark beschäftigt sich die unabhängige Denkfabrik „Happiness Research Institute“ mit der Frage, weshalb manche Gesellschaften glücklicher sind als andere. Der Gründer, Meik Wiking, vertritt die Auffassung, dass Glück ebenso wissenschaftlich erforscht werden sollte wie die Wirtschaft, d. h., indem numerische Daten wie das Bruttoinlandsprodukt, Wirtschaftswachstum, Arbeitslosigkeit, Inflation und Steuern ausgewertet werden. Jeder Indikator sagt etwas über den wirtschaftlichen Zustand eines Landes aus. Durch die Kombination qualitativer und quantitativer Methoden kann man nach Wiking verschiedene Aussagen über den Stand von Wohlbefinden, Glückseligkeit und Lebensqualität treffen.
Für mich ist Glück noch immer eher subjektiv und deshalb schwer in einheitlicher Weise zu definieren, deshalb habe ich den Projekttitel „Halfway Mountain“ gewählt, die perfekte Metapher, um ein so facettenreiches Konzept wie das des Glücks abzubilden.

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Was macht der Däne anders?

Mir ist aufgefallen, dass die Dänen den Friedhof als Ort empfinden, an dem das Leben gefeiert wird, nicht zwangsweise der Tod. Sie sonnen sich am Friedhof, sie stillen dort und veranstalten Picknicks. Dieser angeborene Sinn für Freiheit, ihr Verständnis von Nacktheit und Natur berührt mich. Und mir gefällt die Tatsache, dass Dänen auf die „højskole“ (High School) gehen, um etwas fürs Leben zu lernen und um sich bewusst zu werden, worin sie wirklich gut sind und nicht der guten Noten wegen.

Wie arbeitest du mit den Leuten, denen du begegnest? Wie kommst du zu deinen Sujets?

Viele Bilder sind Ergebnis von spontanen, kurzen Begegnungen auf öffentlichen Veranstaltungen wie Landwirtschaftsmessen oder Musikfestivals. Andere Bilder entstanden in Folge von längeren Beziehungen, mit einigen Menschen habe ich zeitweise zusammengelebt und konnte dadurch auch auf einer intimeren Ebene Alltagsmomente fotografisch festhalten, aber auch private Feierlichkeiten wie Geburtstage, Hochzeiten und Beerdigungen. Am Anfang dieses Projektes habe ich auf Facebook einen Post online gestellt, in dem ich um Möglichkeiten bat, bei privaten Festen anwesend sein zu dürfen, um mein Projekt zu verwirklichen. Der Post wurde von dänischen Freunden geteilt, später auch von anderen und ab einem gewissen Punkt funktionierte das Ganze auch durch das Weitererzählen, sodass ich von allen möglichen Leuten zu Festen eingeladen wurde. Im Gegenzug bekamen die Familien stets auch ein paar der Fotos, die ich an dem Tag geschossen hatte.

Dein persönliches Herzstück?

Wahrscheinlich das Foto von dem Jungen mit dem Suppenteller in der Hand, am Tag seiner Konfirmation. Ich mag es aus zwei Gründen: Das Foto wurde für mich zu einem Schlüsselmoment im Entwickeln der Bildsprache dieses Projektes. Mit diesem Foto habe ich die Wirkung und Wichtigkeit von Blitzlicht in der Fotografie erst richtig verstanden. Es war das erste Mal, dass ich ihn einsetzte, in diesem Fall musste ich es einsetzten, es war schon Abend und nicht mehr genügend natürliches Licht im Raum. Beim Durchschauen der Fotos ist mir dieses sofort ins Auge gesprungen, weil es so vollkommen anders war, fast entfremdet. Wichtig ist es für mich außerdem, weil ich sehr viel von mir selbst darin finde.

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Welche Farbe überwiegt?

Ich würde sagen Grün, denn anfangs hatte ich diese Obsession, besonders gepflegte Gärten und Hecken zu fotografieren, diese drücken meiner Meinung nach nämlich sehr viel von dem aus, was das Wesen der Dänen definiert.

Können Bilder alles sagen? Was ist Storytelling in der Fotografie?

Storytelling, also das Entwickeln und Erzählen einer Geschichte, kann in der Fotografie immer nur bedingt funktionieren, man muss sich darüber klar sein, dass Fotos nur einen Ausschnitt abbilden können, nur einen kleinen Teil  von Wahrheit und das ist die der Fotografin/des Fotografen.

Wohin geht die nächste Reise?

Wahrscheinlich zieht es mich zurück nach Sibirien, im Sommer 2017 habe ich dort mit einem Projekt begonnen, das ich gerne weiterführen möchte.

Bringst du Souvenirs mit oder ist das, was zählt, als Bild schon genug?

Die Bilder sind meine Souvenirs.

Fotos: Giulia Mangione

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