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October 19, 2018

Pantha Rhei. Lisa Maria Kager

Text Nadine Pardatscher
Alle die, die einen Versuch versuchen. Alle, die aus der Reihe tanzen, aber taktvoll! Jene, die ihre eigene Zukunft basteln und knipsen, um auf das aufmerksam zu machen, was ihnen wichtig ist. Andere schminken anstatt sich seinen eigenen Traum abschminken und dabei gleichzeitig in der Alltagsrolle bleiben. Leidenschaftlich begeistert und imstande, andere von der eigenen Leidenschaft zu begeistern. In dieser Serie werden einige dieser – jungen – Südtiroler KünstlerInnen, MusikerInnen, JungunternehmerInnen, SportlerInnen und TänzerInnen vorgestellt: MUT, NUR MUT #07 – Lisa Maria Kager

 

Yoga, nicht zur Selbstdarstellung. Nein zu Netto-Ästhetik-Propaganda und Nein zu reinem Rotes-Gesichtsschweiß- und Körper-Schwitz-Programmen. Yoga als qualitativer Energieträger, eingebettet zwischen einem mentalen und körperlichen Eins-Sein-Einheitsprogramm. Lisa Maria Kager hat ihr Studentenleben in München abgebrochen und ist aufgebrochen – wieder nach Hause – und hat sich für ihren eigenen Weg entschieden. Die 26-Jährige schmiedet Wörter, ist Journalistin und seit über 731 Tagen Yoga-Lehrerin.

Wie bist du zum Yoga gekommen? Wo hast du Yoga gelernt?

Es ist witzig mal auf der anderen Seite zu sitzen, meistens bin ich ja selbst Interviewerin. [lacht]  Also, da meine Mutter auch Yoga-Lehrerin ist, bin ich eigentlich damit aufgewachsen. Ich habe zwar immer beim Yoga mitgemacht, aber mich nie so bewusst oder intensiv mit der Yoga-Philosophie beschäftigt wie in der Zeit, als ich mit dem Studieren begonnen habe. In München gab es diesbezüglich mehr Möglichkeiten und ich hatte neue Stile entdeckt, in denen ich mich wieder gefunden habe und die mich total fasziniert haben. Kurz vor dem Master-Abschluss in Italien-Studien – einem Mix aus Kunst, Kultur und Sprache – ist mir nach viereinhalb Jahren die Stadt auf den Kopf gefallen … zu laut, zu viel, zu schnell! Obwohl ich wirklich immer sehr gerne unter Leuten war, mir das Rausgehen gefallen hat, gelangte ich an den Punkt, wo mir die Ruhe gefehlt hatte. Egal wo man hinkam, es war immer was los und ich suchte einfach nur die Stille. Dazu kam eine Phase, in welcher ich mich im Master nicht mehr ganz wohl fühlte und am Studium zu zweifeln begann. Während ich Boccaccio und alte Literatur lernte, begann Italien mit der Flüchtlingskrise und anderen Problemen zu kämpfen und wir haben im Unterricht nicht einmal darüber gesprochen. Mir fehlte in gewisser Weise der Bezug zum Hier und Jetzt, zu aktuellen Themen und Ereignissen. Daraufhin habe ich beschlossen, etwas zu tun, was mich persönlich im Leben weiterbringt. Kurzerhand habe ich das Studium abgebrochen und nach einem Aufenthalt in Südtirol und verschiedenen absolvierten Praktika im Publizistik-Bereich, zwischen Fernsehen und Radio, eine Yoga-Ausbildung in Reith bei Kitzbühel begonnen, und zwar in einem Sivananda-Seminarhaus – einem von vielen Yoga-Zentren, welche über die ganze Welt verteilt sind.

Wie kann ich mir diese Ausbildung vorstellen?

Für einen Monat habe ich in einem Ashram, einem klosterähnliches Meditationszentrum, zusammen mit Swamis (hinduistische Mönche bzw. Lehrer) gegessen, gelebt und meine Ausbildung absolviert. Die Basisform war das Hatha Yoga, also ein sehr klassischer Stil, welcher aber auch viel Spiritualität mit sich bringt – das war mir anfangs selbst nicht ganz so bewusst. Swamis dürfen nicht heiraten und gestalten ihren Alltag nach einer fixen Struktur. Wir waren gut 30 Auszubildende und folgten in dieser Zeit ebenfalls ihrem strikten Tagesablauf. Um halb 5 wurden wir aufgeweckt für den gemeinsamen Satsang – einem Treffen, bei welchem nach anfänglichen Atemübungen, meditiert, nachgedacht und gesungen wird. Während dieses Mantra ähnlichen Singens, wurden Götter angebetet und man fiel erneut in Meditation. In der darauffolgenden Lektion – alle auf Englisch abgehalten – erzählte ein Mönch von der Philosophie. Nach einer Yoga-Stunde dann – kurz vor dem Verhungern [lacht] – durften wir gegen halb 11 endlich etwas essen. Gegessen wird nach Ayurveda-Art, die vorwiegend laktovegetarisch ist – das heißt vor allem viel Gemüse mit Reis und Verzicht auf Alkohol, Fleisch, Kaffee und einigem mehr. Aber das Essen war wirklich sehr gut. [schmunzelt] Nach dem Mittagessen folgte die Hauptvorlesung, die aus zwei Teilen bestand: Anatomie, also Körperaufbau, sowie die einzelnen Funktionen und das Kennenlernen der Bhagavad Gita, einer Religiösen Schrift, die in Sanskrit und Versen abgefasst von Krishna erzählt – ein spirituelles Gedicht mit Ähnlichkeiten zur Divina Commedia. Vorstellen kann man sich das wie eine Philosophie-Stunde, in denen eine Mönchin einen Vers vorlas und sich das Gespräch unter den SchülerInnen dann meistens in eine tiefe Diskussion verwandelte. Die jeweiligen Theorie-Stunden mussten wir im Rahmen einer Hausübung zusammenfassen und am darauffolgenden Tag abgeben. Vor dem Abendessen wurde noch eine Yoga-Stunde abgehalten und nachher endete der Tag mit einem weiteren Satsang gegen 11 Uhr. Da Arbeit auch zum Yoga gehört, wurde täglich noch eine Stunde Karma Yoga eingefügt. Dabei mussten wir nähen, waschen, den Hof kehren, das Geschirr für die Opfergabe putzen oder sonstige Vorbereitungen organisieren. Geduscht wurde irgendwann dazwischen in den 5 minütigen Pausen. [lacht] An einem Tag der Woche hatte man frei, wobei ich diesen Tag zum Lernen auf die Abschlussprüfung nutzte, die ein Mix zwischen Theorie und Praxis war. Ein wirklich straffes Programm!

LK1

Was ist Yoga für dich?  

Yoga basiert auf 5 Säulen. Dazu gehören die Körperübungen, die wir alle kennen, wie zum Beispiel den Sonnengruß, die Ruheposition, die Atemübungen, das Ayurveda – das Essen, und die Meditation gekoppelt mit dem positiven Denken. Das ist Yoga! Es gefällt mir auch immer, das so zu erklären. Im Prinzip spiegelt Yoga das Leben wieder: Du bewegst dich, du ruhst, du atmest, du isst und dabei sollst du versuchen, deinen Geist zu zügeln und einpünktig mit ihm zu werden. In diesen 5 Grundlagen geht es einzig darum, deinen Geist zu kontrollieren. Ich finde dies beschreibt Yoga sehr gut. Im Sanskrit, der alten hinduistischen Schrift, hat Yoga zwei Bedeutungen: Zum einen ist es die Einheit zwischen Körper, Geist und Seele – das klingt zwar floskelhaft, aber es stimmt total und ergibt einen Sinn. Zum anderen heißt Yoga ganz genau übersetzt “Joch” – das Geschirr eines Zugtieres, wie ebendas eines Ochsen. Damit ist die Verbindung zwischen Karren und Tier gemeint sowie das Zügeln des Tieres über das Joch. Einheit und Verbindung. Die Philosophie ist echt total genial!

Anusara, Ashtanga, Acro. Welches Yoga praktizierst du?

Die Basis meiner Stunden bildet zwar das Hatha Yoga, dennoch folge ich aber keinem ganz bestimmten Stil, da ich Yoga in meiner Art und Weise weiter führe und es an mein Leben anpasse. Ich versuche ein Mittelmaß zwischen Körper und Philosophie zu finden, versuche also neben reinen Körperübungen auch Spiritualität in meine Stunden einfließen zu lassen. Dadurch, dass ich viele Fortbildungen gemacht habe und mir neue Inspirationen aus verschiedenen Büchern hole, kann ich mich schwierig irgendwo fix einordnen. Viele Menschen kommen zu mir, um reinen Sport zu betreiben, dabei ist Yoga eine ganze Philosophie und so versuche ich in meinen Stunden 50 Prozent mentales und 50 Prozent körperliches Training zu kombinieren. Ich unterrichte Yoga für Männer und Frauen, egal welcher Altersklasse, in St. Pauls bei mir Zuhause. Obwohl zwar mehr Frauen zu mir kommen, gibt es mittlerweile auch viele Männer, vor allem Sportler, zum Beispiel Kletterer, die im Yoga einen guten Ausgleich zu ihrem Sport finden können. 

Yoga ist nicht deine einzige Einnahmequelle. Was machst du sonst noch?

Hauptberuflich bin ich freie Journalistin und arbeite auch auf dem Hof meiner Eltern – die Yoga-Stunden gebe ich sozusagen nebenher. Bei mir ist das so, dass ein Beruf oder Hobby der Pendant oder der Ausgleich zum anderen ist. Wenn ich schreibe und müde werde, den Kopf nicht mehr dazu habe, gehe ich raus und arbeite im Garten und umgekehrt. Yoga-Stunden am Abend sind ein zusätzlicher Ausgleich zu all meinen Tätigkeiten. Im Moment sind mein Freund ich dabei, die Apfelbäume auf dem Hof meiner Eltern herauszunehmen und einen neuen Weg einzuschlagen: Wir möchten uns auf eine Mischkultur spezialisieren und Kräuter – einen Teil haben wir schon, Obst und Gemüse nach dem Prinzip der Permakultur anbauen. Die Ernte würden wir dann gerne einerseits an die Gastronomie liefern und andererseits vor Ort verkaufen. Wir verfolgen den Traum von unserem eigenen Hofladen. Im Moment sind wir aber noch mitten in der Planungsphase, weil wir ja eigentlich beide einen Vollzeit-Job haben und die Pflege des Gartens und des Hofs natürlich sehr viel Zeit beanspruchen.

Deine Zukunftsprojekte?

Ich möchte sicherlich noch mehr mit Yoga machen – mich einfach intensiver damit beschäftigen, weil ich davon überzeugt bin, dass man in der heutigen Zeit den Menschen sehr damit helfen kann. Es sind oft einfache Prinzipien, die wir leider nicht mehr richtig machen, obwohl genau dadurch gewisse Schmerzen, körperlicher wie seelischer Art, verschwinden können. Atmen zum Beispiel: In meinen Yoga-Stunden bemerke ich, dass die Mehrheit der TeilnehmerInnen flach und kurz atmet, das heißt die Lunge wird nicht gänzlich mit Sauerstoff ausgefüllt und nicht komplett entleert. Automatisch gelangt mit einer verkürzten Atmung zu wenig Sauerstoff in unsere Lunge, die ja unsere gesamten Zellen damit versorgen müsste und das bedingt Unruhe und Stress. Korrekte Atmung ist ein wichtiges Instrument den eigenen Körper zu steuern, sie fördert die Konzentration, schafft klare Gedanken und wir können den Stress abbauen und die Spannung fallen lassen. 

Dein Motto?

Es ist kein Lebensmotto, aber ich mag den Spruch von Pippi Langstrumpf: “Lass dich nicht unterkriegen; sei frech und wild und wunderbar.“

Fotos: (1) Andreas Bertagnoll (2) Lisa Maria Kager

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