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September 28, 2018

Hinter der Maske: Michael Fliri

Florian Rabatscher

Ich parke mein Auto vor der Festung in Franzensfeste. Ziemlich still hier draußen und nicht viel Betrieb. Doch da, ein ahnungsloses amerikanisches Pärchen versucht den Parkautomaten mit ihrer Kreditkarte zu füttern. Ein sinnloses Unterfangen, wenn man mich fragt. Ich beobachte weiter das Szenario. Die Freundin des athletischen jungen Mannes, wird zunehmend ungeduldiger. Wenn ich jetzt nicht sofort einschreite, wird etwas Schreckliches geschehen. Bilder von fleischfressenden Monstern schwirren durch meinen Kopf, bis ich es nicht mehr aushalte. Gütiger Gott! Sie wird ihm jetzt doch nicht allen Ernstes den Kopf abbeißen? Ganze dreißig Cent sind sie dem Automaten schuldig, die ich ihnen natürlich sofort aus meiner Tasche zaubere und sie ziehen ihres Weges. Willkommen im zurückgebliebenen Europa, (wo Parkautomaten noch mit Bargeld funktionieren,) ihr fortschrittlichen Yankees. Oh ja, ein Leben zu retten ist der beste Start in den Tag. Eigentlich sollte ich wieder nach Hause fahren und mich in meinem Ruhm sonnen, aber mein Auftrag ist noch nicht erfüllt.

Ich bin nämlich hier, um mir die Uraufführung der Kunstaustellung „Grenzgänge“ mit Julia Bornefeld und Michael Fliri in der Festung anzusehen. Genauer gesagt, bin ich mit dem Künstler Michael Fliri verabredet. Als ich die Festung betrete, reiche ich meine Hand dem erstbesten Typen, der nach Künstler aussieht. Dazu schreie ich lauthals: „Hallo Michael!“ Als sich aber herausstellt, dass er bloß ein Pressekollege mit zufällig dem selben Namen und nicht der Künstler ist, kommt mir so ein Gedanke: Verdammt, ich weiß nicht einmal wie Michael Fliri aussieht. Peinliche Situation. Aber wenn man bedenkt, dass er sich gern hinter Masken versteckt, ist es doch mehr als verständlich. Genau das ist sein Ding: Masken. Aber nicht irgendwelche, herkömmlichen Masken wie sie Serienkiller in Splatterfilmen gerne tragen. Nein, bei ihm steckt mehr dahinter. Schon in den ersten Räumen der Ausstellung wird gleich klar, welche Linie Michael Fliri fährt. Fotos, auf denen es aussieht, als hätte er einen ganzen, transparenten Berg auf seinem Gesicht. Zudem verschmilzt er am Ende komplett mit der Berg-Maske, da die Kondensation seines Atems sein Gesicht völlig darin verschwinden lässt. Abgefahren.Michal FliriAuch der nächste Raum ist gefüllt mit … dreimal dürft ihr raten … Masken. Schwarze Masken, die etwas Geheimnisvolles und exotisches an sich haben. Diese Masken besitzen sowohl vorne als auch hinten Gesichter. Noch abgefahrener. Dieser Raum könnte doch die perfekte Kulisse für einen Voodoo-Film darstellen … Aber nein, raus jetzt mit diesen Bildern aus meinem Kopf. Auch wenn es schwerfällt und ich nicht viel von zeitgenössischer Kunst verstehe, muss ich bei der Sache bleiben und möglichst professionell wirken. Meine Tarnung darf nicht auffliegen, also weiterhin bei jedem Satz zustimmend nicken und interessiert wirken. Perfekt. Aber seien wir mal ehrlich: Muss man wirklich etwas davon verstehen? Kann man die Kunstwerke nicht einfach auf sich wirken lassen? Ich glaube schon, da mich die Ausstellung zunehmend mehr anspricht und ich wirklich Gefallen an diesen Dingen finde. Also sei auch den Kunstbanausen ans Herz gelegt, geht hin und seht euch das an (Dauer der Ausstellung: 15. September 2018 – 03. Juni 2019). Aber was mich jetzt noch brennender interessiert: Was zum Teufel hat es jetzt mit diesem, nennen wir es mal, Maskenfetisch auf sich?Michal Fliri

Michael Fliri stammt aus einem kleinen Dorf im Vinschgau. Taufers im Münstertal, der westlichste Punkt Südtirols, an der Schweizer Grenze. Wahrscheinlich deshalb das rollende „R“ in seiner Aussprache, was fast schon musikalisch klingt. Bereits als Kind waren Fasching und der Krampus-Umzug das Größte für ihn. Dieses Jemand-anders-Sein und die Masken waren magisch, sagt er. Eine Faszination, die ihn sein ganzes Leben nicht mehr los ließ. Was man auch bemerkt, denn wenn er über seine Werke spricht, versprüht er automatisch diese magische oder kindliche Aura. Überhaupt ein sympathischer Typ, dieser Fliri. Ein bisschen erinnert er mich an Billy Corgan von den Smashing Pumpkins, ein Künstlertyp auf den ersten Blick. Warum versteckt er sich also hinter den Masken? Naja, von Anfang an war er, als Person, nicht von Interesse für seine Arbeit. Sein Körper steht zwar zur Verfügung, für die Kunst selbst ist er aber nicht wichtig. Als Performance-Künstler sieht er sich nicht, schon allein aus dem Grund, da er nicht gern vor mehreren Leuten auftritt. Doch eine Maske aufzusetzen ist mehr für ihn, als sich einfach nur zu verstecken. Die Maske selbst, als Objekt, steht einfach nur statisch da. Wenn man sie aber aufsetzt, ist es, als ob man ein Ritual vollziehe: Durch ihre zwei Löcher trittst du in den Dialog, zum einem mit der Welt vor dir, aber auch mit der hinteren Seite. Hinten, im privaten Bereich, mit dir selbst und vorne ergibt sich ein völlig anderes Bild für die Öffentlichkeit. Dualität. Während mich Michael Fliri über seine Philosophie der Maske aufklärt, bekomme ich wirklich Gänsehaut. Wer dachte sich schon, dass soviel dahinterstecken könnte? Wirklich außergewöhnlich seine Arbeit. Was auch andere so sehen, denn nicht umsonst lebt er von seiner Kunst. Heuer wurde er vierzig Jahre alt und hat viele Internationale Ausstellungen und Residenzen vorzuweisen (in Wien Stipendium, ein Jahr Belgien, Paris …).

Seine erste Ausstellung fand 2001 statt, während seiner Studienzeit in München. Diese Arbeit nannte sich „Der Schneemann“. Als Schneemann mit transparentem Bauch, gefüllt mit Styroporkugeln, entleerte er diese im ganzen Raum. Am Ende war der Raum mit 20 Kubikmetern Styropor gefüllt und er verschwand darin. Normalerweise ist es doch so, dass es zuerst schneit und man dann den Schneemann baut. Doch in seiner Welt kreiert der Schneemann sich sein Winter-Wonderland selbst. Magisch? Nicht wahr? Wie ein bizarres Kindermärchen. Hier erkennt man wieder diese Dualität in seiner Arbeit. Ein Punkt, der sich schon immer durch seine Arbeiten zog. Wahrscheinlich kommt es daher, wie er sein Studium absolvierte. Wintersemester in München und Sommersemester in Bologna. Drei Jahre lang, immer hin und her und jedes Mal eine neue Wohnung suchen. Wahnsinn! Kein Wunder, dass dies in seinen Arbeiten einen Beigeschmack hinterlässt. Für ihn gibt es immer zwei Pole: positiv-negativ, vorne-hinten, unterbewusst-bewusst, intuitiv-rational … Aber trotzdem hat er, in den unendlichen Weiten der Kreativität, seine Linie gefunden. Ansonsten wäre er wahrscheinlich wahnsinnig geworden, aber wer weiß das schon.Michal Fliri

Als Künstler ist er sehr diszipliniert und professionell. Nur so kommst du voran und kannst davon leben. Auch wenn man es sich nicht so vorstellt, es ist und bleibt verdammt harte Arbeit, aber er macht sie gerne. Denn in seinem Inneren lebt immer noch das Kind, das so fasziniert von Masken ist. Ja, auch sein Leben an sich ist irgendwie geprägt von dieser Dualität. Doch ist das nicht bei uns allen so? Man sieht es zwar nicht, aber läuft nicht jeder von uns mit einer Maske herum? Denkt einfach mal nach: In wie vielen Situationen verhaltet ihr euch anders, als ihr eigentlich seid. Jeder trägt seine ganz eigene Maske, doch Michael Fliri stellt seine zur Schau und macht sie jedem zugänglich. Also kann man nicht behaupten, er wäre bloß ein Spinner, der sich dahinter versteckt. Oh nein, ich glaube, somit ist er offener als wir alle. Übrigens könnt ihr ihn am 22.09.2018 in der oberen Festung Franzensfeste, im Rahmen von Transart erleben. Dort werdet ihr eine von ihm eigens für dieses Event vorbereitete Videoinstallation sehen. “Polymorphic Archetypes” nennt sich das Ganze und der Sound dazu wird live fabriziert. Na? Gespannt? Ich tippe mal fest darauf, dass es irgendetwas mit Masken zu tun hat. Aber lasst euch überraschen.

Fotos: (1), (2), (3) Rafael Krötz, (4) Othmar Prenner

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