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September 21, 2018

Die Penisbeichte im Wanderzirkus

Eva Rottensteiner

Man nennt es den kleinen Mann, Johannes, Jonny, Latte, Lümmel, Nudel, Zebedäus, Gurke, Hammer, Knüppel, Kolben, Rüssel, Dödel, Schniedelwutz, ja sogar Zauberstab, wie ich dem Duden entnehmen kann. In der Kunst ist es der Phallus, in Österreich wird es auch Zumpferl genannt und laut Duden nennt man es in Kindersprache auch Piephahn. Es gibt viele Übernahmen für dieses eine Ding, das zurzeit in Tirol für Angst und Schrecken unter den BewohnerInnen sorgt. Penis, Penis, Penis, Penis, Penis, Penis, … Das Wort oder, soll ich besser sagen, Unwort, das wie in einer Dauerschleife in den Köpfen aufgebrachter InnsbruckerInnen sein Unwesen treibt. Es ist zum Fürchten! Und was hat ein Penis mit Beichte zu tun? Muss der etwa auch beichten gehen? Sind Penisse etwa Sünder? Und muss ich mich jetzt auch mit Spraydosen vor dem bösen Projekt schützen?

Damit, aber eigentlich mit etwas Anderem, setzt sich zurzeit der Kulturverein Lachsam in seinem ersten Projekt „Wanderzirkus – Kunstinstallationen im öffentlichen Raum“ auseinander. Es geht zwar indirekt um Penisse, allerdings nicht so wie es sich so manche TirolerInnen ausmalen. Zur Überraschung vieler werden dieses Wochenende im Wanderzirkus (alias leerstehender Tabacchino) im Innsbrucker Mariahilfpark 1a nämlich keine Penisse ausgestellt, wie in manchen Medienberichten vermutet wurde. Bei ihrer interaktiven Kunstinstallation „Die Penisbeichte“ geht es Dagmar Ongania und Theresia Dummer um Alltagssexismus. Alltagssexismus? Uuuh, ein Raunen geht durch den Raum. „Das ist doch das Lieblingswort der Linken, oder nicht?“, murmeln einige. Und das war’s auch schon mit der Auseinandersetzung – schneller Themenwechsel. ENDE. AUS.

Doch nicht so bei Lachsam. Alltagssexismus und sexualisierte Gewalt ist ein viel größeres Problem in unserer Gesellschaft, mit Ausmaßen, die sich viele vor der #metoo-Bewegung 2017 nicht ausmalen konnten. Es begann mit dem Weinstein-Skandal und führte dazu, dass unzählige Frauen und Mädchen mit ihren Erfahrungen von sexueller Belästigung oder Missbrauch an die Öffentlichkeit gingen. Das Ausmaß war international und unfassbar, führte zu Rücktritten, Prozessen und unzähligen Debatten über „Victimblaming“ und in der Gesellschaft verankerte Machtstrukturen. Es wurde endlich wieder weitläufiger über Sexismus und strukturelle Gewalt gesprochen. Und genau das möchten die zwei Frauen erreichen. Wo fast jede Frau schon einmal in ihrem Leben Erfahrungen mit Belästigung, sei es verbaler oder physischer Art gemacht hat, muss es Platz zum Austausch geben. Im Vorfeld hat das Mädchenzentrum Aranea im Rahmen eines Workshops beim Gestalten des Wanderzirkus mitgeholfen. Außerdem wurden via anonymer Einsendung persönliche Erfahrungen von Opfern gesammelt, die als Tonspur in der Installation eingebunden werden.

Und weil mit Humor vieles leichter fällt und das genau Thema der diesjährigen Ausschreibung der TKI (Tiroler Kultur Initiativen) Open 2018 war, welche das Kulturprojekt fördern, haben die zwei Projektleiterinnen eine Clowness mit eingebunden und ihre Initiative als „Penisbeichte“ betitelt. „Indem wir dem PHALLUS (dem Symbol für sexualisierte männliche Macht) in einem Zirkuszelt scheinbar die Beichte abnehmen, versuchen wir diese Gratwanderung zwischen Ernsthaftigkeit und Humor zu begehen. Es soll die Möglichkeit geschaffen werden Dinge, die höchst unangenehm sind, zur Sprache zu bringen und im besten Falle sogar die Verantwortung an das Täter-Kollektiv zurück zu geben“, heißt es in einem der Posts von Lachsam.

DIE HARD FACTS:

DO 20.09.– SA 22.09.2018 im Wanderzirkus, Mariahilfpark 1a, Innsbruck

alle drei Tage 17–19 Uhr: Installation (mit Linja als Clowness von E43)
+ Impulsvorträge und Diskussion im Anschluss

DO 19 Uhr: Biologe und Sexualpädagogin über Geschlechterfrieden
FR 19 Uhr: Sexismusdebatte aus Männerperspektive
SA 19 Uhr: Coach, Gemeinschaftsdesignerin und Yogalehrerin über Beziehungen und Unabhängigkeit

Nun dann, gehet hin in die Penishöhle, alias leerstehender Tabacchino, und lasset euch belehren. Diskutieret und gehet weiser heim, als ihr es vorher ward. Damit die Penisbeichte im Wanderzirkus kein angstbehafteter Mythos bleibt. Mit Herz Sinn und Humor, wie sich die Veranstalterinnen immer verabschieden. AMEN!

Foto: Dagmar Ongania und Theresia Dummer (c) FB Lachsam Verein

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